# taz.de -- Umweltbelastung durch Nitrat: Wasserverschmutzung? Wir doch nicht
       
       > Woher kommt das Nitrat im Grundwasser? Ein Teil der Landwirte sieht
       > Kläranlagen als Hauptverursacher. Experten sagen etwas anderes.
       
 (IMG) Bild: Wo viel Gülle rauf kommt, ist viel Nitrat im Wasser
       
       Anders als viele Bauern behaupten, sind Abwässer nur den kleineren Teil der
       Wasserverschmutzung mit dem potenziell gesundheitsschädlichen Nitrat
       verantwortlich. „Schätzungen zufolge liegt der Anteil von Kläranlagen und
       undichten Abwasserkanälen an den Nitrat-Emissionen bei lediglich 22
       Prozent“, sagte Antje Ullrich, Wasserexpertin des Umweltbundesamts, der
       taz.
       
       Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und
       Naturschutz bestätigte diese Tendenz für das Bundesland mit [1][den meisten
       Nutztieren].
       
       Die Stickstoffverbindung Nitrat etwa aus Düngern wie Gülle oder indirekt
       aus menschlichen Exkrementen belastet das Grundwasser, aus dem das meiste
       Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum
       Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei. Zudem
       droht Deutschland eine hohe Geldstrafe der EU, weil die Nitratgrenzwerte
       immer wieder überschritten werden. Deshalb plant die Bundesregierung, die
       Düngung vor allem in besonders belasteten Gebieten stärker zu begrenzen.
       
       Auch dagegen demonstrierten vor kurzem zehntausende Bauern in mehreren
       Großstädten. Denn weniger Dünger bedeutet oft auch kleinere Ernten und
       höhere Kosten, um die Gülle anderweitig zu entsorgen. Deshalb rief die
       Bewegung hinter den Bauerndemos, „[2][Land schafft Verbindung]“, dazu auf,
       eine Petition gegen die Belastung von Wasser durch Kläranlagen und
       Kanalisationen zu unterzeichnen.
       
       Mehr als 11.000 Menschen unterschrieben den Text. In Interviews kontern
       Vertreter der Bewegung Vorwürfe gegen die Landwirtschaft gern mit dem
       Hinweis auf die Stickstoffquellen in Haushalten und Industrie. Auch der
       Bauernverband Schleswig-Holstein zum Beispiel suggeriert etwa durch
       Beiträge auf Internetseiten wie Facebook, dass die Abwässer mindestens
       genauso umweltschädlich seien wie die Emissionen durch Dünger.
       
       ## Petition will Landwirtschaft entlasten
       
       [3][Die Petition] an den Deutschen Bundestag fordert, dass Hausabwässer
       „nicht länger ungeklärt in Gewässer eingeleitet werden dürfen.“ Bei
       „Regenereignissen“ würden Abwässer aus Mischwasserkanälen für Niederschläge
       und Haushaltsabwasser „unkontrolliert in die Bäche abgegeben“. In dem Text
       der Petition heißt es darüber hinaus, dass viele Kanäle „marode“ seien.
       
       „Bisher schien es politischer Konsens, dass für die Nährstofffrachten sowie
       alle ungewünschten Stoffe in den Flüssen ausschließlich die Landwirtschaft
       verantwortlich sei“, heißt es in der Petition. „Diese Darstellung ist nun
       unhaltbar.“ Auch weil das Düngerecht wieder verschärft werden solle, müsse
       „die eingeleitete Nährstofffracht ermittelt“ und politisch „bewertet“
       werden.
       
       Für Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser und Abwasser beim
       Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist die Petition
       „fehlgeleitet“: „In der Wissenschaft werden alle Quellen der
       Nitratbelastungen aufgeführt. Von einseitigen Darstellungen kann deshalb
       keine Rede sein“, sagte er der taz. Die Abwasserverordnung solle die
       Oberflächengewässer ausdrücklich vor Einträgen beispielsweise aus
       Haushalten schützen.
       
       Allerdings gelten die Bauern als Hauptverursacher. „[4][Mehr als 50
       Prozent] der reaktiven Stickstoffverbindungen gelangen in Deutschland über
       die Landwirtschaft in die Umwelt“, schreibt das Umweltbundesamt. Industrie,
       Verkehr und private Haushalte verursachten also weniger Ausstoß.
       
       ## Der Beitrag der Landwirtschaft
       
       „Insgesamt rund 75 Prozent der Stickstoffeinträge in die
       Oberflächengewässer sind landwirtschaftlich beeinflussten Eintragspfaden
       zuzuordnen“, sagt Ullrich. Nur etwa 2 Prozent kämen daher, dass
       Mischwasserkanäle überlaufen. Weitere 2 Prozent stammten aus Regenwasser,
       das direkt beispielsweise in Flüsse eingeleitet wird. Kleine Kläranlagen
       für weniger als 50 Einwohner sind laut Umweltbundesamt lediglich für 1
       Prozent der Stickstoffeinträge in Oberflächengewässer verantwortlich.
       
       Im Grundwasser kommen 88 Prozent des Nitrats von Landwirtschaftsflächen
       unterhalb der Wurzelzone, wie das Umweltbundesamt der taz mitteilt. Es
       beruft sich auf eine Studie, die es demnächst offiziell veröffentlichen
       will. „Die Mengen aus Abwasserkanälen sind sicher geringer als die aus der
       Landwirtschaft“, sagt auch Frank Brauer, Abwasserexperte des
       Umweltbundesamts.
       
       Wenn hauptsächlich Lecks in Abwasserkanälen das Grundwasser belasten
       würden, müsste unter Siedlungen besonders viel Nitrat gemessen werden. Doch
       laut Umweltbundesamt wird der Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter nur
       an 6 Prozent der Messstellen überschritten. [5][Satte 33 Prozent] sind es
       in Regionen, in denen vorwiegend Ackerflächen oder Sonderkulturen sind.
       
       „Grundsätzlich ist es richtig, dass die Landwirte nicht allein für die
       Nitratbelastungen verantwortlich sind“, teilt Niedersachsens
       Wasserwirtschaftsamt mit. „Sie sind es aber überwiegend, da
       Kläranlageneinleitungen, auch Punktquellen genannt, in Niedersachsen
       lediglich 3 Prozent der Gesamtstickstoffeinträge beziehungsweise 11 Prozent
       der Phosphoreinträge in die Oberflächengewässer ausmachen.“
       
       Der Anteil von Regenwasserüberläufen bei der Mischwasserkanalisation sei
       noch deutlich geringer als der aus Kläranlageneinleitungen.
       Stickstoffeinträge „aus urbanen Systemen“ in das Grundwasser, zum Beispiel
       über undichte Kanalisationen „sind aber gegenüber einem
       Stickstoffüberschuss aus der Landwirtschaft unbedeutend/vernachlässigbar“.
       
       ## EU-Nitratrichtlinie verletzt
       
       „Das ist der Versuch einiger Vertreter der Landwirtschaft, von ihren
       eigenen Problemen abzulenken“, sagt deshalb Wasserwerke-Vertreter Weyand
       über die Petition. „In der Landwirtschaft wird die EU-[6][Nitratrichtlinie]
       mit dem Grenzwert von 50 Milligramm in den besonders belasteten ‚roten‘
       Gebieten nicht eingehalten. Wir halten aber alle Werte der kommunalen
       Abwasserrichtlinie und der Abwasserverordnung ein.“ Die Einträge aus dem
       Abwasser seien durch die Einführung der dritten Reinigungsstufe in
       Klärwerken deutlich zurückgegangen.
       
       Wie findet Weyand, dass nach seinen Worten „abseitige, wissenschaftlich
       nicht belegbare Behauptungen“ über die Ursachen der Nitratbelastung auch
       von Institutionen wie Bauernverbänden verbreitet werden? „Es gibt ja
       Ausarbeitungen, die von den zuständigen Behörden und Stellen gemacht
       werden“, antwortet der Funktionär. Die sollten endlich alle zur Kenntnis
       nehmen.
       
       Der Name des Hauptpetenten ist öffentlich nicht einsehbar. Eine Bitte der
       taz um Kontaktaufnahme über das Sekretariat des
       Bundestags-Petitionausschusses war erfolglos.
       
       „Die Nährstofffeinträge von Kläranlagen in Oberflächengewässer sind
       zweifelsfrei gegeben und in ihrer Höhe nicht qualifiziert“, teilte Dirk
       Andresen, Sprecher von „Land schafft Verbindung“ der taz mit. Darauf wolle
       die Bewegung hinweisen. Diese Emissionen müssten auch berücksichtigt
       werden. „Klar ist auch, dass der Beitrag aus Abwässern im Vergleich zum
       Beitrag der Landwirtschaft deutlich geringer ausfällt“, räumte Kirsten
       Hess, Pressesprecherin des Bauernverbands Schleswig-Holstein gegenüber der
       taz ein. „Aber in der öffentlichen Diskussion wurde dieser Beitrag bisher
       nicht entsprechend berücksichtigt. Uns ging es darum, auf diese Schieflage
       hinzuweisen“, so Hess: „Wir wollten damit nicht vom anteiligen Beitrag der
       Landwirtschaft an diesem Problem ablenken“.
       
       27 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ml.niedersachsen.de/download/150202/Die_niedersaechsische_Landwirtschaft_in_Zahlen_2017_mit_Ergaenzungen_Stand_November_2019.pdf
 (DIR) [2] https://landschafftverbindung.de/aktuelles/
 (DIR) [3] https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_08/_12/Petition_98019.nc.html
 (DIR) [4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/stickstoff#textpart-1
 (DIR) [5] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/uba_wasserwirtschaft_in_deutschland_2017_web_aktualisiert.pdf
 (DIR) [6] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A31991L0676
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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