# taz.de -- Boris Palmer und die Coronakrise: Der Scharfmacher aus Tübingen
       
       > Palmer demontiert sich mit seinen menschenverachtenden Äußerungen selbst
       > – und steht nun endgültig im Abseits.
       
 (IMG) Bild: Provozieren um jeden Preis: der Tübinger Oberbürgermeister
       
       KARLSRUHE taz | Erstaunlich, wie Covid-19 die Selbstdemontage von einzelnen
       Politikern befördert. Am Sonntag konnte man Armin Laschet bei „Anne Will“
       dabei zuschauen und jetzt hat sich auch Boris Palmer endgültig für höhere
       Positionen, etwa als Nachfolger Winfried Kretschmanns, aus dem Rennen
       geschossen.
       
       Palmer hatte früh Zweifel am Corona-Lockdown geäußert. Auch [1][im
       Interview mit der taz] hatte er zu bedenken gegeben, dass auch der
       wirtschaftliche Niedergang tausende Armutsopfer fordert. Er schlug vor,
       Risikogruppen in Quarantäne zu schicken und das öffentliche Leben wieder zu
       öffnen. Eine nüchterne, vielleicht allzu kühle [2][Sichtweise, die man aber
       diskutieren kann].
       
       Palmer genügte es aber nicht, einen Beitrag zur Debatte zu leisten. Es geht
       ihm um die größtmögliche Provokation. Im Privatfernsehen [3][spielte er am
       Dienstag Junge gegen Alte] aus, als er sagte: „Wir retten in Deutschland
       möglicherweise Menschen, die in einen halben Jahr sowieso tot wären.“
       
       In seinem Zwang zur Provokation erliegt Palmer einmal mehr der Versuchung,
       vermeintliche Fakten ins Absurde zu überzeichnen und so in Populismus zu
       verkehren. Das tat er schon oft, etwa in der Flüchtlingskrise, als er
       öffentlich über die Herkunft von pöbelnden Radfahrern spekulierte. In
       seinen Beiträgen zur Coronakrise geht er jetzt, anders als der klug
       abwägende Wolfgang Schäuble, schnoddrig über die Sorgen der Menschen und
       den vorhandenen Konflikt zwischen den beiden Grundrechten auf körperliche
       Unversehrtheit und die Würde der Menschen hinweg.
       
       Sensationell genug, zum ersten Mal erkennt Palmer, dass er mit dieser
       Provokation zu weit gegangen ist. Er entschuldigt sich sogar – das wird ihm
       allerdings nicht viel nützen.
       
       Denn diesmal haben sich auch die letzten politischen Weggefährten von ihm
       abgewandt. Vielleicht kann Palmer besser rechnen und Statistiken
       interpretieren als andere Politiker. Aber dafür mangelt es ihm an zwei
       anderen Eigenschaften, die Politiker in Krisenzeiten haben oder wenigstens
       behaupten sollten: Verantwortungsbewusstsein und Empathie.
       
       29 Apr 2020
       
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 (DIR) [1] /Boris-Palmer-ueber-Corona-Quarantaene/!5676475
 (DIR) [2] /Ethische-Fragen-bei-Corona-Behandlung/!5677437
 (DIR) [3] https://www.faz.net/2.1652/boris-palmer-entschuldigt-sich-fuer-umstrittene-corona-aussagen-16746537.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Stieber
       
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