# taz.de -- Konzert von Planningtorock in Berlin: Willkommen im Haus der Liebe
       
       > Planningtorock stellt sein neues Album „Powerhouse“ im Berghain vor – es
       > sind zu Tränen rührende Stücke in einer expressiven Performance.
       
 (IMG) Bild: Jam (Janine) Rostron alias Planningtorock
       
       Die Fans vor dem Berghain sind skeptisch. Das neue Album von Planningtorock
       klingt so Mainstream! Altes Problem der Pioniere: Man erfindet neue Sounds,
       Haltungen, Sprechweisen, und bald machen es alle so. Wie weitermachen?
       Trotzig dran bleiben oder mit dem eigenen Entwurf brechen?
       
       Planningtorock – das heißt Jam (vormals Janine) Rostron – wird gleich ihr
       neues Album „Powerhouse“ erstmals live vorstellen, in zwei
       aufeinanderfolgenden Shows, eine um sechs, eine um zehn.
       
       Erstmal durch die Schleuse, an der sie dich traditionsgemäß wie einen
       Delinquenten behandeln, während uns eine Minute später an der Garderobe
       superfreundliche und charmante Ansprache zuteil wird. Das Berghain ist ein
       deutscher Mikrokosmos, im Guten wie im Schlechten.
       
       Die Bühne ist für Planningtorock übers große Treppenhaus gelegt worden,
       weswegen wir nicht schaukeln können. Denn da, wo die große Schaukel ist,
       befindet sich jetzt die Künstlergarderobe.
       
       Die große Berghainhalle hat sich so in einen intimen Club verwandelt, in
       einen therapeutischen Safe Space und selbstbewussten Raum der Behauptung
       einer, sagen wir mal: nichtmännlichen Erzählung, in der Vater nur am Rand
       vorkommt. „Welcome to the house of love. And the power of care is
       everywhere.“
       
       ## Beulah loves dancing
       
       Vor der Bühne hängt ein gazeartiger Screen, auf dem anfangs Videos laufen,
       die Planningtorock aus dem Off, schemenhaft hinter dem Bildvorhang sitzend,
       kommentiert: „That’s my mother Janet, next to my sister Beulah.“
       Planningtorock hat ein biografisches Album gemacht. Man könnte es
       Familienalbum nennen.
       
       Mit „Powerhouse“ ist vor allem Rostrons Mutter gemeint, die den Kindern
       Musik als Kraftquelle nahebrachte und die für Beulah kämpfte, die das
       Asperger-Syndrom hat. Beulah ist auch das schönste, zu Tränen rührende
       Stück auf dem Album gewidmet, „Beulah loves dancing“. So emotional wie das
       Album ist die Show. Planningtorock horcht in sich hinein, erzählt von
       Verletzungen, Übergriffen, inszeniert sich aber dabei nie als Opfer,
       sondern als Powerhouse im Geist der Mutter.
       
       Sie und ihre beiden expressiven Tänzerinnen wechseln die Kostüme. Erst
       kurze Hosen und Plüschoberteile, looks like Love Parade 1997, dann
       expressionistische Jeansanzüge. Jeder Person wird dabei eine eigene Farbe
       zuteil, getreu der Überzeugung Planningtorocks, dass jeder Person eine
       Magie eigen ist, die es zu sehen und anzuerkennen gilt.
       
       „Music is my home“, sagt Planningtorock. Das leuchtet ein. Ihr neues Album
       ist minimal, aber mächtig. Es ist zärtlich, melancholisch und euphorisch
       zugleich. Über den funky Beats von House und R&B sind Synthieflächen
       ausgebreitet und Melodien hingetupft, auf Bässe wird oft verzichtet.
       
       In einem der Stücke feiert sich Planningtorock als „non-binary femme“, auf
       der Bühne bring sie es im Duett mit ihrer Tänzerin Ambrita Sunshine dar.
       Ihre Stimme hat sie mittels eines Autotuneeffekts tiefergelegt, wobei es
       manchmal so klingt, als sänge sie in zwei Registern gleichzeitig. Auf den
       Bühnenhintergrund geworfen ist derweil eine Animation voguender Hände.
       
       ## Radikale Haltung
       
       Planningtorock hat diese Show perfekt inszeniert, aber beim zarten Anfang
       von „Powerhouse“, der Hymne an die Mutter, versagt ihr kurz die sonst immer
       klare, kraftvolle Stimme. „I’m so nervous“, lacht er dann und ermahnt sich
       ironisch: „Get your shit together, Jam!“
       
       Strenge Form, Disziplin und Konzept umschließen die Wärme, den Fehler, das
       Menschliche in Planningtorocks Performance, die einen sehr eleganten Weg
       gefunden hat, eine radikale Haltung sich und der Welt gegenüber in eine
       populäre Form zu bringen. Das ist beeindruckend und macht, so scheint es
       zumindest, alle Anwesenden glücklich. Draußen ist es noch hell. Wir singen
       tief drinnen, während wir durch den Regen radeln.
       
       16 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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