# taz.de -- „Softie“, „Jäger&Sammler“ und Co: Da funkt was nicht
       
       > Bei funk, dem Jugendangebot der Öffentlich-Rechtlichen, werden Formate
       > teils schnell abgesetzt. Das liegt auch an fragwürdigen
       > Relevanzkriterien.
       
 (IMG) Bild: Auch „100percentme“, das zum Thema Leben mit Behinderung aufklärte, wurde abgesetzt
       
       Afrodeutsche Schauspielerinnen, queerfeministischer Porno und psychische
       Gesundheit. Das sind nur einige der Themen, die [1][„Softie“], das
       „schonungslos zarte“ Video-Format von funk, verhandelte. Doch seit Anfang
       des Jahres ist damit Schluss: Nach zwei Staffeln und einem Jahr Laufzeit
       hat funk, das öffentlich-rechtliche Onlineangebot für Jugendliche und junge
       Erwachsene, das Format zum Jahreswechsel abgesetzt.
       
       „Eure tollen Beiträge waren eins unser Highlights im Feed“, reagierte das
       Team des Hamburger Sexshops „Fuck Yeah“ auf Facebook bedauernd, „Das
       Format war toll und super wichtig für viele!“ Eine User*in kritisiert:
       „Ausgerechnet so ein diverses und empowerndes Format läuft aus, während ich
       mit der GEZ-Gebühr auch jede Menge Schrott mitfinanziere.“
       
       Das Content-Netzwerk funk, eine Kooperation von ARD und ZDF, existiert seit
       2016 und soll die junge Zielgruppe, die immer seltener lineare
       Rundfunkangebote nutzt, auf den sozialen Netzwerken erreichen: die 14- bis
       29-Jährigen. In den ersten Jahren fiel funk durch mitunter progressive
       Inhalte auf. Themen wie Rassismus und Gender-Identität, verhandelt und
       präsentiert von Menschen äußerst diverser sozialer Hintergründe in teils
       preisgekrönten Formaten wie „Datteltäter“, „Jäger & Sammler“, „Auf Klo“ –
       und eben „Softie“.
       
       Das queerfeministische Format ist nun nach vergleichsweise kurzer Zeit,
       nämlich einem Jahr, abgesetzt, ebenso erging es der Sendung „100percentme“,
       die zum Thema Leben mit Behinderung aufklärte, und „Jäger & Sammler“, das
       in Kooperation mit der ZDF-Sendung „Frontal 21“ Kurzreportagen produzierte,
       wurde eingestellt, wobei [2][„Jäger & Sammler“ allerdings bereits von
       Anfang an Teil des funk-Portfolios war].
       
       ## Warum die Absetzung?
       
       Zuschauer*innen mit politischen Erwartungen ans Programm dürften sich
       derweil ärgern, dass gesellschaftlich weitaus weniger relevante Formate
       bestehen bleiben, wie die Challenge-Sendung „Das schaffst du nie“ oder
       „World Wide Wohnzimmer“, wo Benni und Denis sich auch mal über Brüste
       lustig machen.
       
       Warum die Absetzung? „Unsere Analyse hat ergeben, dass die Themen, die zu
       einem Erfolg von ‚Softie‘ geführt haben, teilweise auch in anderen
       funk-Formaten aufgegriffen werden, wie zum Beispiel bei ‚Auf Klo‘ oder
       ‚Mädelsabende‘“, so das Netzwerk. „Da funk davon lebt, viel auszuprobieren,
       neue Formate zu starten und zu beenden, wurde deswegen beschlossen, das
       Format zum Ende des letzten Jahres zu beenden.“
       
       Tatsächlich deckt der Video-Kanal „Auf Klo“, der ebenso wie die zweite
       „Softie“-Staffel vom Berliner Redaktions- und Produktionsnetzwerk
       Kooperative produziert wurde, ähnliche Themen ab. Zumindest insofern, als
       sich beide irgendwo im feministischen Spektrum verorten. Doch während die
       „Softie“-Zielgruppe junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren umfasste,
       richtet sich „Auf Klo“ besonders an Mädchen zwischen 14 und 17.
       
       Und auch der „Softie“-Fokus auf die Präsenz von queeren BIPoC (Schwarze
       Menschen/Indigene Menschen/People of Color) und die antirassistische
       Ausrichtung waren Alleinstellungsmerkmale des Formats. Für die Videoreihe
       „Was meine Familie 1933 gemacht hat“, in der sich die Protagonist*innen mit
       der eigenen Familiengeschichte während der NS-Zeit auseinandersetzen, wurde
       „Softie“ von der Amadeu Antonio Stiftung mit dem „Lars Day Preis“
       ausgezeichnet. Eben dieses intersektionale Profil war wohl der Grund, warum
       funk 2018 das Berliner Missy Magazine und Kooperative zusammen mit dem
       Konzipieren von „Softie“ betraute.
       
       Das Content-Netzwerk steht unter gewaltigem Druck, seine Formate regelmäßig
       auf Relevanz zu überprüfen. Der Rundfunkstaatsvertrag, der das
       Jugendangebot begründet, sieht vor, dass die Verweildauer der Inhalte
       regelmäßig darauf überprüft wird, ob die definierte Zielgruppe nicht nur
       erreicht, sondern auch zur Interaktion bewegt wird.
       
       ## Nicht genug Likes
       
       So heißt es in einer offiziellen Begründung, „Softie“ habe das vereinbarte
       Ziel von 15.000 Likes seiner Facebook-Seite verfehlt. Derartige
       Performance-Kriterien wurden auch den anderen beiden von funk eingestellten
       Formaten zum Verhängnis.
       
       „Es stimmt, dass wir bei Facebook die Zielvereinbarungen nicht erreichen
       konnten“, sagt ein ehemaliges „Softie“-Redaktionsmitglied. Es habe sich
       jedoch herausgestellt, dass sich die Zielgruppe gar nicht mehr auf Facebook
       bewege, sondern [3][die meisten und engagiertesten Follower*innen bei
       Instagram zu finden sind]. „Dort haben wir sehr viele Personen außerhalb
       der queerfeministischen Berliner Bubble erreicht.“
       
       Beim Auswerten des Formats konnte das jedoch nicht berücksichtigt werden.
       Da entscheidet die vereinbarte „Primärplattform“. Warum funk mit Facebook
       überhaupt noch auf einen Kanal setzt, der in der eigenen Zielgruppe mit
       jedem Jahr Nutzer*innen einbüßt, bleibt unklar: Von den 12- bis 17-
       Jährigen in Deutschland hat inzwischen jeder fünfte Facebook verlassen, bei
       den User*innen unter 25 Jahren ist es jeder Zehnte.
       
       Sind Klickzahlen überhaupt wichtiger als der öffentlich-rechtliche
       Bildungsauftrag? Eine weitere umstrittene funk-Entscheidung: Seit gut einem
       halben Jahr bietet das Content-Netzwerk der AfD-Aussteigerin Franziska
       Schreiber eine Plattform. Deren [4][gleichnamige Sendung] hat auf YouTube
       schon fast 16.000 Follower*innen. Schreiber arbeitet mit ironischer
       Provokation, nicht unähnlich liberal-konservativen Provokateuren wie etwa
       Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt.
       
       In dem Video „Warum Feminismus peinlich und nutzlos ist“ zum Beispiel
       erkennt Schreiber zwar die Errungenschaften des „historischen Feminismus“
       an (Wahlrecht), um dann jedoch den „Opferkult“ des Internet-Feminismus zu
       beklagen. Ähnlich funktionieren auch ihre anderen Videos: Auf reißerische
       Titel folgt häufig eine vorläufige Relativierung, um am Ende doch noch
       gegen typische Feindbilder der Rechten – Feminist*innen,
       Umweltschützer*innen, Linke – auszuholen.
       
       „Unser öffentlich-rechtlicher Auftrag ist es, zur Meinungsbildung
       beizutragen“, erklärt funk auf Anfrage. „Mit Franziska Schreiber haben wir
       jemanden gefunden, der kontrovers diskutiert, eine klare Meinung hat und
       aufzeigt, dass Jugendliche zu unterschiedlichen Themen ganz verschiedene
       Haltungen entwickeln können.“ funk muss laut Statut eine Vielzahl von
       Standpunkten innerhalb des demokratischen Spektrums abbilden. Dass das
       zulasten des Queerfeminismus im Internet geht, ist bedauerlich.
       
       11 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Missy-Magazines-Videoformat-fuer-Funk/!5553146
 (DIR) [2] /Jugendangebot-von-ARD-und-ZDF/!5341807
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/softie.offiziell/
 (DIR) [4] https://www.youtube.com/channel/UCF16P2alEa41f5h6G_bXbzQ
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Tepest
       
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