# taz.de -- Google und Apple: Die Macht der Giganten
       
       > Die Corona-App zeigt exemplarisch, warum die Dominanz von Google und
       > Apple dringend gebrochen werden muss.
       
 (IMG) Bild: Gut dass es sie gibt, schlecht wie sie zustande kam: Die Corona-Warn-App
       
       Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten Google und Apple alles
       richtig gemacht. Sie haben mitten in der Pandemie in Kooperation mit
       verschiedenen Ländern und wissenschaftlichen Einrichtungen daran
       gearbeitet, dass es eine funktionierende App zur Verfolgung der Kontakte
       Sars-CoV-2-infizierter Personen gibt. Sie haben, so berichten es
       Politiker:innen und Wissenschaftler:innen, sich dabei kooperativ und
       konstruktiv verhalten. Die beiden Unternehmen haben früh auf eine Lösung
       gesetzt, die gut ist für die Privatsphäre der App-Nutzer:innen. So dürften
       sie einige Regierungen dazu gebracht haben, auf das
       privatsphäre-freundliche dezentrale App-Modell zu setzen.
       
       Hier beginnt das Problem. Nicht weil ein Modell, bei dem die
       Konktaktinformationen an zentraler Stelle zusammenlaufen, besser wäre – im
       Gegenteil. Eine zentrale Zusammenführung würde eine Identifizierung der
       App-Nutzer:innen ermöglichen. Das von Google und Apple unterstützte
       datensparsame Modell ist also das richtige. Aber der Weg ist es nicht. Er
       zeigt geradezu exemplarisch, warum die [1][Marktmacht von Google und Apple
       zu groß] ist – und warum dieses Duopol auf dem Smartphone-Markt dringend
       aufgebrochen werden muss.
       
       Bei der Corona-Nachverfolgungs-App haben Google und Apple gleich zwei Mal
       ihre Marktmacht ausgespielt. Der erster Fall ist die oben skizzierte
       Entscheidung zentrales versus dezentrales Modell. Beide Unternehmen haben
       früh angekündigt, Änderungen in ihren Smartphone-Betriebssystemen
       vorzunehmen, um entsprechende dezentral designte Nachverfolgungs-Apps zu
       unterstützen. Inhaltlich ist das eine gute Entscheidung: Für den Schutz der
       persönlichen Daten ist das dezentrale Modell deutlich besser. Und wer eine
       ernsthaft funktionierende Corona-Nachverfolgungs-App auf den Markt bringen
       will, kommt an dieser technischen Umsetzung nicht vorbei.
       
       Aber: Die Entscheidung für das dezentrale Modell mutet einigermaßen
       willkürlich an. Klar, man könnte unterstellen, die beiden Unternehmen
       hätten dabei nur das Beste im Sinn, zum Beispiel zu verhindern, dass
       [2][autokratische Regime mit der zentralen Datenspeicherung
       Bewegungsprofile erstellen]. Oder auch, dass Google und Apple ein Interesse
       an der Pandemiebekämpfung haben. Und dass diese nun mal umso besser
       gelingen könnte, je mehr Menschen so eine App nutzen, und das ist vor allem
       dann der Fall, wenn das Vertrauen in die App groß ist. Ein
       privatsphäre-freundlicher Ansatz wie die dezentrale Speicherung ist
       geeignet, dieses Vertrauen herzustellen.
       
       Aber auch das – immer noch willkürlich. Wenn Unternehmen, die sonst nicht
       gerade für einen überragenden Schutz der Privatsphäre bekannt sind, auf
       einmal ein datenschutzfreundliches Modell unterstützen, ja sogar technisch
       bindend machen, dann kann das die richtige Konsequenz aus ausnahmsweise
       guten Motiven sein. Was wir aber brauchen, ist: reproduzierbarer Schutz der
       Privatsphäre. Immer. Und nicht nur dann, wenn die maßgeblichen Unternehmen
       es ausnahmsweise mal für richtig halten.
       
       Noch problematischer ist allerdings das API-Problem. API steht für
       application programming interface, das lässt sich mit
       Programmierschnittstelle übersetzen. So eine Schnittstelle wird
       bereitgestellt vom Hersteller des Betriebssystems, also Google oder Apple.
       Programmierer:innen von Apps brauchen sie, um ihre App an das
       Betriebssystem anzudocken. Die API ist also quasi die Wurzel der App in das
       System. Bei der Corona-Nachverfolgungs-App ist die
       Exposure-Notification-API wichtig. Die sorgt zum Beispiel dafür, dass die
       Smartphones die Abstände zu anderen Geräten mit der gleichen oder einer
       kompatiblen App messen und die Werte an die App weitergegeben werden. Diese
       Nähebestimmung ist die Grundlage der Nachverfolgungs-App.
       
       Noch einmal zur Erinnerung: Die deutsche Corona-Nachverfolgungs-App an sich
       ist Open Source. Ihr Quellcode ist veröffentlicht und für alle mit
       Progammierkenntnissen überprüfbar. Wer ausreichend Java spricht, kann sich
       durch den Code wühlen und zum Beispiel nach unerwünschten Zusatzfunktionen
       oder Fehlern Ausschau halten. Sind die Entwickler:innen nicht gewillt,
       diese zu beseitigen, könnte eine unabhängige Entwicklerin einfach eine
       alternative App aus dem Code bauen, zum Beispiel ohne die unerwünschte
       Zusatzfunktion, und diese wiederum als Open-Source-Anwendung
       veröffentlichen.
       
       Im Fall der Corona-Nachverfolgungs-App geht das allerdings nicht. Denn was
       nicht Open-Source ist: die Exposure-Notification-API, also die Wurzel.
       Google und Apple haben die Schnittstelle zwar umfangreich dokumentiert, den
       Quellcode behalten sie aber für sich. Nutzer:innen sind also darauf
       angewiesen, Google und Apple zu vertrauen, dass sie keine unerwünschten
       Funktionen oder folgenschweren Fehler eingebaut haben.
       
       In der Datenschutz-Folgeabschätzung zu der App, die das
       Robert-Koch-Institut als verantwortliche Stelle im Juni herausgegeben hat,
       liest sich das so: „Exakte Funktionsweise unbekannt“. Das klingt schon sehr
       lapidar für eine Gesundheits-App.
       
       Und noch ein weiteres Problem in diesem Kontext: Apple und Google erlauben
       nur einer App pro Land die Nutzung ihrer Schnittstelle und diese App muss
       von der Gesundheitsbehörde herausgegeben werden. Die unabhängige
       Entwicklerin von oben kann sich also viel Mühe geben und aus der
       Open-Source-App eine noch bessere bauen. Aber niemand wird sie nutzen
       können, weil Google und Apple der App keinen Zugriff auf die Schnittstelle
       erlauben.
       
       Ein erster Schritt hin zu einem [3][Aufbrechen des Duopols] könnte also
       genau da ansetzen: in einer Öffnung des Software-Codes und der
       Schnittstellen. Sodass – auch für Apple-Geräte – alternative Apps und
       Betriebssysteme angeboten werden können. Für Qualität und Vielfalt der
       Angebote und auch für die Lebensdauer der Geräte dürfte das nur förderlich
       sein.
       
       21 Jul 2020
       
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