# taz.de -- Anschlag auf Geheimdienst in Afghanistan: Viele offene Fragen
       
       > Nach einem Taliban-Anschlag in Afghanistan variieren die Angaben über die
       > Opferzahlen stark. Es ist nicht das erste Mal, dass Zweifel aufkommen.
       
 (IMG) Bild: Die Detonation in Maidanschahr brachte dieses Unterkunftsgebäude von NDS-Rekruten zum Einsturz
       
       BERLIN taz | Am Montag durchbrach ein mit Sprengstoff beladenes
       Armeefahrzeug die Barriere vor einer Ausbildungsbasis des afghanischen
       Geheimdienstes NDS in der afghanischen Stadt Maidanschahr. Als der Wagen in
       die Luft flog, brachte die Detonation ein Unterkunftsgebäude von Rekruten
       zum Einsturz [1][und tötete mindestens mehrere Dutzend von ihnen,] die
       meisten wurden von den Trümmern erschlagen. Die Taliban bekannten sich zu
       dem Anschlag.
       
       Der Angriff ist gleich wegen einer Reihe von Aspekten bemerkenswert. Zum
       einen wurde dabei ein Humvee, ein gepanzertes Fahrzeug US-amerikanischer
       Bauart verwendet. Die Taliban setzen sie seit 2017 zunehmend bei Angriffen
       auf Stützpunkte der Regierungsstreitkräfte ein. Dabei gab es immer wieder
       Opfer im hohen zweistelligen Bereich. Das zeigt, dass die Taliban den
       Regierungstruppen regelmäßig solche Fahrzeuge abnehmen, die sie von den USA
       erhalten.
       
       Zweitens variieren die Angaben über die Opferzahlen auffällig. Die
       afghanische Provinzgesundheitsbehörde sprach von 15 Toten und rund 30
       Verwundeten, das NDS von 43 Toten und 54 Verletzten. Dem widersprach laut
       der Deutschen Presse-Agentur der Provinzrat Muhammad Sardar Bachtiari,
       demzufolge mindestens 60 Sicherheitskräfte getötet worden, laut
       Provinzrätin Nafisa Selia Wardak sogar 126. Bachtiari beschuldigte die
       Behörden, das wahre Ausmaß des Anschlags zu verschweigen.
       
       Solche Zweifel kommen nicht zum ersten Mal auf. Nach einem
       LKW-Bombenanschlag der Taliban am 14. Januar auf ein von Ausländern
       genutztes abgeschirmtes Wohnviertel in Kabul war offiziell von vier Toten –
       drei Personen vom Wachpersonal und einem Zivilisten – sowie 113 Verletzten
       die Rede, darunter zwei deutsche Polizeiberatern. Nach internen Zahlen
       kamen jedoch 22 Menschen ums Leben, davon mindestens zwei Ausländer. Die
       Verletzten sind vor allem Einwohner nahegelegener ziviler Wohngebiete.
       
       ## Außerhalb jeglicher Kommandostruktur
       
       Zudem hat das US-Militär Mitte 2017 seine öffentliche Berichterstattung
       über Verluste der afghanische Truppen eingestellt, angeblich auf Bitten der
       Kabuler Regierung. Die letzten bekannten Zahlen lagen bei 8.100 Toten und
       14.200 Verletzten für 2016 – Tendenz sehr wahrscheinlich steigend.
       
       Gleichzeitig ist Maidanschahr der Hauptstandort für die Ausbildung einer
       besonderen Kategorie von Milizen, nämlich derjenigen, die nicht – wie die
       Regel – vom afghanischen Innenministerium kontrolliert werden, sondern
       direkt dem afghanischen Geheimdienst NDS unterstehen. Mehr als die oft
       passive Armee oder Polizei gehen diese Milizen offensiv gegen Aufständische
       vor und sind deshalb zum Hauptfeind der Taliban avanciert. Einige dieser
       Milizen sind sogar nur formal dem NDS unterstellt. Sie arbeiten direkt mit
       der CIA zusammen, werden von dieser bezahlt, trainiert und geführt.
       
       Da diese Milizen außerhalb jeglicher offizieller Kommandostruktur agieren,
       kommt es regelmäßig zu Übergriffen gegen Zivilisten. Die New York Times
       hatte im Dezember berichtet, eine „CIA-gesponserte, trainierte und
       beaufsichtigte Einsatztruppe“ habe im vergangenen März im Distrikt Nader
       Shah Kot in Chost [2][bei einem Nachtangriff mehrere Mitglieder eines
       Familie ermordet, darunter Frauen und Kinder.]
       
       Zudem liegt Maidanschahr, Hauptstadt der Provinz Maidan-Wardak, nur 30
       Kilometer südwestlich der Hauptstadt Kabul. Das zeigt, dass die Taliban
       bereits dicht vor deren Toren operieren. In Maidan-Wardak und dessen
       östlicher Nachbarprovinz Logar sowie – in deren südöstlicher Verlängerung
       bis zur pakistanischen Grenze – in den Provinzen Ghasni, Paktia, Paktika,
       Chost und Sabul kontrolliert die Regierung nur noch die Distriktzentren und
       einige andere Geländeinseln.
       
       Ein Einwohner Logars, der regelmäßig nach Kabul pendelt, berichtete der
       taz, dass es abseits der Hauptstraße „von Taliban wimmle“. Darunter seien
       viele junge Leute und oftmals solche, die in der Regierungsarmee oder
       -polizei gedient haben, ihre militärischen Kenntnisse aber nun den
       Aufständischen zur Verfügung stellen.
       
       23 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Anschlag-in-Afghanistan/!5567710
 (DIR) [2] https://www.nytimes.com/2018/12/31/world/asia/cia-afghanistan-strike-force.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Terroranschlag
 (DIR) Taliban
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Geheimdienst
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) UN-Zählung in Afghanistan: Neuer Höchststand bei zivilen Opfern
       
       Mehr als 3.800 Zivilisten wurden im Jahr 2018 bei Anschlägen und Gefechten
       in Afghanistan getötet. Einem UNO-Bericht zufolge gab es 65
       Selbstmordanschläge.
       
 (DIR) Gespräche zwischen USA und Taliban: Über die Köpfe der Afghanen hinweg
       
       USA und Taliban wollen eine Nachkriegsordnung festlegen. Beobachter
       fürchten, dass die Demokratie nach dem Abkommen nicht lange anhalten wird.
       
 (DIR) Gespräche zwischen USA und Taliban: „Signifikante Fortschritte“
       
       Die Gespräche zwischen den USA und den Taliban kommen voran. Zwar ist noch
       kein Waffenstillstand vereinbart, aber weitere Konsultationen sollen
       folgen.
       
 (DIR) Anschlag in Afghanistan: Viele Menschen getötet
       
       Bei einem Anschlag auf eine Geheimdienstbasis sind mehr als 60 Menschen ums
       Leben gekommen. Die Taliban haben sich zur Tat bekannt.
       
 (DIR) Terrorismus in Afghanistan: Dutzende Tote bei Angriff in Kabul
       
       Bei einem schweren Anschlag auf ein Regierungsgebäude gab es viele Opfer.
       Die Attacke erfolgte mit einem Selbstmordattentäter und bewaffneten
       Angreifern.
       
 (DIR) Kommentar US-Teilabzug aus Afghanistan: Keine Politik, nur noch Ressentiment
       
       Inoffiziell ist der Teilabzug aus Afghanistan bereits beschlossen. So
       schwächt Trump die eigene Position und die seiner lokalen Verbündeten.