# taz.de -- Irre Reformidee beim Baseball: Große TV-Show Play-Offs
       
       > Die konservative Major League Baseball plant, dass in den Play-offs sich
       > die besten Teams ihre Gegner aussuchen können. Es soll ein Spektakel
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Hat gut lächeln: José Altuve, Starspieler der Housten Astros, könnte von der Reformidee profitieren
       
       Man stelle sich vor: Kurz nach Silvester findet der erste fußballerische
       Höhepunkt des neuen Jahres statt. In Genf oder Brüssel oder irgendeiner
       anderen europäischen Stadt, die ausreichend teure Hotels vorhält, trifft
       sich eine Horde Funktionäre, um das kommende Achtelfinale der Champions
       League auszukaspern. Aber diesmal wird nicht gelost. Nein, diesmal wird mal
       was ganz anderes ausprobiert: Der Vorrundengruppenerste mit den meisten
       Punkten darf sich aus den Gruppenzweiten seinen Gegner aussuchen. Dann
       kommt der mit den zweitmeisten Punkten dran und so weiter.
       
       Während der alle Einschaltquotenrekorde schlagenden TV-Übertragung
       diskutieren die Fans quer durch Europa, welcher Gegner ihrer Mannschaft
       besser liegt. War es eine gute Idee von Bayern München, mit dem SSC Neapel
       das vielleicht nur vermeintlich relativ schwache Überraschungsteam gewählt
       zu haben? Und warum hat sich Pep Guardiola für das sensationell in der
       Gruppe nur zweitplatzierte Real Madrid entschieden? Will er seine in der
       Premier League schwächelnden Stars mit dem großen Namen motivieren?
       
       Sie finden das absurd? Da kennen Sie die Verantwortlichen der Major League
       Baseball (MLB) aber schlecht. Die haben nämlich jetzt genau das
       vorgeschlagen. Die aus Traditionsgründen in American und National League
       aufgeteilte Liga plant eine bahnbrechende Reform ihres Play-off-Formats.
       Künftig sollen nicht mehr nur zehn Teams in der K.o.-Runde den „World
       Series“-Sieger ausspielen, sondern 14. Und die erste Play-off-Runde wird
       von bislang nur einem auf maximal drei Spiele verlängert. All das folgt der
       bekannten Logik, die dem Geschäft Profi-Baseball nun mal innewohnt: mehr
       Mannschaften, mehr Spiele, mehr Umsatz.
       
       Nun aber wird es spannend: Die beiden Teams der American und der National
       League, die jeweils die meisten Siege in der regulären Saison eingefahren
       haben, bekommen in der ersten Play-off-Runde frei. Dann aber spielt nicht
       der jeweilige Zweitplatzierte automatisch gegen den jeweiligen Siebtbesten,
       sondern der darf sich aus den schlechtesten drei den Erstrundengegner
       aussuchen.
       
       Die Auswahl soll TV-gerecht in einer Show übertragen werden und für den
       beim jüngeren Publikum – vor allem im Gegensatz zu Football und Basketball
       – schwächelnden Baseball neue eventfernsehengestählte Zuschauer
       erschließen. Zumal man aktuell auch mit negativen Schlagzeilen zu kämpfen
       hat. Wegen eines positiven Dopingtests muss der amerikanische
       Baseball-Spitzenklub Houston Astros fortan auf seinen Werfer Francis Martes
       verzichten.Der 24-Jährige wurde positiv auf das leistungssteigernde Steroid
       Boldenon getestet und nun für die komplette Saison 2020 gesperrt. Schon
       einmal wurde Martes wegen Doping gesperrt.
       
       ## Der Druck auslaufender Fernsehverträge
       
       Die Reformpläne sind revolutionär, vor allem für den Baseball und die nicht
       nur älteste der großen US-Sportligen, sondern auch die konservativste.
       Entsprechend fielen die Reaktionen aus. [1][Der Kommentator der New York
       Post] fand die Pläne „grotesk“, einzelne Spieler twitterten, die Reformidee
       sei „absurd“.
       
       Ob die Pläne umgesetzt werden, ist lange noch nicht entschieden. Die MLB
       würde das neue Format gern 2022 einführen, auch weil 2021 einige
       Fernsehverträge auslaufen und man mit mehr Play-off-Spielen mehr
       Verhandlungsmasse generieren möchte. Aber bevor es so weit kommt, müsste
       erst einmal die Spielergewerkschaft zustimmen – und die ist im Baseball
       besonders wehrhaft und mächtig. In keiner anderen Liga wurde in den
       vergangenen Jahrzehnten [2][so oft gestreikt] wie in der MLB.
       
       Während die Umsetzung dieser Idee also noch in den Sternen steht, könnte
       man doch schon einmal weiterdenken: Warum dürfen sich im DFB-Pokal, dessen
       frühe Runden – seien wir ehrlich – ja nicht wirklich interessieren, die
       Mannschaften sich nicht selbst ihre Gegner auswählen? Zuerst kommt der
       niederklassigste Verein dran – und muss sich entscheiden zwischen dem
       Dorfklub aus der Regionalliga, also die Chance aufs Weiterkommen, oder
       Borussia Dortmund und eine einzige, aber dafür besonders geile Party vor
       vollem Haus.
       
       Und wenn man schon mal dabei ist, Reality-TV-Ideen zu übernehmen: Warum
       nicht eine Woche Dschungelcamp vor jeder Fußball-WM? Mit lustigen Spielchen
       wie: Cristiano Ronaldo und Messi werden von ihren Kollegen zum
       Stierhodenessen geschickt. Wer von den beiden die meisten Sterne zurück ins
       Camp bringt, geht mit einem 1:0-Vorsprung in die Auftaktpartie. Wenn das
       mal keine Einschaltquoten bringt.
       
       19 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://nypost.com/2020/02/10/trevor-bauer-destroys-rob-manfred-over-radical-mlb-postseason-proposal/
 (DIR) [2] /Spaete-Ehrung-einer-Legende/!5645119
       
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