# taz.de -- Die Wahrheit: Wer die Wahl hat
       
       > Die EU-Wahl geht im Wahlkreis Irland-Süd in die Verlängerung. Das liegt
       > am irischen Wahlsystem und an fehlender Technik.
       
       In den meisten EU-Ländern sind die Europawahlen Schnee von gestern. Aber
       nicht in Irland. Im Wahlkreis Irland-Süd liefern sich immer noch zwei
       Kandidatinnen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den letzten Platz im
       Europaparlament. Erst Mitte Juli wird feststehen, ob Liadh Ní Riada von
       Sinn Féin oder Grace O’Sullivan von den Grünen gewonnen hat.
       
       Das liegt am irischen Wahlsystem. Man macht in Irland kein Kreuzchen,
       sondern nummeriert die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz. Hat ein
       Bewerber die erforderliche Quote, die aus der Zahl der Wähler geteilt durch
       die Anzahl der Sitze ermittelt wird, überschritten, werden die
       überschüssigen Stimmen auf die Kandidaten zweiter Wahl übertragen. Erreicht
       niemand die Quote, wird der schwächste Kandidat eliminiert, aber nur auf
       dem Papier, und seine Stimmen werden verteilt. Dadurch kann ein scheinbar
       abgeschlagener Kandidat bei der zehnten Zählung noch einen Sprung nach
       vorne machen, wenn zum Beispiel die Stimmen seines Parteikollegen auf ihn
       übertragen werden.
       
       Nach 18 Zählungen der 750.000 Stimmzettel lag Ní Riada um 327 Stimmen
       hinter O’Sullivan und sollte eliminiert werden. Da verlangte sie geschwind
       eine komplette Neuzählung. Am Donnerstag brach der Wahlleiter Martin Harvey
       die Sache erst mal ab und versiegelte das Auszählungszentrum, die
       Sporthalle der Nemo Rangers, die in den traditionellen irischen Sportarten
       Hurling und Gaelic Football antreten. Das heißt, in den nächsten sechs
       Wochen werden sie nirgendwo antreten, weil die Zählung in ihrer Sporthalle
       am Dienstag fortgesetzt wird. Harvey sagt, die Neuzählung werde mehr als
       eine Million Euro kosten. Es sei schwierig, Personal zu bekommen. Die
       freiwilligen Helfer, die sich fünf Tage lang mit den Stimmzetteln
       herumgeschlagen hatten, seien müde und müssten auch wieder zur Arbeit,
       sagte Harvey. Er bemühe sich um Helfer aus anderen Wahlkreisen, wo die Wahl
       längst vollzogen ist.
       
       Man hätte die Auszählung natürlich mithilfe eines elektronischen Systems
       erheblich verkürzen können, und zwar auf wenige Sekunden. Das hatte man
       2002 in einigen Wahlkreisen ausprobiert. 2004 sollte das neue System aufs
       ganze Land ausgeweitet werden, sodass die Regierung 7.500 Maschinen für
       knapp 55 Millionen Euro anschaffte. In letzter Sekunde wurde die
       elektronische Wahl abgeblasen, weil es Sicherheitsbedenken gab. Die Geräte
       wurden teuer eingelagert – und 2012 für 70.000 Euro an eine Recyclingfirma
       verscherbelt.
       
       So müssen Ní Riada und O’Sullivan noch ein Weilchen zittern. In
       Wirklichkeit erhält die Gewinnerin aber keineswegs ein Ticket nach
       Straßburg, sondern höchstens einen Platz auf der Ersatzbank. Erst nach
       vollzogenem Brexit darf sie ins Europaparlament einziehen und ihre Diäten
       kassieren. Das kann in Anbetracht der britischen Provinzposse dauern.
       
       3 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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