# taz.de -- Probleme bei Flixbus: Busfahrer lässt Passagier stehen
       
       > Ein jeminitischer UN-Mitarbeiter reist per Flixbus – und wird an einer
       > Raststätte vergessen. Das Unternehmen verteidigt das Verhalten des
       > Fahrers.
       
 (IMG) Bild: Nimmt nicht jeden mit
       
       BERLIN taz | Zehn Minuten Pause, hatte der Busfahrer gesagt, das Fahrzeug
       auf den Tankstellenparkplatz gelenkt und angehalten. Super, dachte der
       junge Mann, der mit dem Bus fuhr: genügend Zeit, um in der Raststätte etwas
       zu essen zu kaufen. Er stieg aus, lief zum Kiosk, kaufte Kekse, Saft und
       Kaffee. Die Raststätte war leer, der junge Mann wurde sofort bedient. Er
       hatte das Gefühl, das Ganze dauerte nicht einmal zehn Minuten. Aber als er
       wieder auf dem Parkplatz stand, war der Bus weg. Abgefahren ohne ihn.
       
       Was wie ein schlechter Scherz klingt, hat sich vor Kurzem mitten in Europa
       zugetragen. Am Morgen des 2. September wollte der junge Mann mit einem
       Flixbus von Köln nach Amsterdam reisen. Der Mann, 36, kommt aus dem Jemen,
       im August war er ein paar Tage beruflich in der dänischen Hauptstadt
       Kopenhagen. Von dort aus fuhr er nach Köln und wollte nach ein paar Tagen
       in der Rheinmetropole weiterreisen nach Amsterdam und Barcelona. Diese
       Städte kannte er noch nicht. Und wenn er schon mal in Europa war, wollte er
       sie sich einfach mal privat anschauen. So erzählt er es der taz.
       
       Aber dazu kam es nicht. Denn der Flixbus mit der Nummer N61 ließ den Mann
       stehen, an einer Raststätte auf der niederländischen Autobahn A 73. Im Bus
       lagen sein Koffer und sein Rucksack mit Laptop, Reise- und Diplomatenpass.
       Der Mann, dessen Name der taz bekannt ist, arbeitet für den Jemen bei den
       Vereinten Nationen (UN) im Logistikbereich. Im Dienst trägt er hin und
       wieder einen Anzug, mindestens ein Jackett, für die über vierstündige
       Busfahrt hat er eine bequeme Sporthose, ein T-Shirt und Turnschuhe
       angezogen.
       
       Das ist nicht der erste Fall, bei dem Bürger*innen von Flixbus miserabel
       behandelt werden. Passagiere berichten von unsauberen Fahrzeugen,
       stinkenden Toiletten, unfreundlichen Busfahrern und schlechter
       Kommunikation. Vor drei Wochen berichtete die taz über einen Fall, bei dem
       zwei Syrerinnen, die in Hamburg von einem Flixbus in einen anderen
       umsteigen mussten, die Herausgabe ihres Koffers verweigert wurde.
       
       Die beiden Frauen sprechen wenig Deutsch und konnten sich kaum verständlich
       machen. So viel aber haben sie eigenen Aussagen zufolge verstanden: Der
       Busfahrer wollte den Koffer nicht herausgeben, weil dieser weiter hinten im
       Gepäckfach steckte und er andere Koffer und Reisetaschen erst heraus- und
       dann wieder einräumen müsste. Dazu würde die Zeit nicht reichen.
       
       ## An der Raststätte ohne Pass und ohne Gepräck
       
       Ein- und ausräumen musste der Busfahrer, der den jemenitischen Mann stehen
       ließ, nichts. Nur warten. Wie kann es passieren, dass ein Linienbus ohne
       alle seine Insassen weiter fährt? Laut GPS-Daten, die der taz vorliegen,
       hat der Bus exakt zehn Minuten geparkt. Der Bus war nur halb voll, der
       Jemenit saß direkt hinter dem Fahrer, diesem hätte der leere Platz
       auffallen müssen. Warum hat er nicht eine Minute gewartet? Die knapp
       verlorene Zeit hätte er während der Fahrt locker wieder rausgeholt.
       
       Flixbus verteidigt das Verhalten des Busfahrers. „Das ist ein bedauerlicher
       Vorfall“, sagt David Krebs, Pressesprecher des Unternehmens: „Die Busfahrer
       sind an den Fahrplan gebunden und angehalten, diesen streng einzuhalten.“
       Aus „Respekt vor den anderen Fahrgästen“ müssten die Busse pünktlich
       weiterfahren. Was indes ist mit dem „Respekt“, wenn der Bus im Stau steht
       und die Reisenden ihre Anschlussbusse verpassen?
       
       Der Jemenit stand an der Raststätte, ohne Pass und ohne Gepäck, nur sein
       Smartphone und eine Kreditkarte steckten in seiner Hosentasche. Alle, denen
       er versuchte, sein Dilemma zu erklären, winkten oder wandten sich ab: die
       Mitarbeiter an der Tankstelle, parkende Autofahrer*innen, niemand wollte
       oder konnte ihm helfen. Über Funk mit anderen Busfahrern versuchte der
       Mann, wenigstens sein Gepäck sicherstellen zu lassen – vergeblich. Der
       Jemenit spricht perfekt Englisch, aber wer glaubt schon jemandem, der ohne
       Dokumente und in einer schlabbrigen Sporthose an der Autobahn steht und
       behauptet, er sei Diplomat?
       
       Ein arabisch-holländischer Autofahrer habe ihn schließlich mitgenommen und
       in die nächste Stadt gefahren, erzählt der jemenitische Mann. Dort habe er
       sich ein Zugticket gekauft, sei nach Amsterdam gereist und in das Hotel
       gegangen, das er vorab gebucht hatte. Auf E-Mails, die er an Flixbus
       schrieb, erhielt er die übliche automatische Antwort: „Auf unserer Website
       haben wir die am häufigsten gestellten Fragen von unseren Kunden für Sie
       gesammelt. Wir freuen uns, Sie bald an Bord eines unserer grünen Busse
       begrüßen zu dürfen, und wünschen Ihnen eine gute Reise.“
       
       ## Internationale Verwicklungen
       
       Der stehen gelassene UN-Mitarbeiter ist in einer schwierigen Situation: In
       Jemen herrscht Bürgerkrieg, Sanaa, die Hauptstadt des Landes, wird derzeit
       von keinem internationalen Flugzeug angeflogen. Es gibt keine
       diplomatischen Vertretungen, nur noch die Vereinten Nationen. In seine
       Heimat kann der Mann nur mit einem internationalen Versorgungshilfsflug der
       Vereinten Nationen zurückzukehren. Dazu benötigt er aber seinen UN-Pass.
       Und der ist jetzt weg.
       
       Der junge Mann cancelte seinen Trip nach Barcelona, fuhr nach Berlin und
       ging dort zur Polizei. Die brachte ihn zur Deutschen Gesellschaft für die
       Vereinten Nationen (DGVN). Weil der Jemenit ohne Pass kein Hotelzimmer
       buchen kann, hat DGVN-Vizegeneralsekretär Alfredo Märker ihn privat
       aufgenommen. Märker hat sich mehrfach an Flixbus gewandt, das international
       agierende Unternehmen mit einem geschätzten Jahresumsatz von 400 Millionen
       Euro hat in bekannter und ausweichender Weise reagiert. „Ich habe nicht das
       Gefühl, dass die Sache jemanden dort ernsthaft interessiert“, sagt Märker.
       
       Das Gepäck des Mannes bleibt verschwunden, Märker und der jemenitische
       UN-Mitarbeiter gehen nicht davon aus, dass es sich noch anfindet. Warum
       Taschen, Rucksäcke und Koffer verschwinden, sei „nicht immer
       nachvollziehbar“, wiegelt Flixbus-Sprecher Krebs ab. Die Betroffenen hätten
       aber die Möglichkeit, über ein Online-Formular den Verlust zu melden und
       den Inhalt sowie den Wert des verlorenen Gepäcks zu melden. Diese Mail
       werde dann geprüft und eine Entschädigung nach Zeitwert gezahlt. Der
       Jemenit und DGVN-Vizegeneralsekretär Märker werden allerdings den Eindruck
       nicht los, dass keineswegs intensiv nach den Sachen gesucht werde.
       
       Der Koffer der beiden Syrerinnen soll sich, so teilt es Flixbus nach dem
       taz-Bericht und viele Wochen später mit, angefunden haben. Ob es sich
       tatsächlich um den Koffer der beiden Frauen handelt, ist indes unklar.
       Flixbus hat die Damen gebeten, über ein Online-Formular Kontakt mit dem
       Unternehmen aufzunehmen. Die Mail ging allerdings nicht an die Syrerinnen
       direkt, sondern an eine nichtpersonalisierte Adresse in der Unterkunft, in
       der die Frauen leben.
       
       24 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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