# taz.de -- Andauernde Proteste im Libanon: Gegen das korrupte System > Zum ersten Mal seit der Coronakrise demonstriert Libanons > Protestbewegung. Es gibt Spannungen zwischen schiitischen und > christlichen Milizionären. (IMG) Bild: Demonstrant in Beirut schlägt Tränengaskanister auf originelle Weise zurück BEIRUT taz | In Beirut ist es am Samstagmittag zu den ersten großen Protesten gegen Libanons Regierung [1][seit dem Ausbruch des Coronavirus] und von der Regierung im März erlassenen Ausgangssperren gekommen. Einige Protestierende zündeten ein Polizei-Motorrad und ein Luxushotel an, dessen Markise brannte. Die Polizei vertrieb die Menschen mit Tränengas aus der Innenstadt. Nach Angaben des libanesischen Roten Kreuzes wurden 48 Menschen verletzt, von denen elf im Krankenhaus behandelt wurden. Die Atmosphäre rund um den Märtyrerplatz war zunächst friedlich. Ein Straßenhändler verkaufte Maiskolben, die säkulare Partei Sabaa spielte von einer Bühne aus Musik. Auch wenn der Libanon seit Februar eine [2][neue Regierung] mit Technokrat:innen hat, bekräftigten viele Menschen ihre Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und dem Rücktritt der politischen Elite zu erneuern. „Ich kann nicht atmen, ich will eine neue Regierung“ hatte eine 18-Jährige Demonstrantin auf ihr Plakat geschrieben. „Ich möchte vorgezogene Neuwahlen, die Politiker stehlen unser Geld“, sagte sie der taz. „Wir sind friedlich. Wir kämpfen für unsere Rechte und sind nicht hier, um das Land auf den Kopf zu stellen“, sagte die 40-jährige Sarah Hammoud, die einen rot-weißen Mundschutz mit Aufdruck des Zedernbaumes, das Symbol der libanesischen Flagge, trug. „Aber sie [die Parteianhänger] arbeiten in einem sektiererischen System und dienen nur ihren Anführern.“ Hammoud forderte unter anderem ein neues Wahlrecht. Im Libanon ist die politische Macht nach einem festen Schlüssel zwischen christlichen, schiitischen und sunnitischen Parteien geteilt. Im südlichen Wohnviertel Schiyah kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern schiitischer und christlicher Parteien, bei denen einige in die Luft schossen. Männer kamen mit Schlagstöcken auf die Straße, um ihre Frustration zu entladen. Polizei und Militär trennten die gewaltbereiten Menschen voneinander. Die Straße, die manche Bewohnende heute noch als Trennlinie zwischen der sich als christlich bezeichnenden Nachbarschaft Ain el Remmaneh und des als schiitisch eingestuften Schiyah sehen, galt im libanesischen Bürgerkrieg als Demarkationslinie zwischen Ost- und West Beirut. Sie wird historisch als der Ort eingestuft, an dem 1975 der Bürgerkrieg mit einem Anschlag auf einen Bus begann. „Diese Machtdynamiken haben wir seit dem Beginn [der Proteste] gesehen“, sagte die 30-jährige Celine, die ihren Nachnamen nicht nennen wollte. „Es ist ein Spiel, in das die politischen Parteien uns hineinziehen wollen. Aber wir haben das Bewusstsein, dass sie Menschen manipulieren, um uns zu trennen. Das lassen wir nicht zu. Wir stehen nicht gegen bestimmte Gruppen, sondern gegen gemeinsame Problemen wie Armut, Arbeitslosigkeit und steigende Preisen. Wir müssen uns zusammenschließen.“ 7 Jun 2020 ## LINKS (DIR) [1] /Arabische-Proteste-machen-Corona-Pause/!5674391 (DIR) [2] /Vertrauensvotum-fuer-Regierung-im-Libanon/!5659709 ## AUTOREN (DIR) Julia Neumann ## TAGS (DIR) Protest (DIR) Libanon (DIR) Beirut (DIR) Libanon (DIR) Protest (DIR) Vegetarismus (DIR) Libanon (DIR) Lesestück Recherche und Reportage (DIR) Libanon (DIR) Schwerpunkt Coronavirus ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Explosion in Beirut: Die „Bombe“ war seit Jahren bekannt Im Libanon wusste man seit Jahren von der Gefahr, die im Hafen von Beirut lagerte. Trotzdem ist noch vieles offen. Was wir wissen – und was nicht. (DIR) Währungschaos im Libanon: Gescheiterter Neoliberalismus Nach dem Bürgerkrieg setzten Regierung und Banken auf das Einkommen der Diaspora. Die Pleite ist Folge der hohen Zinsen und teuren Staatsanleihen. (DIR) Corona-Krise im Libanon: Beirut wird vegetarisch Die Corona-Krise sorgt in Libanons Hauptstadt für Stromausfälle und unterbrochene Kühlketten. Das gammelnde Fleisch will niemand. (DIR) Ausbeutung im Libanon: Hausangestellte auf der Flucht Die Wirtschaftskrise im Libanon trifft migrantische Arbeiter:innen besonders hart. Immer mehr Äthiopierinnen wollen nur noch raus aus dem Land. (DIR) Proteste im Libanon: Zurück auf die Straße Der Libanon leidet unter der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, Proteste gab es schon im Herbst. Jetzt flammt die Revolution erneut auf. (DIR) Unruhen im Libanon: Brennende Banken, fallendes Pfund Das libanesische Pfund ist auf ein Rekordtief gefallen, die Lebensmittelpreise gehen durch die Decke. Das hochverschuldete Land ist in Aufruhr. (DIR) Libanon vor dem Staatsbankrott: Im Dollarwahn Zum Start des Fastenmonats Ramadan steigen die Preise für Mehl, Reis und Fleisch an. Grund dafür ist nicht nur Corona, sondern auch die Wirtschaftskrise.