# taz.de -- Anpassung an den Klimawandel: Hotspot Deutschland
       
       > Deutschland erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt. Sind
       > Land, Leute und Natur dafür gewappnet?
       
 (IMG) Bild: Es wird nicht besser: Der vergangene Sommer war der drittwärmste seit Menschengedenken
       
       Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen und verändert laut einem
       offiziellen Bericht bereits jetzt deutlich die Lebensbedingungen von
       Pflanzen, Tieren und Menschen. Denn die Erwärmung schreitet hierzulande
       sogar schneller voran als im globalen Durchschnitt: Seit 1881 sind die
       durchschnittlichen Lufttemperaturen in Deutschland um 1,5 Grad Celsius
       gestiegen, weltweit nur um gut 1 Grad. So steht es im „Monitoringbericht
       2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“, der am Dienstag
       in Berlin vorgestellt wurde.
       
       „Folgen für die menschliche Gesundheit, die Land- und Forstwirtschaft sowie
       für private und öffentliche Gebäude und Infrastrukturen werden
       offensichtlicher“, heißt es im 272-seitigen Report. Das Umweltbundesamt hat
       ihn mit Informationen aus insgesamt 28 Bundesbehörden zusammengestellt, um
       zu dokumentieren, wie die Anpassung an den Klimawandel vorangeht. Alle fünf
       Jahre gibt es einen solchen Bericht. In den aktuellen sind Daten von 2014
       bis 2017 eingeflossen, es fehlen also die beiden extrem heißen und
       trockenen Sommer 2018 und 2019.
       
       Dennoch sprechen die AutorInnen von einer „Reihung sehr warmer Jahre“ – und
       entsprechenden Folgen für Mensch und Umwelt. Zwischen 1961 und 1990 habe
       sich die Durchschnittstemperatur in Deutschland von 8,2 auf 8,9 Grad
       erhöht. Die Niederschläge im Winter haben seit 1881 um 25 Prozent
       zugenommen. Der Klimawandel löse „auch in der Natur dynamische
       Anpassungsprozesse aus (etwa die Verdrängung oder Einwanderung von Tier-
       und Pflanzenarten), die ihrerseits Auswirkungen auf den Menschen haben“.
       
       Am deutlichsten wird das bei Hitzewellen. Die Sommer werden heißer,
       Hitzeperioden nehmen zu. Vor allem kranke und alte Menschen seien
       gefährdet, in den Hitzesommern 2003, 2006 und 2015 starben jeweils 6.000
       bis 7.500 Menschen zusätzlich, heißt es. Auch die Niederschläge verändern
       sich: Monate mit niedrigem Grundwasserstand nähmen „signifikant zu“, der
       Pegelstand der Flüsse gehe im Sommer deutlich zurück, während für den
       Winter kein Trend erkennbar sei. Fehlende Feuchtigkeit im Boden bereite in
       manchen Gegenden zunehmend Probleme für Land- und Forstwirtschaft.
       
       ## Knurrhahn und Sardelle ziehen um
       
       Bei Hoch- und Niedrigwasser an Flüssen seien noch keine Trends erkennbar,
       wohl aber beim Anstieg des Meeresspiegels. An der Nordsee liegt der
       inzwischen bei 1,6 bis 2,9 Millimeter im Jahr, schneller als weltweit die
       Pegel steigen, Sturmfluten laufen höher auf und stellen eine „langsam
       zunehmende Gefährdung der Küsten“ dar. Und auch die Meeresbewohner ziehen
       um: Wärmeliebende Fische wie Knurrhahn oder Sardelle, die man bisher vor
       Portugal fing, zeigen sich häufig in der südlichen Nordsee – den Kabeljau
       dagegen zieht es in den kühleren Norden.
       
       Im deutschen Wald haben Buche und Fichte zu kämpfen, heißt es in den Daten
       der Behörden. Dazu steige die Waldbrandgefahr durch Hitze und Trockenheit.
       Der Frühling kommt früher, der Herbst später, Blütezeiten, Frucht und
       Laubfall bei Pflanzen verschieben sich. Pflanzen wie die Beifuß-Ambrosie
       und Tiere wie die asiatische Tigermücke breiten sich aus, die Allergien und
       Krankheitserreger verbreiten können. Bei den 88 Vogelarten, die hier
       brüten, freuen sich Nachtigall, Schwarzkehlchen oder Orpheusspötter über
       wärmeres Wetter, während etwa Braunkehlchen und Gelbspötter Probleme
       bekommen.
       
       ## Landwirte müssen über neue Getreidesorten nachdenken
       
       Auch die Landwirtschaft gerät ins Schwitzen. 2018 gab es für betroffene
       Bauern in der Trockenheit 346 Millionen Euro an Hilfen – solche Schäden
       könnten in Zukunft häufiger auftreten, warnen die Behörden. Dagegen lohne
       sich zunehmend die Bewässerung von Feldern oder eine Umstellung auf andere
       Getreidesorten wie Soja, Sorghum oder Hartweizen.
       
       Aber nicht nur die Natur, auch Wirtschaft und Industrie leiden unter dem
       Wandel: Hoch- und Niedrigwasser behindert die Schifffahrt, Extremregen legt
       Straßen und Schienen lahm. In Hitzewellen können Menschen weniger leisten,
       was jährliche volkswirtschaftliche Schäden von geschätzten 0,5 bis 2,4
       Milliarden Euro anrichten könne. Schließlich entstehen 10 bis 15 Prozent
       der Wertschöpfung hierzulande immer noch unter freiem Himmel: in der Land-
       und Forstwirtschaft oder auf dem Bau.
       
       Sind wir gegen diesen Wandel gewappnet? Eine Mehrheit der Bevölkerung sei
       skeptisch, zitiert der Bericht Umfragen. Einerseits verbessere sich die
       Bauplanung und die Informationspolitik der Behörden, schreiben die
       AutorInnen: Bei Hitzewellen werde frühzeitig gewarnt, eine App namens
       „Husteblume“ zeige Allergie-Gefahren, gut gedämmte Häuser blieben
       angenehmer, Parks lieferten in Innenstädten Abkühlung.
       
       Gleichzeitig sehen die Behörden mit Sorge, dass immer weniger Menschen sich
       etwa bei der freiwilligen Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk
       ehrenamtlich engagieren. Und bei Gebäuden seien Versicherungen gegen Hagel
       und Sturm normal – aber eine Absicherung gegen die steigenden Gefahren aus
       Hochwasser und Starkregen habe sich „noch nicht durchgesetzt“.
       
       26 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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