# taz.de -- Joschka Fischer über Corona-Krise: „Die Frage ist: Was kommt danach?“
       
       > Der frühere Außenminister sieht auch Chancen in der „Menschheitskrise“
       > Corona. Er mahnt Deutschlands Verpflichtung gegenüber Europa an.
       
 (IMG) Bild: „Wir werden den europäischen Markt mehr denn je brauchen“: Ex-Außenminister Joschka Fischer
       
       Es ist 12 Uhr mittags, und Joschka Fischer sitzt in seinem Berliner Haus im
       mittlerweile zur Gewohnheit gewordenen Videokonferenz-Setting, also am
       Schreibtisch vor einem Bücherregal. Er trägt Weste, in der Ecke sieht man
       ein paar Umzugskisten. Der Außenminister der rot-grünen Jahre hat mit
       „Willkommen im 21. Jahrhundert“ gerade ein geopolitisches Opus magnum
       veröffentlicht – und muss nun intellektuell und persönlich mit der
       veränderten Coronawelt klarkommen. 
       
       taz am wochenende: Herr Fischer, wir leben in einer Phase, in der in vielen
       Bereichen politische Versäumnisse sichtbar werden, die wir viele Jahre
       ignoriert haben. Was sticht da im Kontext der Coronapandemie besonders
       heraus? 
       
       Joschka Fischer: Na ja, ich denke, die größte Ignoranz war: Wir wussten,
       dass so etwas möglich ist. Es gab zwar noch nie eine solche Pandemie zu
       unseren Lebzeiten – Ebola war furchtbar, blieb aber auf Afrika beschränkt,
       Sars war milde, verglichen mit dem, was wir jetzt erleben –, aber es gab
       immer wieder Ausbrüche neuer Viren. Und ich denke, dass wir schlicht und
       einfach alle miteinander dramatisch unterschätzt haben, was das für uns
       heißt für den Menschen, die Gesellschaft, die Wirtschaft, die
       Weltwirtschaft. Und was es für die Demokratie heißt.
       
       Wir haben immer anderes zu tun, als die großen Zukunftsprobleme zu lösen,
       die wir angehen müssten, bevor sie eskalieren. 
       
       Wir haben es jetzt bei der Coronakrise aus meiner Sicht mit einer
       Menschheitskrise zu tun.
       
       Die Menschheit kann aber nicht als Ganzes handeln. 
       
       Richtig. Wir sind nicht dazu in der Lage. Es wäre ja schön, wenn wir daraus
       lernen würden, aber in der Krise greift zuerst jeder auf das zurück, was er
       kennt: den eigenen Staat. Das ist eine verständliche menschliche Reaktion.
       Aber wir brauchen mehr Zusammenarbeit, nicht weniger, wenn wir dieser
       Gefahren Herr werden wollen.
       
       Wie schlimm wird's denn aus Ihrer Sicht? Auch eine Weltwirtschaftskrise hat
       ja Auswirkungen auf Leben und Tod. 
       
       Ich glaube, es wird schlimm. Diese Krise beinhaltet mehrere Krisen in
       einem. [1][Es ist eine Krise der Realwirtschaft], eine Vollbremsung
       innerhalb von Tagen. Sie ist global, sie ist nicht begrenzt auf eine große
       Volkswirtschaft, eine Region oder auf einen Kontinent. Die globale Ökonomie
       wurde schockgefroren, und das wird zu erheblichen Vermögensverlusten
       führen. Trotz der nie gekannten Größe der Staatsinterventionen, wie wir sie
       dieser Tage erleben.
       
       Nicht vergleichbar mit anderen Weltwirtschaftskrisen? 
       
       So etwas haben wir beide noch nicht erlebt. Das wird zu einer sehr heftigen
       globalen Rezession führen. Wir werden eine Notstandsökonomie bekommen. Die
       Frage ist: Was kommt danach? Wollen wir wieder die alten Strukturen
       aufbauen? Oder nutzen wir diese Großkatastrophe, um daraus zu lernen und
       zugleich neue Strukturen zu schaffen, etwa [2][in Bezug auf Klimaschutz],
       virologische Bedrohungen und Ähnliches. Nachhaltigkeit muss umfassender
       definiert werden, das zeigt uns das Virus.
       
       Im Grunde sagen die verschiedenen Ideologen, was sie immer sagen:
       Wirtschaft darf nicht leiden. Kapitalismus muss weg. Gott ist angepisst vom
       Menschen. Und die bürgerlichen Romantiker beschwören Solidarität und
       Menschlichkeit und sehen uns als höhere Wesen aus dieser Krise hervorgehen.
       Was halten Sie von Letzterem? 
       
       Grundsätzlich finde ich die Idee gut und richtig, dass Solidarität ein
       wichtiger Gesichtspunkt ist zur Überwindung dieser Krise: Solidarität
       zwischen den Generationen, zwischen Arm und Reich … denn alle sitzen im
       selben Boot. Ob wir dadurch zur höheren Wesen werden? Da bin ich überfragt.
       
       Ich finde das illusionistisch. Es ist eine Denkschlampigkeit unserer
       positiv von 1968 beeinflussten Milieus, dass sie darauf insistieren, große
       Fragen des Allgemeinen seien durch Charakter des Einzelnen und eine tolle
       „Zivilgesellschaft“ zu regeln. 
       
       Wir brauchen funktionierende Institutionen, dazu sehe ich keine
       Alternative. Was wir jetzt im Zeitraffer erleben, gibt uns eine Vorahnung
       auf das, was kommen wird, wenn etwa das globale Klima kollabiert. Insofern
       werden wir andere Prioritäten setzen müssen. Das bietet vielleicht gerade
       in der internationalen Politik eine Chance, dass aktuelle Konflikte und
       Krisen überwunden werden können.
       
       Konkret? 
       
       Schauen Sie, ich habe es persönlich erlebt, noch als Außenminister, als
       Weihnachten 2004 das große Erdbeben mit dem zerstörenden Tsunami in
       Südostasien, im Indischen Ozean, stattgefunden hat und zu einer fast
       völligen Zerstörung von Banda Aceh geführt hat, der regionalen Hauptstadt
       im Norden Sumatras. Das war die Grundlage dafür, dass dann ein langer
       Bürgerkrieg zu Ende gebracht werden konnte – angesichts dieser von der
       Natur verursachten, fast biblischen Zerstörung. Ich könnte mir denken, dass
       es nach Corona auch Chancen gibt, dass Konflikte beendet werden. Aber das
       setzt den Geist und den Willen zur Zusammenarbeit voraus und zur
       Kooperation.
       
       Was wird aus der Entwicklung der EU, wenn der menschliche Reflex der
       Schutzsuche der Nationalstaat ist, der keine Zukunft hat? 
       
       Die Vorstellung, man könne sich von der engen Zusammenarbeit in Europa
       verabschieden oder eine Billigvariante ermöglichen: Damit würden sich die
       Europäer endgültig in den Abgrund stürzen. Das darf doch nicht wahr sein!
       Wir sind in einer Schicksalsgemeinschaft. Wir werden den gemeinsamen Markt
       in Zukunft mehr denn je brauchen. Und wir werden auch den Euro mehr denn je
       brauchen. Das heißt: Wir sind zur [3][Solidarität] verpflichtet.
       
       Politik nach vorn mehrheitsfähig zu machen wird schwierig, wenn die
       Gesellschaft Sicherheit im Hinten sucht. Die behutsame Vorwärtsbereitschaft
       in den Bereichen EU und Klima, die sich im Umfragehoch der Grünen
       ausdrückte, ist gestoppt. Die CDU ist wieder weit über 30 Prozent. 
       
       Das würde ich jetzt nicht überschätzen. Im Moment ist es innerhalb der
       Regierung die Union, die in den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger
       eindeutig handelt, vorneweg Angela Merkel, und von der die Menschen das
       auch erwarten. Daher kommt die Unterstützung. Die politische Debatte ist
       eingefroren, und auch dafür gibt es gute Gründe. Aber das ist kein
       Dauerzustand, und man wird dann die Debatte haben: Was wird? Ausschließlich
       Investitionen in die alten Strukturen hielte ich für eine gewaltige vertane
       Chance.
       
       Ja. Aber jetzt sind wir an einem Punkt, wo die Rettung auch wieder im
       Nationalstaat gesucht wird, oder vielleicht sogar nur in Bayern. 
       
       Glauben Sie im Ernst, dass ein Zurück zum Nationalstaat die Sache wirklich
       besser macht, geschweige denn uns näher an eine künftige Vorsorge gegen
       solche Krisen heranführt?
       
       Selbstverständlich nicht. Aber die EU hat auch keine resilienten
       Strukturen. Die zu schaffen muss doch jetzt die Aufgabe sein. 
       
       Dass die EU keine resilienten Strukturen habe, da widerspreche ich. Der
       Euro und die Europäische Zentralbank spielen in der Resilienz des
       Finanzsystems eine entscheidende Rolle. Sie sind noch nicht so weit, wie
       sie eigentlich sein müssten, das stimmt. Aber dass jetzt wieder diese
       ideologisch getriebene Debatte über die Frage [4][gemeinsamer Bonds]
       aufkommt, also gemeinsamer Schuldscheine, und die Debatte, dass man um
       Gottes willen kein Geld für Italien auszugeben habe: Ja, was denn sonst? Zu
       meinen, wir seien nicht zur Solidarität mit Italien verpflichtet, würde
       bedeuten, dass wir die ganze Konstruktion drangäben und zurückfielen auf
       einen deutschen Nationalstaat.
       
       Die Sehnsucht gibt es. 
       
       Ja, aber es ist eine Todessehnsucht.
       
       Die These Ihres Buchs „Willkommen im 21. Jahrhundert“ lautet: Deutschland
       kann nicht ohne Europa, Europa kann nicht ohne Deutschland. Deshalb muss
       jetzt endlich mehr Europa von Deutschland kommen. Das scheint mir
       mentalitätspsychologisch noch längst nicht angekommen. 
       
       Da fragen Sie jetzt den Falschen. Ich habe keine psychologische Kompetenz.
       
       Dann frage ich anders. Das große Problem für die Zukunft Europas ist
       Deutschland, so lautet Ihre Kernthese. Warum? 
       
       Na ja, das ist das Land in Europa mit der größten Bevölkerung, mit der
       größten Volkswirtschaft, mit einer sehr – diplomatisch formuliert –
       merkwürdigen Geschichte. Vor zwei Generationen war das noch das gefürchtete
       Land der fast nicht besiegbaren Soldaten, des fast nicht besiegbaren
       Militarismus. Ein Land mit damals ungefähr 60 Millionen hatte allen Ernstes
       die Vorstellung, die Welt beherrschen zu können. Das war bitterernst. Als
       1945 alles zu Ende und kaputt war, haben die Deutschen daraus die
       Konsequenz gezogen. Sie lautete: Nie wieder! Sie haben sich dann vom Denken
       in Macht- oder gar Weltmachtkategorien völlig zurückgezogen, sind
       militärisch Pazifisten geworden. Und blieben auch mit ihrer
       wirtschaftlichen Macht immer im Windschatten der USA. Ich denke, das ist
       eine Erfahrung, die sehr tief sitzt und die alles andere als nur negativ
       ist. Ich kritisiere das nicht.
       
       Sie sagen aber, dass die Bundesrepublik jetzt den dritten Schritt gehen
       muss nach Westbindung Adenauers und der Ostentspannungspolitik Willy
       Brandts. Das ist eine macht- und finanzpolitische Antwort auf die
       transatlantische Entkopplung der USA. 
       
       Europa als eigenständige Macht wird es ohne Deutschland nicht geben können
       angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung und der Bevölkerungsgröße und
       unserer geopolitischen Lage. Es geht nur mit Deutschland. Aber was geht mit
       Deutschland? Das ist jetzt eine große Probe. Wenn wir im wirtschaftlichen
       Bereich dieselbe Ignoranz wiederbekommen wie 2008 und meinen, wir könnten
       auch ohne die anderen, dann werden wir mit uns und mit Europa gegen die
       Wand fahren. Das ist meine Meinung.
       
       Aber bevor die Bedeutung des Coronavirus evident wurde, schien das größte
       Problem, das wir hier in Deutschland haben, weder die EU noch die
       Klimakrise zu sein, sondern die Wahl eines FDP-Politikers zum
       Ministerpräsidenten von Thüringen durch AfD-Stimmen. 
       
       Da müssen wir uns selbst fragen und auch die Medien, ob das eine richtige
       Bewertung gewesen war. Ich war sehr dafür, dass diese Wahl keinen Bestand
       hatte, damit Sie mich nicht missverstehen. Aber sosehr ich finde, dass die
       AfD ein Unglück und – lassen Sie mich das auch sagen – in einem gewissen
       Sinne eine Schande für die deutsche Demokratie ist: Sie ist nicht das
       größte Problem, das wir haben. In den dreißiger Jahren hatten die Nazis
       oder hatten die Deutschnationalen eine strategische Perspektive. Aber heute
       haben sie keine strategische, nur noch eine destruktive Perspektive. Sie
       können Europa schwer schädigen, aber sie werden nicht mehr hegemonial
       werden.
       
       Die deutsche Verantwortung, sagen Sie, ist vorn, ist eine in verschiedener
       Hinsicht robuste EU. Bisher ist die deutsche Verantwortung nur rückwärts
       gerichtet und die Außenpolitik dezent. Die Frage ist, wie man gerade in den
       linksliberalen Milieus Leute für realistische Machtpolitik gewinnen kann,
       ohne dass man sofort als Revanchist missverstanden wird. 
       
       Na, das wird man eh, wenn man darüber was sagt. Aber da würde ich nicht
       allzu viel drauf geben. Die erste große Herausforderung für unsere
       Grundsätze, von denen ich zutiefst überzeugt bin, waren ja die
       Erbfolgekriege in Jugoslawien. Da wurde einfach klar, dass eine neue Welt
       entsteht, in der auch die alten Gespenster wiederauftauchen können wie
       blutiger, aggressiver Ethno-Nationalismus, wie Rassismus, wie
       Antisemitismus. So was hätte ich alles nicht für möglich gehalten, aber es
       ist wieder Teil der Realität, nicht nur in Deutschland, auch in anderen
       europäischen Ländern. Aber nun endet auch noch die Zeit, in der wir im
       Windschatten der USA bleiben und sagen konnten: Wenn es ernst wird oder
       auch schmutzig, der große Bruder ist da, die USA werden das lösen oder auch
       nicht. Diese Zeit ging mit Trump zu Ende, und sie geht definitiv jetzt mit
       der Coronakrise zu Ende.
       
       In einer der erhellendsten Passagen in Ihrem Buch weisen Sie darauf hin,
       dass wir früher immer lustig „Ami go home“ geschrien haben und jetzt
       denken: Scheiße, was machen wir nun, da der Ami wirklich home geht? Da
       stehen wir aber ziemlich blöd da. 
       
       Vor allen Dingen wird es sehr viel teurer, als sich das viele vorstellen,
       wenn die USA ihren Schutz für Europa, sprich: Nato, zurückziehen. Da wird
       man mit großem Bedauern und wehmütiger Erinnerung von den zwei Prozent
       Militärausgaben vom Bruttoinlandsprodukt sprechen. Der Eigenschutz wird
       sehr viel komplizierter und sehr viel teurer.
       
       Geopolitik gehört einfach nicht zum Kulturkanon der Bundesdeutschen. 
       
       Ja. Aber sie sind überzeugbar. Das habe ich ja selbst erlebt in der
       Balkankrise. Nur das setzt eine Regierung voraus, die weiß, was sie tut,
       und auch entsprechend dafür wirbt. Insofern setze ich auf die junge
       Generation.
       
       Warum auf die? 
       
       Weil sie nicht von den Traumata der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
       geprägt ist. Ich habe diese Traumata ja geteilt und teile sie. Ich sage
       auch nicht, die Abkehr von der Kriegernation hin zum Handelsstaat und einer
       pazifistischen Grundhaltung in der Mehrheit unserer Bevölkerung ist
       schlecht. Im Gegenteil! Das war eine richtige und wichtige Reaktion. Doch
       jetzt steht eine neue Generation, die eben von diesen Traumata weiter weg
       ist, vor einer neuen Herausforderung, was ich in meinem Buch zu begründen
       versuche: Wenn Europa nicht nur im militärischen Bereich, sondern auch bei
       der digitalen Souveränität nicht völlig unter die Räder geraten will,
       müssen wir unsere Souveränität stärken. Das heißt: mehr Zusammenarbeit,
       mehr Gemeinschaft und auch mehr Engagement. Und das geht ohne Deutschland
       und Frankreich nicht, den beiden Großen, nachdem die Briten sich
       verabschiedet haben.
       
       Die bundesrepublikanische Kultur muss sowohl für einen robusten als auch
       einen regulierenden Liberalismus in einem Ausmaß entwickelt werden, wie das
       vor Corona schon schwierig war. Wie soll das jetzt gehen? 
       
       Besser. Die Staaten schaufeln gewaltige Summen in die Wirtschaft, wie ich
       finde, mit zwingenden guten Gründen. Das wird Konsequenzen haben. Selbst
       die Bundesregierung hat erklärt, notfalls bei systemrelevanten großen
       Unternehmen zur Staatsbeteiligung zu greifen. Ich fände es gut, wenn man
       versteht, dass das ein anderes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat mit
       sich bringt. Das sehe ich als weitreichende Konsequenz der Coronakrise: Der
       Staat wird zum Vorsorgestaat. Er wird sehr viel mehr als in der
       Vergangenheit und grundsätzlich Vorsorgestaat sein müssen.
       
       Wir rücken nach links? 
       
       Mir geht es erst mal um einen Begriff, der versucht, die realen
       Verschiebungen zu begreifen. Wie weit das ein linkes Konzept ist? Ich
       möchte jetzt diese ideologische Debatte nicht führen. Die strategische
       Frage lautet: Können wir es uns erlauben, aus privatwirtschaftlichen
       Gründen wesentliche Teile unserer pharmazeutischen Versorgung in den
       Weltmarkt outzusourcen? In solchen Fällen wird die Politik künftig sagen:
       Das kann nicht nur über den Markt gelöst werden. Das ist eine Frage der
       Daseinsvorsorge. Das wird in Zukunft eine sehr viel größere Rolle spielen.
       Das gilt auch für Sicherheits- und Datenfragen, dass es hier eine
       gesicherte Versorgung und Vorratshaltung gibt. Das alles kann nur im
       gemeinsamen europäischen Markt stattfinden.
       
       Die fehlende digitale Souveränität der EU, von der Sie sprechen, würde uns
       gegenüber USA und China zu machtlosen Knechten machen? 
       
       Richtig. Eine andere Konsequenz der Coronakrise, die heute schon sichtbarer
       und auch beschreibbar ist, etwa dadurch, dass wir dieses Gespräch über
       Skype führen. Das wird normal. Unser virtuelles Leben wird eine sehr starke
       Dominanz bekommen. Die Frage ist: Wer beherrscht uns, wer verfügt über
       unsere Daten? China oder die USA oder wir selbst, Europa? Das ist keine
       Technikfrage, sondern die zentrale Frage der Freiheit im 21. Jahrhundert.
       
       Was ist notwendig? 
       
       Ich möchte, dass die europäischen Daten auch physisch in Europa bleiben,
       unter europäischer Kontrolle. Denn wer die Daten hat, hat die Macht. Sie
       dürfen in China keine personenbezogenen Daten außer Landes bringen. Eine
       solche Regelung haben wir hier nicht.
       
       Als nächstes Thema der Coronakrise wird erst mal sein: Dürfen Junge und
       Mittelalte wieder raus, arbeiten und Party machen, während Alte strikt zu
       Hause bleiben, oder ist das unsolidarisch – wie sehen Sie das? 
       
       Sie sprechen mit jemandem, der 72 Jahre alt ist.
       
       Deshalb frage ich ja. 
       
       Das ist jetzt nicht der richtige Moment dafür, aber dass die [5][Jugend
       dauerhaft aufs Partymachen verzichtet] oder verzichten muss, das wünsche
       ich mir nicht. Und ja, wenn wir Alte uns mehr selbst schützen müssen, und
       sei es nur durch einen längeren, temporären Rückzug aus der Öffentlichkeit,
       dann ist es so. Ich denke, Solidarität besteht im gegenseitigen
       Rücksichtnehmen und im Festhalten an den Grundwerten unserer
       Zivilgesellschaft. Es geht hier um die Konsequenzen einer elementaren,
       globalen Krise, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Wie weit das die
       Demokratie betreffen wird, das weiß ich nicht. Aber was ich weiß: dass in
       der Geschichte solche schweren Erschütterungen nie ohne Konsequenzen auch
       für das politische System geblieben sind.
       
       Was heißt das? 
       
       Ich weiß es nicht. Wir werden es sehen.
       
       5 Apr 2020
       
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