# taz.de -- Berliner Strafvollzug: Knäste machen süchtig
       
       > Mehr als ein Drittel der Insassen der Berliner Gefängnisse haben
       > Suchtprobleme. Es gebe zu wenig Hilfsangebote, sagt eine Expertin.
       
 (IMG) Bild: Drogen finden immer ihre Wege in die Knäste
       
       Die Zahl lässt aufhorchen: 35,5 Prozent der männlichen und weiblichen
       Gefangenen Berlins haben eine sogenannte verfestigte Suchtproblematik. Das
       hat die Senatsverwaltung für Justiz jetzt bestätigt. Nachgefragt hatte der
       rechtspolitische Sprecher der SPD, Sven Kohlmeier.
       
       Die am Montag veröffentlichte Antwort auf Kohlmeiers Anfrage stützt sich
       auf eine Erhebung vom Stichtag 31. März 2018. Zu diesem Zeitpunkt saßen in
       den Berliner Knästen 4.106 Gefangene ein. Von den Männern waren 1.080
       substanzabhängig, von den Frauen 60. In einer weiteren Rubrik –
       Substanzmissbrauch – sind 390 Männer und 7 Frauen aufgeführt. Erfasst seien
       in den Zahlen nur die Gefangenen, die eine verfestigte Suchtproblematik
       aufwiesen, dazu gehöre auch Alkohol, so die Justizverwaltung. Verglichen
       mit dem Vorjahr sind die Zahlen fast deckungsgleich. Die Diagnoseerstellung
       sei entsprechend der Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation WHO
       erfolgt, heißt es.
       
       „Drogenfreie Knäste gibt es nicht“, sagte Kohlmeier am Montag zur taz. „Was
       das angeht, mache ich mir keine Illusionen.“ Aber dass 35 Prozent aller
       Insassen eine verfestigte Drogenproblematik hätten, sei „eine sehr hohe
       Zahl“. Er werde das Thema im Rechtsausschuss zur Sprache bringen, kündigte
       der Abgeordnete an.
       
       Auch Experten wie die Leiterin der Drogenberatungsstelle Fixpunkt, Astrid
       Leicht, sprechen von einer hohen Zahl. Allerdings seien Berlins Knäste
       damit bundesweit keine Ausnahmeerscheinung. Der Grund: Viele Insassen waren
       auch schon draußen drogenabhängig. Die Leute würden bestraft, weil sie zur
       Finanzierung ihrer Betäubungsmittel kriminelle Handlungen begingen. Knast
       hin oder her, sie täten das immer wieder, weiß Leicht. „Das ist ein
       Teufelskreis.“ Die einzige Lösung sei, die Drogen- und
       Strafverfolgungspolitik zu ändern. Also: Drogen entkriminalisieren,
       kontrollierte Abgabe an Suchtkranke, Beratungs- und Substitutionsangebote
       fördern.
       
       Aber es gebe auch viele, die erst im Knast zu Drogen griffen, sagt Leicht:
       „Knast macht krank.“ Drogen seien in Gefängnissen überall verfügbar,
       Drogenschmuggel finde stets Wege.
       
       2018 wurden in den Berliner Knästen laut Justizverwaltung rund fünf Kilo
       Cannabis beschlagnahmt, dazu 40 Gramm Heroin, 34 Gramm Kokain und 370 Gramm
       Amphetamine. 2017 waren die Drogen-Spürhunde der Polizei 14 Mal in Knästen
       unterwegs. 2018 waren es 48 Mal. Die Ausbeute hätte vermutlich größer sein
       können. „Sobald die Hunde im Hof vorgefahren werden und bellen, wissen die
       Gefangenen, dass eine Kontrolle ansteht“, hat Kohlmeier erfahren. Die
       Drogen würden dann im Klo hinuntergespült oder versteckt. Thomas Heilmann,
       CDU-Vorgänger des grünen Justizsenators Dirk Behrendt, habe deshalb eigene
       Hunde für die Knäste anschaffen wollen. Aber die hätten erst aufgezogen und
       trainiert werden müssen. Der Posten sei dann von Rot-Rot-Grün bei den
       Haushaltsberatungen gestrichen worden.
       
       Und was bietet die Justizverwaltung Gefangenen an, die von der Sucht
       loskommen möchten? Eine Vielzahl von Behandlungsmaßnahmen für suchtkranke
       Insassen würden vorgehalten, sagt Justizsprecher Michael Reis. Auch könnten
       die Gefangenen Kontakt zu externen Drogenberatungsstellen aufnehmen. Folgt
       man Astrid Leicht, gibt es in den Knästen allerdings viel zu wenig
       Substituierung und Therapiemöglichkeiten.
       
       25 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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