# taz.de -- Neues Kabinett nach der Wahl: Für Griechenland eine Revolution
       
       > Griechenlands Wahlsieger Kyriakos Mitsotakis nimmt neben der alten Garde
       > aus den Politdynastien auch viele Outsider in sein Kabinett.
       
 (IMG) Bild: Die neuen griechischen Minister legen den Amtseid vor Kirchenvertretern ab
       
       Ein Wahlversprechen hat [1][Kyriakos Mitsotakis] als Ministerpräsident
       nicht einhalten können – so viel steht schon heute fest: Er wolle eine
       „kleine und flexible“ Regierungsmannschaft aufstellen, hieß es im
       Wahlkampf. Nun sind 51 Frauen und Männer (genauer gesagt: fast
       ausschließlich Männer) am Werk – ob als Minister, Vizeminister oder
       stellvertretende Minister. Eine kleine Truppe sieht anders aus.
       
       Damit setzt Mitsotakis die Tradition seiner Vorgänger fort: im Wahlkampf
       immer wieder ein schlankes Regierungsteam versprechen, aber nach der Wahl
       mit mindestens 40 Leuten am Kabinettstisch zusammensitzen.
       
       Schon in den achtziger Jahren hatte der legendäre Sozialisten-Chef Andreas
       Papandreou diese Kunst perfektioniert, indem er über 50 Minister- und
       Vizeministerposten verteilte und zudem seine Regierung immer wieder
       umbilden ließ. Klare Botschaft an die Fraktion: Seht her, einer von drei
       Abgeordneten hat schon heute einen Ministerposten; demnächst kommt ihr alle
       dran, wenn ihr euch artig benehmt.
       
       Diese Taktik verfolgt Mitsotakis wohl nicht. Denn beim genaueren Hinsehen
       stellt man das bis heute Undenkbare fest: 21 Regierungsmitglieder gehören
       nicht seiner Parlamentsfraktion an und haben zum Teil kaum politische
       Erfahrung. Es sind Männer (und immerhin auch drei Frauen), die in ihrem
       Beruf erfolgreich waren und nun ihren Erfahrungsschatz in die Politik
       einbringen sollen.
       
       ## Unabhängigkeitserklärung an die eigene Fraktion
       
       Zu dieser in Hellas eher unbekannten Spezies gehören der neue Vizeminister
       für Digitalpolitik und frühere Google-Manager Grigoris Zafiropoulos sowie
       Kostas Fragogiannis, einst Manager in einem Lebensmittelkonzern, der sich
       fortan der Wirtschaftsdiplomatie widmet.
       
       Derartiges ist für griechische Verhältnisse eine kleine Revolution – oder
       zumindest eine Unabhängigkeitserklärung an die eigene Fraktion. „Wir sind
       auf dem Weg zu einem anderen Regierungssystem, das die Person des
       Ministerpräsidenten stärker in den Vordergrund rückt“, meint Politanalyst
       Pantelis Kapsis im TV-Sender Skai. Und er fügt hinzu: „Ich glaube,
       Mitsotakis hat sich erkundigt, wie das Kanzleramt in Deutschland
       funktioniert, und will ein ähnliches Modell in Griechenland durchsetzen.“
       
       Das bedeutet aber nicht, dass die in der konservativen Partei Nea
       Dimokratia (ND) allmächtigen Politdynastien nichts mehr zu sagen haben.
       Mitsotakis, selbst Sprössling einer einflussreichen Politikerfamilie, hat
       zwar das Wahlversprechen eingehalten, seine Verwandtschaft bekäme keinen
       Regierungsposten. Andere Familien sind allerdings weiterhin präsent am
       Kabinettstisch.
       
       Kostas Karamanlis, Neffe des einstigen Staatspräsidenten Konstantin
       Karamanlis, übernimmt das Ministerium für Infrastruktur – nicht zuletzt
       eine Erinnerung an den legendären Onkel, der seine politische Karriere in
       den fünfziger Jahren als „Minister für öffentliche Bauwerke“ begann.
       
       ## Toleranz gegenüber reichen Sprösslingen hat ihre Grenzen
       
       Militiadis Varvitsiotis, Sohn des langjährigen Verteidigungsministers
       Ioannis Varvitsiotis, wird stellvertretender Außenminister, zuständig für
       die Europapolitik. Allerdings hat die Toleranz von Mitsotakis gegenüber
       anderen Sprösslingen auch ihre Grenzen: Weil die ehemalige
       Tourismusministerin Olga Kefalogianni, Tochter eines langjährigen Ministers
       aus Kreta, sich diesmal mit dem Tourismusministerium nicht abfinden wollte
       und offenbar nach Höherem strebte, wurde sie kurzerhand von der
       Personalliste gestrichen. Dafür bekam ein anerkannter Steuerexperte den
       Job.
       
       10 Jul 2019
       
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