# taz.de -- Hamburger Flughafen bietet Ablasshandel: Für jeden Flug ein Baum
       
       > Der Flughafen Hamburg bietet Passagieren an, den CO2-Ausstoß durch
       > Spenden an lokale Klimaschutz- und Baumpflanzprojekte zu kompensieren.
       
 (IMG) Bild: Wie viele Bäume wären das jetzt? Viele Mitflieger*innen am Hamburger Flughafen
       
       HAMBURG taz | Wer vom [1][Hamburger Flughafen] aus in die Welt startet,
       kann sein Klima-Gewissen jetzt damit besänftigen, dass er für ein lokales
       Aufforstungs- oder Moor-Projekt spendet. Die Kompensationsagentur Atmosfair
       warnt allerdings, das sei verschwendetes Geld. Und der Umweltverband BUND
       erkennt darin Greenwashing.
       
       Um die Flugreisen zu kompensieren, bietet der Airport eine
       Internet-Plattform an, auf der Passagiere im Gegenzug für ihren CO2-Ausstoß
       freiwillig an ausgewählte Klimaschutz- und Baumpflanzprojekte aus der
       Region spenden können. Als Orientierungshilfe gelten für einen einfachen
       Flug in der Economy Class etwa nach München oder Mallorca fünf bis 15 Euro,
       nach New York, Tokio oder Sydney 50 bis 100 Euro.
       
       „Die Aktion [2][‚Lokal kompensieren – gemeinsam Zukunft pflanzen‘] sehen
       wir als ein ergänzendes, freiwilliges Angebot“, sagt Flughafen-Sprecherin
       Janet Niemeyer. „Wir verstehen uns hier lediglich als Vermittler, um
       interessierte Passagiere mit lokalen Umwelt- und Klima-schutzinitiativen
       zusammenzubringen.“ Jeder Reisende könne wählen, welches Projekt er
       unterstützen möchte, sagt Niemeyer.
       
       Für die Aktion hat der Airport zwei regionale Partner gefunden. Im Projekt
       Citizens Forests werden mit der [3][Miyawaki-Methode] auf bisher
       brachliegenden Flächen natürliche Wälder geschaffen, die sehr effizient
       Kohlendioxid binden. Die Initiative will Bönningstedt mit heimischen
       Baumarten aufforsten. Und die Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel kauft,
       finanziert durch Spendengelder, mehrere Hektar Land vor den Toren Hamburgs
       und lässt darauf einen Klimawald wachsen.
       
       ## Der BUND sieht in der Aktion Greenwashing
       
       Zusätzlich betreibt der Flughafen einen Klimawald in Kaltenkirchen: Seit
       2010 werden dort die CO2-Emissionen, die durch Dienstreisen der
       Flughafen-Beschäftigten entstehen, ausgeglichen. Dafür wurden zusätzlich
       rund 180.000 Bäume gepflanzt. Abgesehen davon trage die effiziente
       Gestaltung sämtlicher Abläufe – von der Flugplanung über Flugverfahren und
       die Prozesse am Boden bis hin zur Energieversorgung – zu einer Reduktion
       des CO2-Ausstoßes bei, sagt die Flughafen-Sprecherin.
       
       Die Idee, mit Aufforstung und Moorschutz lokal CO2 zu kompensieren, klingt
       für die Klimaschutzorganisation Atmosfair erst mal gut. „Wir brauchen auch
       in Deutschland den Wald, und die Wiedervernässung ist ein wirksames Mittel,
       um den CO2-Ausstoß von Mooren zu senken“, sagt Geschäftsführer Dietrich
       Brockhagen.
       
       Aber jede Tonne CO2, die so eingespart werde, erfasse die Bundesregierung
       selbst und rechne sie sich auf ihre Klimaziele an. „Das heißt im Klartext,
       dass dafür dann zum Beispiel der Verkehr in Deutschland wieder umso mehr
       CO2 ausstoßen kann“, sagt Brockhagen.
       
       Dazu komme, dass jedes Moor über Jahrzehnte feucht gehalten werden müsse,
       sonst werde das CO2 wieder frei. „Wald- und Moorschutz sind wichtige
       Klimaschutzmaßnahmen, sollten aber nicht über CO2-Kompensation finanziert
       werden“, findet der Atmosfair-Geschäftsführer.
       
       Der BUND sieht das Klimaschutzvorhaben des Airport ebenfalls kritisch, da
       dieses vom eigentlichen Problem ablenke. Zum einen ist das Baumpflanzen nur
       bedingt ein wirklicher Ausgleich für die CO2-Last aus dem Flugverkehr.
       Natürlich sei es gut, wenn mehr Bäume fachgerecht an geeigneten Standorten
       gepflanzt würden. „Aber die Initiative des Flughafens sieht sehr nach
       Greenwashing aus“, findet Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.
       
       Das Problem Fliegen und Klimakrise werde heruntergespielt, die empfohlenen
       Spendenbeiträge seien vergleichsweise gering. „Fliegen bleibt
       klimakritisch, da hilft auch ein Ablasshandel mit Lokalkolorit wenig“, sagt
       Braasch.
       
       Der Flugverkehr trägt nicht nur durch seinen CO2-Ausstoß zum
       Treibhauseffekt bei, sondern auch durch Aerosole, Stickoxide und
       Wasserdampf in den Abgasen.
       
       Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) geht deshalb
       davon aus, dass der Luftverkehr einen Anteil von insgesamt drei bis fünf
       Prozent an den Klimaemissionen hat. 2,8 Prozentpunkte davon trage das CO2
       bei.
       
       Wissenschaftler, das Umweltbundesamt und die Kompensationsplattform
       Atmosfair schätzen den Anteil der Fliegerei auf etwa acht Prozent – mehr
       als Indien zur Erderhitzung beiträgt.
       
       27 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hamburger-Flughafen/!5599245
 (DIR) [2] https://www.hamburg-airport.de/de/lokalkompensieren.php
 (DIR) [3] https://www.citizens-forests.org/miyawaki-methode/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Junghans-Demtröder
       
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