# taz.de -- Einreisestopp für Saisonarbeitskräfte: Mit Anfängern auf den Gemüseacker
       
       > Viele junge Menschen wollen den Landwirten helfen. Doch das
       > Einreiseverbot für SaisonarbeiterInnen treibt den Spargelbauern den
       > Schweiß auf die Stirn.
       
 (IMG) Bild: Spargelernte bei Cloppenburg. Wo sollen dieses Jahr die Saisonarbeiter herkommen?
       
       FREIBURG taz | Was die Bundesregierung den Landwirten zumute, ist für
       Stefan Weingärtner eine „absolute Frechheit“. Der Spargel- und Erdbeerbauer
       aus Hirschberg im Rhein-Neckar-Kreis ist auf dem Weg zum Flughafen, um
       seine Saisonarbeitskräfte abzuholen. [1][Sie sind die letzten, die jetzt
       noch eingereist sind]. Seit Mittwoch 17 Uhr verbietet das Innenministerium
       weiteren Erntehelfer*innen die Einreise – die Zahl sozialer Kontakte sei
       sonst zu groß.
       
       Statt 400 Saisonarbeitskräfte wie in anderen Jahren hat Weingärtner jetzt
       nur 14. „Als klar wurde, dass die Einreise über Land nicht klappt, habe ich
       Plätze im Flugzeug organisiert.“ Am Dienstag kam dann die Meldung, dass
       Einreisen ab Mittwoch verboten seien. Nacheinander wurden die Flüge
       gestrichen. „Und um halb sechs ruft mich ein Bundespolizist an, dass es bis
       zum Nachmittag doch geht.“
       
       Gleichzeitig habe der Grenzschutz Erntehelfer*innen aus Rumänien an
       Flughäfen wieder zurückgeschickt, berichtet Simon Schumacher,
       Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeerbauern
       (VSSE). Der Informationsfluss zwischen Regierung, Bundesländern und
       Bundespolizei – ein Chaos. Jetzt bestehe zwar Klarheit, aber trotzdem sei
       die Verunsicherung riesig. „Permanent rufen mich Landwirte an, weil der
       Spargel wächst, aber niemand da ist, der erntet“, sagt Schumacher.
       
       ## Farmhelden und Ernteretter
       
       Dabei stehen zumindest im Netz viele hilfsbereite Arbeitskräfte bereit.
       Plattformen, die Landwirte und Helfende verbinden, sind die letzten Tage
       wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die Gruppe „Farmhelden“ hat am
       Wochenende beim Hackathron der Bundesregierung eine Vermittlungs-App
       programmiert, „Ernteretter“ eine Homepage. Am Montag um 12 Uhr ging das
       Angebot des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung online. Auf
       daslandhilft.de haben sich bereits über 24.000 Menschen angemeldet. „Wir
       sind vom Interesse überrannt worden“, so Guido Krisam, Sprecher der
       Maschinenringe Deutschland GmbH, die für das Ministerium die Plattform
       betreibt. Maschinenringe sind Vereine oder Genossenschaften, in denen
       Landwirte Maschinen teilen oder Personal tauschen.
       
       Die meisten Inserate kommen von Hilfswilligen, aber auch über 300
       landwirtschaftliche Betriebe haben ein Suchprofil erstellt. Für beide
       Seiten ist die Anmeldung einfach: Kontaktdaten, Arbeitsumfang, Art der
       Tätigkeit und fertig. „Über 90 Prozent der Zugriffe kommen über Instagram
       und Facebook. Wir erreichen damit junge, motivierte Leute“, sagt Krisam.
       
       Doch sind das diejenigen, die sechs Tage die Woche den Spargel im Akkord
       aus dem Boden stechen werden? Landwirtschaftliche Erfahrungen fragt das
       Portal nicht ab. „Zeitlich flexibel“ ist oft zu lesen, aber mehr als 40
       Stunden Arbeitszeit die Woche wird nicht angeboten. Landwirt Weingärtner
       hat zwar ein Profil erstellt, doch er ist skeptisch: „[2][Spargelstechen,
       das ist] eine knochenharte Arbeit auf den Knien. Die Leute können sich das
       gar nicht vorstellen.“ Wie viele Betriebe arbeitete er jede Saison mit den
       gleichen Leuten.
       
       „Die wissen schon, wo die Schubkarre auf dem Hof steht, und können sofort
       anfangen“, sagt Schumacher vom VSSE. Dieses Jahr stünden statt der
       Ernteprofis aus Osteuropa ungeübte Anfänger*innen auf dem Acker. Auch
       Michaela Huschle sucht online. Zwei Hektar Erdbeeren sind auf ihrem
       Familienbetrieb bei Offenburg bald zu ernten. „Das haben sonst 15
       Vollzeitkräfte erledigt. Jetzt werden es viel mehr Leute, weil sie nur ein
       paar Stunden Zeit haben.“
       
       Guido Krisam vom Maschinenring ist trotzdem motiviert. Ein Hopfenbauer sei
       zu Tränen gerührt gewesen. Seit zwei Tagen setzt er mit jungen
       Fridays-for-Future-Aktivist*innen Drähte. Deren Motivation und Interesse an
       der Landwirtschaft sei überwältigend. Eine andere Landwirtin habe ihm
       berichtet, dass sie schon nach zwanzig Minuten ihre neuen Helfer*innen
       gefunden habe.
       
       ## Solidarität ist gut, aber reicht nicht
       
       Die Solidarität sei ein Symbol, das gut tue, sagt auch Schumacher vom VSSE.
       Aber ausreichen werde es nicht. Was die 300.000 Erntehelfer*innen aus
       Polen, Bulgarien und Rumänien jedes Jahr für wenig Geld in Deutschland
       leisten, werde jetzt sichtbar. Einfach ersetzen könne man sie nicht.
       
       Schumacher fürchtet daher, dass es beim Gemüse zu Engpässen kommen werde.
       „Was jetzt nicht gepflanzt wird, kann im Sommer nicht geerntet werden.“
       Einen Probelauf wird es auf dem Acker nicht geben. Denn was die neuen
       Arbeitskräfte können, zeigt sich erst, wenn die Beeren reif sind.
       
       26 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Isabel Röder
       
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