# taz.de -- Tinder und das Selbstwertgefühl: Gut fürs Ego? Geht so
       
       > Wer Dating-Apps benutzt, kann sich dadurch attraktiver fühlen. Aber auch
       > das Gegenteil kann passieren. Und wie steht's mit der Monogamie?
       
 (IMG) Bild: Und schnell noch ein Selfie für die Dating-App
       
       Ach, Tinder. Die beliebte Dating-App wirft viele Fragen auf. Und Vorurteile
       – wie es sie übers Onlinedating stets gibt: Macht die Nutzung der App
       glücklicher oder demoralisiert sie eher? Werden dank Tinder auch Langweiler
       zu Sexmaschinen? Rettet die App die Romantik oder verleitet sie zum
       seriellen Fremdgehen?
       
       Zum Glück gibt es ja Forschung, die uns derlei Fragen beantwortet. Eine
       [1][norwegische Studie] zum Beispiel hat ergeben: Beim Anbahnen von
       One-Night-Stands haben vor allem jene Menschen Erfolg, denen das auch ohne
       Online-Dating gelingt. Na toll!
       
       Interessanter wird's bei Fragen nach Monogamie. Je nach Umfrage sind
       zwischen 15 und 25 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer auf Dating-Apps
       bereits vergeben. Gut möglich, dass sich einige davon in offenen oder
       polyamoren Beziehungsformen befinden – aber wohl nicht alle. Also was
       machen die da?
       
       Drei Forscherinnen haben sich kürzlich [2][angesehen], ob es eine
       Assoziation zwischen der Nutzung von Dating-Apps und Untreue in der
       Partnerschaft gibt. Ihre Ergebnisse liefern allgemeine Erkenntnisse zum
       Reiz der Dating-App. Sie rekrutierten knapp 400 Teilnehmerinnen und
       Teilnehmer, die allesamt angaben, eine Dating-App (überwiegend Tinder) zu
       benutzen. Die Hälfte waren Studierende, 40 Prozent befanden sich in einer
       ernsthaften Beziehung. Die Mehrheit bezeichnete sich als hetero.
       
       ## Erfolg nach „Likes“ und „Matches“
       
       Die Teilnehmenden wurden zu ihrer Tinder-Nutzung befragt. Die Ergebnisse
       zeigen: Wichtig ist vor allem der eigene Erfolg. Gemessen wird dieser an
       der Anzahl von Matches (wenn einander zwei Personen „liken“) und
       Konversationen (die nur nach einem gegenseitigen „Like“ möglich sind). Je
       voller der Posteingang, desto attraktiver schätzt man sich selbst ein.
       
       Logisch: Kassiere ich viele Komplimente, bin ich geneigt, ihnen zu glauben.
       Diese Attraktivität wiederum beeinflusst, ob man bereit wäre, seine
       Partnerin oder seinen Partner zu betrügen. Je begehrter sich Menschen
       empfinden, desto eher sind sie zur Untreue bereit. Abgefragt wurde
       lediglich die Intention; heißt also nicht, dass Tinder zu Untreue
       verleitet. Aber es steigert das Selbstwertgefühl, indem wir uns begehrt und
       attraktiv fühlen.
       
       Die Anzahl der Matches und Konversationen beeinflusst übrigens auch
       positiv, wie die Teilnehmenden ihre Fähigkeit, eine neue Partnerin oder
       einen neuen Partner zu finden, einschätzen. Gönnt sich also, wer das Gefühl
       hat, es gebe wahnsinnig viele potenzielle Partnerinnen oder Partner, eher
       einen Seitensprung?
       
       Das Gegenteil trifft zu: Die große Auswahl überfordert uns.
       
       Tinder ist also ein „Ego-Booster“ voller Widersprüche: Wir suchen – und
       finden – dort Bestätigung für unsere Attraktivität, fühlen uns begehrt.
       Eine gute Sache, keine Frage. Gleichzeitig verunsichert uns die potenziell
       unbegrenzte Auswahl. Wir verlieren uns im riesigen Dating-Markt mit all
       seinen Sonderangeboten. Zu wissen, was man sucht, hilft. Vielleicht.
       
       12 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://link.springer.com/article/10.1007/s40806-019-00222-z
 (DIR) [2] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0747563219302961
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Goldenberg
       
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