# taz.de -- Kohleausstieg 2038: Kein Knaller fürs Klima
       
       > Der Kompromiss verfehlt die Ziele des Pariser Abkommens, sagen Experten.
       > Deutschland müsste seine Anstrengungen nochmals steigern.
       
 (IMG) Bild: Und alle 2038 so: „Huch, so schrecklich sahen Braunkohlekraftwerke aus?“
       
       Für [1][Ronald Pofalla, den Chef der „Kohlekommission“], ist das Ergebnis
       nicht nur ein „historischer Kraftakt“, sondern auch ein guter Kompromiss.
       Der Vorschlag der Kommission, so Pofalla am Samstagmorgen, sichere
       Arbeitsplätze, eine bezahlbare Energieversorgung und „nachhaltigen
       Klimaschutz“. [2][Am letzten Punkt aber zweifeln Klimaexperten und
       Ökonomen]. Denn diese Pläne zum deutschen Kohleausstieg reichen nach ihren
       Analysen nicht für Deutschlands Anteil am 1,5-Grad-Ziel und organisieren
       den Ausstieg zu langsam.
       
       „[3][Der deutsche Kohleausstiegsplan verfehlt die Anforderungen des Pariser
       Abkommens]“, twitterte der Thinktank Climate Analytics, der die Leistungen
       der Staaten beim Klimaschutz misst und bewertet. Denn wenn Deutschland,
       immerhin weltweit sechstgrößter Verschmutzer bei CO2-Emissionen, helfen
       wolle, den Klimawandel bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssten
       die Kohlemeiler schon bis 2030 stillgelegt werden.
       
       Einen „gefährlichen Präzedenzfall“ sieht Climate Analytics darin, dass der
       Ausstieg bis 2038 Zeit hat. Deutschland sei damit unter den EU-Staaten
       isoliert, die bislang das Kohle-Aus verkündet haben – und könnte Ländern
       wie Polen als Rechtfertigung dienen, am dreckigen Brennstoff festzuhalten.
       Unter den Aussteigern sind Belgien und Frankreich (2020), die allerdings
       deutlich weniger auf Kohle angewiesen sind als Deutschland. Immerhin hat
       aber auch Großbritannien den Ausstieg bis 2025 verkündet.
       
       Auch andere Experten äußern Zweifel. So könnten sich andere Länder kaum 40
       Milliarden Euro an Strukturhilfen und Entschädigungen für den Ausstieg
       leisten, moniert Brigitte Knopf vom Mercator Institut MCC. So richtig
       Staatsgeld für Regionen und Arme sei, so „fragwürdig“ seien Entschädigungen
       für Unternehmen, sagt etwa Niklas Höhne vom NewClimate Institute. Die
       Analysten von Carbon Tracker wiederum weisen darauf hin, dass die deutsche
       Volkswirtschaft bis zu 12 Milliarden Euro sparen könnte, wenn das Kohle-Aus
       bis 2030 käme. Denn [4][bereits 2018 hätten 44 Prozent der deutschen
       Kohlekapazität Verluste geschrieben,] meint Sebastian Ljungwaldh. „Alle
       deutschen Kohlekraftwerke werden bis 2030 wegen steigender Preise für
       CO2-Zertifikate und Umweltauflagen nicht mehr rentabel sein.“
       
       ## Koalition will Rahmengesetz für Klimaschutz vorlegen
       
       Der Kompromiss der Kohlekommission erhöht auch den Druck auf die anderen
       Ressorts in der Bundesregierung, endlich effektive Pläne zum Klimaschutz
       vorzulegen. Denn in diesem Jahr will die Koalition ein „Klimaschutzgesetz“
       vorlegen. In einem Rahmengesetz sollen dafür die Klimaziele für die
       Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft
       festgeschrieben werden, die sich am „Klimaschutzplan 2050“ orientieren.
       
       Mit dem Kommissionsbericht liegt nun ein Vorschlag für die
       Energiewirtschaft auf dem Tisch, wie ihr Ziel (minus 61 bis 62 Prozent
       gegenüber 1990) bis 2030 zu schaffen wäre. Bisher hat nur das
       Agrarministerium ein Konzept vorgelegt, das allerdings noch verbessert
       werden muss. Für die Bereiche Industrie (Vorgabe: minus 51 bis 49 Prozent),
       Gebäude (minus 67 bis 66 Prozent) und Verkehr (minus 42 bis 40 Prozent)
       haben die Ressorts noch nichts geliefert, auch wenn Ende 2018 eigentlich
       Abgabeschluss war.
       
       Manche Ressorts hatten gehofft, wenn die Energiewirtschaft mehr liefere,
       hätten sie selbst mehr Luft und müssten keine zu ehrgeizigen Pläne machen.
       Diese Hoffnung ist nun verpufft. Deshalb soll das Rahmengesetz zum
       Klimaschutz auch regeln, wer die Strafzahlungen aufzubringen hat, wenn die
       Klimaziele verfehlt werden. [5][Denn gerade etwa im Verkehr, wo es seit
       1990 sogar eine Steigerung der Emissionen gab], drohen ab 2021
       Strafzahlungen an die EU, wenn die Klimaziele verfehlt werden. Geht es nach
       dem Umweltministerium, soll dafür das Verkehrsressort aufkommen.
       
       Aber selbst wenn die Bundesregierung diese ehrgeizigen Ziele aus dem
       Klimaschutzplan erreicht, führt das 2030 zu 55 Prozent weniger
       CO2-Emissionen. Das allein wäre eine Kraftanstrengung der deutschen
       Volkswirtschaft – aber immer noch nicht genug. Denn der Plan beruht auf
       EU-Zielen zum Klimaschutz, die nur auf ein Klimaziel von 2 Grad zielen. Um
       1,5 Grad anzupeilen, wie im Pariser Abkommen vereinbart, müssen alle
       Staaten beim Klimaschutz ihre Anstrengungen noch einmal steigern. Auch
       Deutschland.
       
       27 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vorsitzender-der-Kohlekommission/!5533190
 (DIR) [2] /Abschlussbericht-der-Kohlekommission/!5568305
 (DIR) [3] https://twitter.com/CA_Latest/status/1089222391836917760
 (DIR) [4] https://twitter.com/CarbonBubble/status/1089202135256977409
 (DIR) [5] /Die-EU-und-CO2-Emissionen/!5512538
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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