# taz.de -- Katholische Kirche: Noch einer weniger
       
       > Kardinal Reinhard Marx, mächtigster Mann der deutschen katholischen
       > Kirche, tritt nicht mehr als Vorsitzender der Bischofskonferenz an.
       
 (IMG) Bild: Nun müssten Jüngere ran: Der 66-Jährige Kardinal Reinhard Marx über den geplanten Rücktritt
       
       BERLIN taz | Es gab einen kleinen Trick, den sich Reinhard Marx, damals
       noch Bischof von Trier, beigebracht hatte: die Zigarrennummer. Wenn der
       Genussraucher, etwa bei Hintergrund-Kreisen mit Journalisten, für eine
       Pointe sorgen, vielleicht auch nur kurz einer Frage ausweichen wollte, ließ
       er eine qualmende schwere Zigarre scheinbar überrascht aus dem Mund fallen,
       um sie geschickt wieder aufzufangen. Alle lachten. Nun ist es wieder Zeit
       für den Zigarrentrick. Aber niemand lacht.
       
       Denn die Überraschung ist perfekt: [1][Kardinal Reinhard Marx], Erzbischof
       von München, tritt nach sechs Jahren nicht mehr als Vorsitzender der
       Bischofskonferenz an. Der mächtigste Mann in der katholischen Kirche der
       Bundesrepublik verliert Macht, auch in der Weltkirche mit ihren rund 1,3
       Milliarden Mitgliedern. Denn Marx ist zugleich Kardinalsrat in Rom, der den
       Papst in Belangen der Weltkirche berät.
       
       Der 66-Jährige wirkte zuletzt oft abgekämpft. Insofern erscheint die
       Begründung für den geplanten Rücktritt plausibel: dass nun Jüngere
       ranmüssten. Aber Marx’ Weggang trifft die Kirche zugleich in einem
       sensiblen Moment. Am Mittwoch will der Papst sein abschließendes Schreiben
       zur Amazonas-Synode veröffentlichen, die im vergangenen Herbst in Rom
       tagte. Es ist möglich, dass Franziskus darin mit Verweis auf den dortigen
       Mangel an Priestern den Zwangszölibat im Amazonas-Gebiet aufweicht, mit
       perspektivischen Folgen für die ganze Kirche. Denn diese rund 1.000-jährige
       Tradition der Ehelosigkeit katholischer Priester könnte dann nach und nach
       weltweit fallen, und irgendwann auch im Westen und Norden der Welt. Kommt
       es so, steht die Weltkirche vor einer Zerreißprobe.
       
       ## Den Zigarrentrick schon mal üben
       
       Ähnlich gärt es in Deutschland: Kardinal Marx ist spätestens mit dem
       Amtsantritt von Papst Franziskus vor sieben Jahren einen liberalen Kurs
       gefahren. Mag sein, dass er die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nicht
       energisch genug vorangetrieben hat – aber immerhin geschah es unter seiner
       Ägide, dass sich die hiesige katholische Kirche trotz großer Widerstände
       innerhalb der Bischofskonferenz mit einer großen wissenschaftlichen Studie
       diesem Abgrund gestellt hat und nun bereit scheint, recht bald nennenswerte
       Entschädigungen an die Opfer zu zahlen. Auch beim Reformationsjubiläum der
       evangelischen Kirche 2017 und beim nun angelaufenen „Synodalen Weg“, dem
       gemeinsamen Reformprozess der katholischen Laien, Kleriker und Bischöfe in
       der Bundesrepublik, gehörte er stets zu den treibenden und ausgleichenden
       Kräften.
       
       So ist sein Rücktritt zu bedauern, auch weil ihm erzkonservative Bischöfe
       folgen könnten: Der Kölner Erzbischof Woelki wäre als Kardinal in der Pole
       Position – aber nach seinem peinlichen Auftreten beim „Synodalen Weg“
       polarisiert er womöglich allzu sehr. Das gilt mit Einschränkungen auch für
       den Passauer Bischof Oster. Wahrscheinlicher sind Kompromisskandidaten wie
       der Essener Bischof Overbeck, der Mainzer Bischof Kohlgraf oder der
       Berliner Erzbischof Koch. Man sollte jedenfalls den Zigarrentrick schon mal
       üben.
       
       11 Feb 2020
       
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