# taz.de -- Strafanzeige gegen Schlachthof: Schlachten ohne Betäubung
       
       > In einem Schlachthof in Oldenburg sollen Rinder gequält und bei vollem
       > Bewusstsein getötet worden sein. Die zuständigen Veterinäre sollen
       > weggesehen haben.
       
 (IMG) Bild: Tierquälerei in Oldenburg: Journalist*innen sehen sich den Film der Tierschützer an
       
       BREMEN taz | Der Verein „Deutsches Tierschutzbüro“ hat Strafanzeige gegen
       den Oldenburger Schlachthof „Standard-Fleisch“ erstattet. Der Betrieb soll
       systematisch Rinder quälen und ohne fachgerechte Betäubung schlachten. Den
       Anschuldigungen zugrunde lägen sechshundert Stunden Videomaterial, das
       TierrechtsaktivistInnen im September und Oktober heimlich aufgenommen und
       dem Verein zugespielt haben.
       
       Der präsentierte am 6. November einen zehnminütigen Zusammenschnitt, aus
       dem deutlich wurde: Der Gang in den Tod ist zumindest in diesem Schlachthof
       von Tierquälereien gesäumt.
       
       In infernalischem Lärm werden die Rinder gewaltsam mit Elektroschockern und
       Treibpaddeln in Richtung Tötungsboxen getrieben. „Die Rinder haben gerade
       ihren Transport in den Schlachthof hinter sich und sind extrem gestresst.
       Sie bräuchten jetzt eine ruhige Umgebung“, so die Veterinärmedizinerin
       Claudia Preuß-Ueberschär, die das Filmmaterial kommentierte. „Stattdessen
       werden sie in die Ecke gedrängt und ununterbrochen bearbeitet.“ Der
       Elektroschocker werde an Stellen angewendet, wo es nicht erlaubt sei;
       lediglich dort, wo schützendes Muskelgewebe vorhanden sei, dürfe getasert
       werden: „Hier wird dies jedoch im Knochenbereich getan.“
       
       Bevor Rinder mit einem gezielten Stich in die Halsschlagadern ausgeblutet
       werden, betäubt sie ein Bolzenschussgerät. Dafür muss laut Preuß-Ueberschär
       der Kopf des Tieres fixiert werden: „Das Bolzenschussgerät muss einen
       bestimmten Punkt treffen, der nicht größer ist als ein Fünf-Mark-Stück. Das
       gelingt nicht, wenn das Tier sich bewegen kann.“ Die Videoaufnahmen zeigen
       deutlich: Die Tiere sind nicht fixiert.
       
       Und in der Konsequenz sind sie auch nicht vernünftig betäubt: Ihre wilden
       Bewegungen nach der vermeintlichen Betäubung seien keine sogenannten
       klonischen Krämpfe, die oft im bewusstlosen Zustand aufträten, so
       Preuß-Ueberschär, „sondern Aufstehversuche: Die Tiere bäumen sich auf und
       schlagen mit Kopf und Schwanz – anhand dieser Reaktionen bin ich sicher,
       dass sie nicht richtig betäubt sind“. Bevor das Messer angesetzt wird,
       müsse anhand der Augen und der Atmung des Tieres kontrolliert werden, ob es
       tatsächlich bewusstlos sei. „Ist das nicht der Fall, muss nachbetäubt
       werden“, so die Tiermedizinerin. Eine Kontrolle sei hier aber nicht
       erfolgt.
       
       Der Schlachthof hat die Vorwürfe bestätigt. Die Videoaufnahmen, heißt es in
       einer Stellungnahme, seien schockierend und entsprächen in keiner Weise dem
       Standard des Schlacht-Unternehmens. Die Verstöße sollen von per Werkvertrag
       eingesetzten Beschäftigten begangen worden sein . Diese würden nicht mehr
       eingesetzt. Zudem würden Alternativen geprüft, die Zusammenarbeit mit dem
       Subunternehmer schnellstmöglich zu beenden.
       
       Das Tierschutzbüro erhebt allerdings einen weiteren Vorwurf, nämlich gegen
       die Veterinäre im Schlachthof. Sie sollen tatenlos zugesehen haben, wie die
       Tiere gequält und ohne Betäubung getötet worden seien.
       
       Auch das belege das Videomaterial – und das erinnert an [1][die Vorfälle in
       einem Schlachthof in Bad Iburg], die erst vor wenigen Wochen bekannt
       wurden: Dort wurden Rinder, die nicht transportfähig waren, angeliefert und
       gequält – und die Tierärzte, die vom Landkreis mit der Kontrolle des
       Schlachthofs beauftragt waren, sahen tatenlos zu. „Als Konsequenz hat die
       Landwirtschaftsministerin schärfere Kontrollen angekündigt, aber in
       Oldenburg scheint das keinen Eindruck hinterlassen zu haben, wie die
       Filmaufzeichnungen zeigen“, sagt Jan Pfeifer, Vorstandvorsitzender des
       Deutschen Tierschutzbüros.
       
       ## Betroffene Ministerin
       
       Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium zeigt sich betroffen: „Wie
       hier mit Tieren umgegangen wird, ist in keinster Weise akzeptabel. Ich bin
       entsetzt, und es macht mich wütend“, heißt es in einer Stellungnahme von
       Ministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Auch ihr Ministerium habe
       Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg erstattet. Überdies, so
       Otte-Kinast, ließe sie derzeit juristische Möglichkeiten prüfen,
       verbindlich ein Kamerasystem in den Bereichen der Anlieferung, des
       Zutriebes, der Betäubung und der Schlachtung der Schlachthöfe anzuordnen.
       
       Auch die Bundestagsfraktion der Linken fordert eine dauerhafte
       Videoüberwachung von Schlachthöfen. In Frankreich und Großbritannien sei
       dies bereits Pflicht, so Amira Mohamed Ali, tierschutzpolitische Sprecherin
       der Linksfraktion. Datenschutzrechtlich sei dies unter gewissen Bedingungen
       zulässig. Die Aufnahmen könnten zudem ausschließlich den amtlichen
       Tierärzten zugänglich gemacht werden, nicht dem Betrieb selbst.
       
       Die Stadt Oldenburg hat nun einen Veterinär angewiesen, vorerst
       ununterbrochen die Schlachtungen in dem beschuldigten Betrieb zu
       beaufsichtigen. Zuvor, so ein Sprecher der Stadt, sei der Betrieb „nur
       drei- bis viermal am Tag stichprobenartig überprüft“ worden.
       
       7 Nov 2018
       
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 (DIR) Simone Schnase
       
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