# taz.de -- Schiedsrichter im Profifußball: Mehr Schund als Krimi
       
       > Wenn der Fußball zum Krimi hochgejazzt wird, wer ist dann der Täter und
       > wer der Mörder? Welche Rolle kommt den Unparteiischen zu?
       
 (IMG) Bild: Zu oft im Bild: der Videobeweis rückt Schiedsrichter Osmers auf Schalke in den Fokus
       
       Man spricht immer so gern von [1][Fußballkrimis]; vielleicht die
       einfallsloseste Stilblüte, die die Fußballsprache hervorgebracht hat.
       Schlicht zwei der populärsten Erzählungen der heutigen Populärkultur unter
       Auslassung all ihrer Besonderheiten gemerged, fertig ist das schiefe Bild.
       Damit ist besonders langatmig gesagt: Es war spannend. Es wurde Adrenalin
       gereicht.
       
       Was bleibt, nimmt man das Bild ernst? Wer in einem engen Fußballspiel mag
       dann der Täter, die Täterin sein? Sicher nicht jeneR SpielerIn, der oder
       die das entscheidende Tor schießt oder verhindert. DieseR SpielerIn ist
       ProtaginistIn des Geschehens; also der Kommissar, die Kommissarin.
       
       Aber wer ist Anlass für den Schmu, wer bringt den Ball ins Spiel, wer wirkt
       im Verborgenen, hält die Fäden in der Hand? Der Schiedsrichter, die
       Schiedsrichterin. Sie sind Mörder, Mörderinnen. Ohne sie wäre das ganze
       Ensemble bloß ein paar Leute mit Ball, die sich die Zeit vertreiben.
       
       MörderInnen wirken im Verborgenen. Auch das ist wie bei den
       SchiedsrichterInnen: stehen sie im Vordergrund, ist das Spiel versaut.
       Namen von Schiedsrichtern wissen nur Leute, die sich auch für
       KomponistInnen von Filmmusik interessieren. Harm Osmers ist so ein Name.
       Harm Osmers ist ohne Frage ein ganz vorzüglicher Name. Trotzdem wissen nur
       Fans, die sich von ihm einmal übervorteilt gesehen haben, dass Harm Osmers
       Harm Osmers heißt und dass er ein Allerweltsgesicht hat. Auf Schalke wissen
       jetzt alle, wer Harm Osmers ist.
       
       ## So piefig wie der Kanzlerbungalow
       
       Schalke spielt dieses Jahr mal wieder, wie Helmut Kohl den Kanzlerbungalow
       eingerichtet hat: piefig, funktional, langweilig, hässlich.
       Fliesentischfußball. Schalke schafft es in beeindruckender Regelmäßigkeit,
       aus einer Menge Menschen von überbordendem Talent eine Truppe zu machen,
       die aussieht wie ein Betriebsausflug der Buchhaltungsabteilung. Auf Schalke
       wird Talent verbrannt wie früher Kohle.
       
       Trotzdem sind die Erwartungen hoch. Es würde mich sehr interessieren, was
       die Schalker Verantwortlichen zu potentiellen Trainerkandidaten sagen,
       damit die sich denken: „Ja, bei mir wird alles anders, bei mir klappt es
       bestimmt!“ Und dann klappt es wieder nicht. Jetzt David Wagner, der Mann,
       der aussieht wie der gutaussehende Bruder von David Wagner
       (Schriftsteller). Im Spiel gegen Hertha, natürlich ein Krimi
       (Pokal-Achtelfinale), hat er in der Verlängerung Rot gesehen. Jordan
       Torunarigha war vor die Schalker Trainerbank gerutscht, und David Wagner
       tat so, als würde er ihm aufhelfen wollen. Das haben hinterher tatsächlich
       alle geschrieben, obwohl offensichtlich war, dass ein Teil David Wagners
       Jordan Torunarigha schlicht festhalten wollte. Es ist ein sprechendes Bild
       für die soziale Kälte in diesem Land, dass offensichtlich keineR mehr weiß,
       wie jemand aussieht, der einem anderen aufhilft.
       
       Außer Harm Osmers, der richtigerweise erkannt hat, dass David Wagner vor
       allem seinen Vorteil im Blick hatte. Dafür hat David Wagner einen
       Platzverweis kassiert, wegen Spielverzögerung. Und hinterher hat er lang
       lamentiert, dass er das nicht verstehe: Er wollte nur helfen. Und dann die
       Emotionen. Das muss doch erlaubt sein! Regelmäßig klingen sanktionierte
       Fußballtrainer, wie Männer, die häusliche Gewalt rechtfertigen.
       
       Danach haben alle auf Harm Osmers geschimpft, wie gerade viele Trainer auf
       SchiedsrichterInnen schimpfen. Das hat sich mit Einführung des
       Videobeweises verstärkt: Ständig stehen die Unparteiischen im Mittelpunkt,
       ständig füllen sie den Bildschirm. Das bricht die Erzählung vom Spiel so
       sehr, dass David Wagner mit seinen Unsinnserklärungen davonkommt, weil sich
       alle Wut auf Osmers richtet. Es lässt sich trefflich selbstgerecht sein so,
       bloß wird dann der Fußballkrimi endgültig zum Schund.
       
       22 Feb 2020
       
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