# taz.de -- Die Wahrheit: Frösche for future
       
       > Als alter Sack bei den Klimademonstrationen der jungen Leute
       > mitmarschieren? Besser nicht! Die bewerfen einen doch nur mit „Coffee to
       > go“-Bechern.
       
       Jeder an der Theke des Café Gum hatte einen genialen Vorschlag, aber Luis
       sah immer unglücklicher aus. „Du wirst doch irgendeine Krankheit erfinden
       können, die dich dazu zwingt, zu Hause zu bleiben“, sagte Rudi, der
       Blödmann: „Durchfall zum Beispiel geht immer. Kennst du den Cocktail
       ‚Hammerschlag‘? Ein Drittel Baileys Cream, ein Drittel Wodka und zwei
       Drittel Rote-Bete-Saft: Ich garantiere dir, du sitzt die ganze Nacht
       jammernd auf dem Klo.“
       
       „Vier Drittel?“, wunderte sich Luis. „Vergiss es. Lenny kennt alle Tricks.
       Er simuliert andauernd Migräneattacken und Magenschleimhautentzündungen, um
       sich vor einer Klausur zu drücken. Mit so was brauch ich ihm nicht zu
       kommen.“
       
       Lenny hatte seinen Vater aufgefordert, ihn zur nächsten
       Friday-for-future-Demo zu begleiten. Selbstverständlich hatte Luis keine
       Lust. „Wir wissen doch, dass das nix bringt“, sagte er. Wir nickten und
       erinnerten uns an die vielen nutzlosen Aktionen in den achtziger Jahren,
       etwa gegen das Titanwerk im Graubacher Becken, das erst geschlossen wurde,
       als es billiger war, die Luft in Indien zu verpesten.
       
       „Außerdem ist es nicht ungefährlich, sich als alter Knacker unter die
       Teenies zu mischen“, sagte Raimund. Erst neulich wurde ein Mann, der aus
       Sympathie bei einer Freitagsdemo mitlief, von den Klimakids verdächtigt,
       ein Spitzel der Kohlelobby zu sein und mit wiederverwendbaren
       Coffee-to-go-Bechern beworfen
       
       „Das sind sie“, hörten wir auf einmal eine Stimme hinter uns. Ohne dass wir
       es bemerkt hätten, waren Lenny und ein paar andere Jungs ins Café Gum
       gekommen. Er zeigte seinen Kumpels die Freunde seines Vaters. „Die Typen
       sind krass faul“, schimpfte er, „die hätten das Klima längst retten können.
       Wissen seit vierzig Jahren, dass die Erde im Arsch ist – und tun nix.
       Stehen lieber hier rum und labern!“
       
       „Also hör mal, Lenny!“, entrüstete sich Luis. „Raimund zum Beispiel hat
       sich im Sommer 82 an das Abwasserrohr von Knötenbrink-Pharma gekettet, um
       das Fischsterben zu stoppen. Er wäre um ein Haar selber mit dem Bauch nach
       oben den Fluss runtergetrieben, weil die nicht im Traum daran dachten, den
       Hahn deswegen zuzudrehen!“
       
       „Genau, Jungs“, sagte Rudi, der Blödmann, „ihr habt ja keine Ahnung. Der
       Fluss war auch ohne die Knötenbrink-Sauerei so voll mit Chemie, dass man
       darin Fotos entwickeln konnte. Wenn man in ihm gebadet hat, hat man
       hinterher grün geleuchtet!“
       
       „So, wie die Frogs in ‚Raumpatrouille Orion‘“, sagte Raimund. „War
       ‚Raumpatrouille‘ nicht schwarz-weiß?“, fragte Rudi. „Egal. Aber sogar die
       Sciene-fiction-Serien waren früher besser.“ – „Herrgott, was hat das denn
       mit dem Klima zu tun?! Also, Jungs, ihr … – wo sind sie denn?“
       
       Lenny und seine Crew zogen draußen kopfschüttelnd davon, und am nächsten
       Morgen sagte Lenny Luis, dass er besser niemandem mehr erzähle, dass sie
       miteinander verwandt seien.
       
       23 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Schulz
       
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