# taz.de -- Volksinitiative gegen das Insektensterben: Gelb, gelb, gelb sind hier alle Felder
       
       > Nach bayerischem Vorbild soll es nun auch in Brandenburg eine
       > Volksinitiative für Artenvielfalt und gegen Pestizideinsatz geben.
       
 (IMG) Bild: Raps, Raps, Raps: Monokulturen mögen Insekten in der Regel gar nicht
       
       Wer durch Brandenburg fährt, kann es sehen – oder sogar schmecken: Zwischen
       den riesigen Monokulturen aus Raps- und Maisfeldern gibt es spürbar weniger
       Insekten. Noch vor ein paar Jahren mussten Autofahrer regelmäßig ihre
       Frontscheiben von Insekten befreien. Und Radfahrer verschluckten schon mal
       das ein oder andere Exemplar. Doch mittlerweile falle der Frontscheibentest
       immer häufiger negativ aus, sagt Holger Ackermann vom Landesimkerverband.
       Es müsse etwas passieren, sonst sei die Artenvielfalt bedroht. Deshalb
       unterstützt er auch das Anliegen einer Volksinitiative, die in den
       kommenden Wochen starten soll.
       
       Ein Bündnis aus Umweltverbänden, darunter der Naturschutzbund (Nabu) und
       der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), will die rot-rote
       Landesregierung per Volksgesetzgebung zwingen, den Schutz der Artenvielfalt
       zu verbessern. Einen Starttermin gibt es noch nicht, aber er soll noch vor
       Ostern verkündet werden. Am genauen Wortlaut wird derzeit noch gefeilt.
       Wohin es geht, formuliert BUND-Vorstand Wilhelm Schäkel: „Zum einen wollen
       wir den Einsatz von Pestiziden deutlich verringern. Zum anderen sollen
       Fördermittel primär für eine umweltverträgliche Landwirtschaft ausgegeben
       werden, die unsere Lebensgrundlagen erhält und vielen Arten einen
       Lebensraum bietet.“
       
       Vorbild ist eine entsprechende Volksinitiative in Bayern. Dort hatten
       kürzlich rund 1,2 Millionen Menschen für einen besseren Artenschutz
       unterschrieben – und die von der agrarfreundlichen CSU geführte
       Landesregierung mächtig unter Druck gesetzt. Biotope sollen vernetzt,
       Uferrandstreifen stärker geschützt und der ökologische Anbau im Freistaat
       ausgebaut werden. Voraussichtlich nach den Sommerferien könnte es einen
       Volksentscheid geben.
       
       ## Auf einmal Betriebsamkeit
       
       Angesichts dessen verfällt nun auch die Brandenburger Landesregierung in
       Betriebsamkeit. In der vergangenen Woche lud Jörg Vogelsänger (SPD), als
       Minister zuständig für Umwelt und Landwirtschaft, zum sogenannten
       Insektengipfel nach Potsdam. Ergebnis: Vier Arbeitsgruppen aus Vertretern
       der Verwaltung, aus Verbänden und Praxis sollen mit Unterstützung des
       Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung Handlungsempfehlungen
       erarbeiten. Außerdem kündigte Vogelsänger eine neue Richtlinie zur
       Förderung von Ackerrand- und Blühstreifen an.
       
       Kritik kommt von den Grünen: Vogelsänger habe nicht nur jahrelang selbst
       keine Initiative gezeigt – er habe auch jegliche Aktivitäten abwürgen
       lassen, sagt der umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Benjamin
       Raschke. Nun versuche Vogelsänger offenbar, mit einer Veranstaltung zum
       Thema Insekten kurz vor dem Start der angekündigten Volksinitiative gegen
       das Bienen- und Insektensterben seinen Kritikern Wind aus den Segeln
       nehmen. „Glaubwürdig aber ist allein konkretes Handeln.“ Die
       Grünen-Fraktion brachte einen eigenen Antrag in den Landtag ein: Das Land
       soll den Pestizideinsatz wenigstens auf den 30.000 Hektar großen
       landeseigenen Agrarflächen beenden.
       
       Im Flächenland Brandenburg taugt das Thema als Konfliktstoff. Die
       Agrarlobby macht schon verbal mobil: „Wir müssen uns nichts vorwerfen
       lassen“, teilt der Bauernbund Brandenburg mit, der die bäuerlichen
       Familienbetriebe vertritt. Nur auf fünf Prozent der Landesfläche werde
       Insektenbekämpfungsmittel eingesetzt. Der Anteil des ökologischen Landbaus
       habe sich verdoppelt und der Naturschutzgebiete vervierfacht. „Die
       Insektenlüge ist die größte Agrarlüge seit BSE“, sagte
       Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung.
       
       Der größere Landesbauernverband versucht es mit einer Umarmungsstrategie.
       Den Umweltverbänden mache man „ein einmaliges Angebot“ für eine gemeinsame
       Volksinitiative. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Teile der
       Insektenfauna derzeit gefährdet sind, so Verbandschef Henrik Wendorff.
       Neben der Erforschung der Ursachen des Insektensterbens solle ein Beirat
       Maßnahmen erarbeiten. Das Land solle ein Förderprogramm auflegen und mit
       den Landwirten Verträge zur Diversifizierung der Kulturlandschaft
       schließen.
       
       ## Läuft gut für die Opposition
       
       Die neue Volksinitiative hat auch noch eine politische Dimension, die über
       die Bienenfrage hinausgeht. Die rot-rote Landesregierung – und insbesondere
       die sie anführende SPD – wird immer mehr zur Getriebenen. Zum vierten Mal
       in dieser Legislaturperiode könnte sie per Volksgesetzbegung zur
       Kurskorrektur gezwungen werden. Erst ging es gegen die Massentierhaltung,
       dann gegen die von der Landesregierung geplante Zusammenlegung von
       Landkreisen, schließlich um die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen.
       
       Für die Opposition könnte es fünf Monate vor der Landtagswahl kaum besser
       laufen. Die Grünen hatten sich bereits gegen die Massentierhaltung stark
       gemacht. Nachdem mehr als 100.000 Brandenburger 2016 die Forderungen des
       Bündnisses Agrarwende unterschrieben hatten, beschloss der Landtag mit
       breiter Mehrheit, Förderungen für Mega-Ställe zu reduzieren und die Stelle
       eines Tierschutzbeauftragten zu schaffen.
       
       Die CDU hatte maßgeblich die Volksinitiative gegen die Kreisgebietsreform
       getragen – bis Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) das zentrale
       politische Projekt der Legislaturperiode per Interview auf einem Parkplatz
       kassierte. Zuletzt brachten die Freien Wähler eine Volksinitiative gegen
       die ungeliebten Straßenausbaubeiträge auf den Weg. Im Januar wurden in
       Potsdam 108.000 Unterschriften an Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD)
       übergeben. Die SPD fiel daraufhin um. Derzeit berät der Landtag über ein
       Gesetz zur Abschaffung.
       
       2 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Zschieck
       
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