# taz.de -- Urteil des Bundesgerichtshofs: Sportlehrer müssen haften
       
       > Der Bundesgerichtshof urteilt zu Erster Hilfe im Sportunterricht: Auch
       > bei leichter Fahrlässigkeit haften Sportlehrer. Beweislastumkehr gibt es
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Es gehört zur Amtspflicht von Sportlehrern, bei Unfällen Erste Hilfe zu leisten
       
       KARLSRUHE taz | Ein im Sportunterricht verunglückter hessischer Schüler
       kann doch noch auf Schadenersatz hoffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am
       Donnerstag ein abweisendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am
       Main auf und ordnete die Einholung von Gutachten an.
       
       Außerdem klärte der BGH zwei wichtige Rechtsfragen zur Haftung von
       Sportlehrern bei der Ersten Hilfe: Sie haften auch bei leichter
       Fahrlässigkeit. Doch die Geschädigten müssen den Zusammenhang zwischen
       einer Pflichtverletzung des Lehrers und dem Schaden beweisen.
       
       Der damals 18-jährige Sören Z. war 2013 im Sportunterricht
       zusammengebrochen. Die Sportlehrerin rief den Notarzt, führte aber keine
       Wiederbelebungsmaßnahmen durch. Als nach acht Minuten der Notarzt eintraf,
       stellte er bei dem Schüler einen Atemstillstand fest. Er konnte
       wiederbelebt werden, erlitt jedoch irreparable Hirnschäden und kann seither
       nicht mehr lesen, schreiben, rechnen oder richtig gehen.
       
       Vater Gerhard Z. hatte das Land Hessen wegen einer Amtspflichtverletzung
       der Sportlehrerin auf Schadenersatz verklagt. Das OLG Frankfurt hatte die
       Klage abgelehnt. Zwar gehöre es zur Amtspflicht von Sportlehrern, bei
       Unfällen Erste Hilfe zu leisten. Es sei aber nicht bewiesen, dass eine
       rechtzeitige Herzdruckmassage die Hirnschädigung hätte verhindern können.
       
       ## Gutachten für Ursache der Hirnschäden
       
       Der BGH in Karlsruhe hob das Frankfurter Urteil nun auf und verwies den
       Fall an das OLG zurück. Dieses muss nun ein Sachverständigengutachten
       einholen. Damit soll nach Möglichkeit festgestellt werden, wann der
       Atemstillstand genau eintrat und ob der Verzicht auf Reanimationsmaßnahmen
       ursächlich für die Hirnschäden war.
       
       Vorsorglich klärte der BGH zwei Rechtsfragen. Erstens: Sportlehrer haften
       nicht nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, wie Passanten, die spontan
       einem Unfallopfer helfen, so der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann.
       Sportlehrer müssten nicht unvorbereitet eingreifen – sondern seien für die
       Leistung von Erster Hilfe zuständig und ausgebildet.
       
       Zweitens hat Vater Z. auch im neuen Prozess die Beweislast, dass das
       Verhalten der Lehrer die Hirnschäden verursacht hat. Die Beweislastumkehr,
       wie sie für Behandlungsfehler von Ärzten gilt, sei zwar auf Bademeister,
       nicht aber auf Sportlehrer übertragbar. Für Ärzte und Bademeister sei die
       Rettung von Leben eine „Hauptpflicht“, für Lehrer dagegen nur eine
       „Nebenpflicht“.
       
       Die Haftung (schon) für leichte Fahrlässigkeit nutzt Kläger Gerhard Z.
       Dagegen nutzt der Verzicht auf eine Umkehr der Beweislast dem Land, das bei
       Amtspflichtverletzung eines Lehrers die Zahlung übernimmt.
       
       Vater Gerhard Z. schöpft jetzt neue Hoffnung, dass sein Sohn doch noch
       Schadenersatz bekommt. Der „Arbeitskreis Notfallmedizin“ empfahl nach dem
       Urteil, dass Sportlehrer mindestens alle zwei Jahre in
       Herz-Lungen-Wiederbelebung und in Erster Hilfe geschult werden sollten.
       
       4 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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