# taz.de -- Corona und Prostitution: Große Sorgen in der Sexarbeit
       
       > Städte und Bundesländer schließen Bordelle und verbieten vorerst
       > Prostitution. Vielen Sexarbeitenden droht nun Obdachlosigkeit.
       
 (IMG) Bild: Sexarbeiter:innen könnten jetzt von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt werden
       
       BERLIN taz | „Das ist das ganz große Drama“, sagt Stephanie Klee vom
       Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD), in dem sich unter anderem
       Betreiber:innen von Bordellen organisiert haben: Mehrere Städte und
       Bundesländer haben wegen des Corona-Virus angeordnet, Prostitutionsstätten
       vorerst zu schließen. Dazu gehören Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und
       das Saarland. Mit weiteren Verboten wird gerechnet. Die Polizei
       kontrollierte vielerorts bereits am Wochenende, ob die Verbote umgesetzt
       werden.
       
       Natürlich habe sie volles Verständnis, dass Gesundheit vorgehe, sagt Klee.
       „Aber viele wissen nicht, wie sie die nächste Zeit überstehen sollen.“
       
       Auch Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle
       Dienstleistungen (BesD), der für [1][Sexarbeiter:innen] spricht, sagt: Vor
       allem unter denjenigen, die ohnehin schon marginalisiert arbeiten, die
       weder Krankenversicherung noch festen Wohnsitz haben, „herrsche richtig
       Panik.“ Ohnehin hätten sehr viele Sexarbeitende nahezu keine Rücklagen.
       
       ## Auf die Straße gesetzt
       
       Oft wohnen Sexarbeiter:innen vorübergehend in den Bordellen, in denen sie
       arbeiten. „Die wurden jetzt von einem Tag auf den anderen auf die Straße
       gesetzt“, sagt Weber. Viele, die nicht in Deutschland leben, könnten
       wahrscheinlich nicht mehr nach Hause reisen oder müssten in Quarantäne. Die
       Grenzen etwa nach Polen oder Bulgarien sind dicht.
       
       Das Medienportal 7 aktuell [2][veröffentlichte auf Youtube ein Interview]
       mit dem Stuttgarter Bordellbetreiber John Heer. Wenn die Frauen aus den
       Häusern rausmüssten, sagt Heer, heiße das, „man soll sie auf die Straße
       schmeißen.“ Heer kündigte an, das nicht zu tun – zumindest, bis die Frauen
       ein Ticket nach Hause oder eine vorübergehende Unterkunft hätten. Klee
       sagt, sie hoffe, dass einige bei Freund:innen oder Verwandten unterkommen
       könnten, um die härteste Zeit zu überbrücken.
       
       Die überwiegende Mehrheit der Betreiber:innen und Sexarbeitenden werde sich
       an die Verbote halten, vermutete Weber. Doch gerade marginalisierte
       Prostiutierte würden wohl versuchen, auf der Straße oder im Netz weiter zu
       arbeiten – wenn sie noch Kunden finden würden. „Was sollen sie auch machen,
       wenn sie nichts zu essen haben“, sagt Weber. Um die müsse man sich nun
       kümmern.
       
       Ihr Verband suche bereits nach Lösungen: sowohl, um die drohende
       Obdachlosigkeit vieler Kolleg:innen aufzufangen, als auch, um zu klären,
       wie es mit staatlichen Ausfallzahlungen aussieht. Bisher gebe es von Seiten
       des Bundeswirtschaftsministeriums nur Pläne für Selbständige, die in
       Quarantäne sind. „Aber das funktioniert nicht, wenn wir grundsätzlich am
       Arbeiten gehindert sind“, sagt Weber. Da müssten weitreichendere Lösungen
       her. Vor ähnlichen Problemen stehen derzeit auch Solo-Selbstständige in
       vielen anderen Branchen.
       
       ## Forderung nach unbürokratischer Hilfe
       
       Auch der Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten, Dona
       Carmen, forderte per Pressemitteilung unbürokratische Hilfe für
       Sexarbeitende von den Kommunen und Ländern. Zwar hätten auch selbständig in
       der Prostitution tätige Personen bei Verdienstausfall
       Entschädigungsansprüche. „In der Praxis werden die meisten
       Sexarbeiter/innen davon aber wohl kaum profitieren, weil dazu eine
       Bescheinigung des Finanzamts erforderlich ist“, befürchtet der Verein.
       Vielen Sexarbeitenden bliebe deshalb nur die Beantragung von
       Arbeitslosengeld II.
       
       Bordellbetreiber Heer kritisierte zudem die mangelnde Hilfsbereitschaft der
       Prostitutionsgegner:innen. „Die ganzen Hilfsorganisationen, die sonst immer
       schreien ‚Zwangsprosutitution‘ – die sind hier alle nicht zugegen“, sagt
       er. „Es ist niemand da, der hilft.“
       
       Die erklärte Prostitutionsgegnerin und SPD-Bundestagsabgeordnete [3][Leni
       Breymaier schrieb auf Twitter]: „Stuttgart verbietet Prostitution wegen
       Corona. Geht doch. Man(n) kann ja schon mal üben“. „Unverantwortlich“,
       nennen viele diese Aussage in den sozialen Medien, „respektlos, widerlich.“
       Die Berliner SPD-Staatssekretärin für Gesundheit und Gleichstellung,
       [4][Barbara König, antwortete:] „Das ist unter Deinem Niveau, liebe Leni.
       Bitte unterlasse diese vollkommen unangemessene Instrumentalisierung einer
       sehr ernsten Lage für deine persönliche Position. Danke.“
       
       16 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Prostitution/!t5008205/
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=E5eELlvbl34
 (DIR) [3] https://twitter.com/LeniBreymaier/status/1238460159623663619
 (DIR) [4] https://twitter.com/Koenig_PfleGlei/status/1239248675819466752
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
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