# taz.de -- Gelbwesten-Proteste in Frankreich: Einig im Misstrauen
       
       > Die Basis der Gelbwesten-Bewegung will den Umsturz, ist aber gespalten.
       > Die einen unterstützen den Linken Mélenchon, die anderen die Rechte Le
       > Pen.
       
 (IMG) Bild: Die Völker wollen den Fall der Regime? Das schreiben Protestierende zumindest an eine Wand in Paris
       
       PARIS taz | Am Tresen eines Bistros zur späten Mittagsstunde im Norden von
       Paris stellt Jean-Claudel Kerhel sein Glas ab. Im Hintergrund laufen die
       Nachrichten im Fernseher, ein Journalist kommentiert die letzten
       Ankündigungen von Premierminister Édouard Philippe zur [1][Aufschiebung der
       Treibstoffsteuer]. „Und was passiert in sechs Monaten?“, fragt er. „Glauben
       Sie wirklich, dass die Regierung dann eine Lösung hat? Was gerade passiert,
       ist wieder eine Taktik, um uns einzuschläfern.“
       
       Kerhel, braune Lederjacke, Mitte 40, ehemals Kandidat der Grünen für das
       Rathaus des 18. Arrondissements in Paris, sieht keine Zukunft für Präsident
       Emmanuel Macron und seine Regierung. „Die Franzosen haben kein Vertrauen
       mehr.“
       
       [2][Der Rücktritt des ehemaligen Umweltministers Nicolas Hulot] Ende August
       habe gezeigt, dass „diese Steuer niemals dazu gedacht war, eine Wende in
       der Umweltpolitik herbeizuführen“. Kerhel ist davon überzeugt, dass
       Frankreich eine politische Neuordnung braucht. Der Umbruch mit einer neuen
       Konstitution wird von vielen Gelbwesten jetzt noch vehementer gefordert.
       Sie sind lange nicht mehr nur an einer Steuersenkung interessiert.
       
       Auch auf den [3][großen Facebook-Seiten der Bewegung] werden viele
       grundsätzlich in ihrer Kritik. Hunderte Kommentare sind es bereits kurz
       nach der Rede des Premierministers. In vielen finden sich Anspielungen auf
       die [4][Mai-Proteste 1968] und Fotomontagen von Bildern der Französischen
       Revolution von 1789. Darauf zieren gelbe Westen die Marianne und ihre
       Revolutionskämpfer.
       
       ## Macron ist zu spät
       
       Elodie (Name geändert) gehört einer lokalen Gruppe der französischen Region
       Hauts-de-France an. Sie lebt 30 Kilometer entfernt von der Kleinstadt
       Amiens und engagiert sich bei den Gelbwesten, auch wenn das mit drei
       kleinen Kindern „keinesfalls leicht“ sei. Ihre Reaktion auf das Einlenken
       der Regierung: „Macron ist viel zu spät dran. Wir haben mittlerweile ganz
       andere, viel größere Forderungen. Er kriegt überhaupt gar nicht mit, um was
       es eigentlich geht!“, ruft sie wütend. „Klar, wollen wir einen Umsturz.
       Macron ist die Marie-Antoinette von heute, der uns sagt: ‚Ihr habt kein
       Brot, na dann esst doch Brioche.‘“
       
       Während der Pariser Kerhel [5][im linken Oppositionspolitiker Jean-Luc
       Mélenchon die Alternative sieht], glaubt Elodie an die Rechtsextreme Marine
       Le Pen. Was beide eint, ist das tiefe Misstrauen gegenüber Macrons Politik.
       
       Noch bevor die Regierung ihr Umlenken zur Benzinsteuer bekannt gab,
       kündigten Schüler mehrerer Oberstufen- und Mittelschulen in ganz Frankreich
       an, die Forderungen der Gelbwesten zu unterstützen. An Schulen in
       Marseille, Toulouse und Yvelines kam es zu Blockaden. Doch es gibt auch
       gemäßigtere Stimmen, die einen Kompromiss finden wollen und die Ankündigung
       der Regierung als ersten Schritt dazu sehen. Sie fürchten, dass die
       Bewegung von extremen Gruppierungen unterwandert wird.
       
       4 Dec 2018
       
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