# taz.de -- Rückkehr in Schulen: Kein Plan B
       
       > Am Montag begann in weiteren Bundesländern die Schule. Der Start ins neue
       > Schuljahr ist eine Zitterpartie. Denn ein Plan für den Ernstfall fehlt.
       
 (IMG) Bild: Erster Schultag nach dem Lockdown in Berlin
       
       Nie dauerten die großen Ferien länger, wohl noch nie wurde ein erster
       Schultag so heiß herbeigesehnt wie dieser. Montagmorgen an einer Berliner
       Grundschule: Zum letzten Mal war der Schulhof Anfang März so gut gefüllt.
       Eltern, Schüler:innen, Lehrer:innen versammeln sich an zugewiesenen
       Stellplätzen. „Endlich sieht man mal wieder Kinder hier“, sagt ein Vater.
       
       Am Montagmorgen [1][starteten die Schulen in Berlin], Brandenburg und
       Schleswig-Holstein in den regulären Schulbetrieb. Hinter Schüler:innen,
       Eltern und Lehrer:innen liegen nicht nur sechs Wochen Sommer-, sondern auch
       über drei Monate „Coronaferien“. Insgesamt fünf Monate Betriebspause also.
       
       Die Freude, dass es endlich wieder halbwegs normal losgeht, ist spürbar auf
       dem Berliner Schulhof. In der schwülwarmen Luft liegen aber auch Anspannung
       und Verunsicherung. Was gilt und wie lange werden wir uns hier wohl noch so
       treffen können? In Mecklenburg-Vorpommern, wo das Schuljahr eine Woche
       zuvor begann, sind in den ersten Tagen schon wieder zwei Schulen wegen
       Coronafällen geschlossen worden.
       
       Viele Eltern und Kinder der Berliner Grundschule kommen also trotz
       Sommerhitze mit verhüllten Gesichtern. Eine Lehrerin, deren Schutzmaske
       locker um den Hals baumelt, ruft einer Mutter zu: „Maske gilt erst im
       Schulhaus, Frau Müller.“ Die reißt sich den Stofffetzen herunter: „Gott sei
       Dank, ich dachte schon, alle wären verrückt geworden.“
       
       ## Förderalismus, der verunsichert
       
       Die einen schwören auf die Masken, andere erklären sie zur bloßen Fassade.
       Es herrscht Konfusion. In dem Rahmenplan, den die Kultusminister:innen der
       16 Bundesländer Mitte Juli für den Infektionsschutz an Schulen herausgaben,
       taucht das Wort „Maske“ gar nicht auf.
       
       Jedes Land macht also seins, und das sieht überall anders aus: Mehrere
       Bundesländer darunter Berlin und Brandenburg, haben eine Maskenpflicht im
       Schulhaus angeordnet, andere, etwa Bayern und Nordrhein-Westfalen, gehen
       noch weiter und wollen älteren Schüler:innen auch im Unterricht das Tragen
       einer Maske vorschreiben. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin
       Prien erklärt wiederum, eine solche Pflicht sei weder verhältnismäßig noch
       medizinisch geboten.
       
       Auch die Lehrerorganisationen sind uneins: Der Lehrerverband hält die Maske
       im Unterricht für unabdingbar, die Lehrergewerkschaft GEW sie für
       pädagogisch unsinnig. Und die Eltern? Mit dem Thema lässt sich jeder
       Elternabend sprengen: Wenn’s ums Maskentragen geht, wird es schnell
       persönlich.
       
       Es wäre also trotz Bildungsföderalismus, manche sagen auch
       Bildungswirrwarr, besser gewesen, wenn die Kultusminister:innen
       einheitliche Regelungen gefunden hätten. Weniger aus medizinischen Gründen,
       sondern um die Stimmung in den Schulen zu beruhigen.
       
       ## Kein Plan für eine zweite Welle
       
       Denn die ist angespannt. Die Kakophonie beim Thema Maske ist bezeichnend
       für die Zitterpartie, in die die Schulen gerade starten. Denn die
       Diskussion über eine Maskenpflicht kaschiert nur, dass die Schulsysteme
       nach wie vor nicht gut für eine zweite Coronawelle gerüstet sind. Es gibt
       keinen ausgefeilten Plan B für einen erneuten Lockdown.
       
       Wohl wurden Tausende Leihlaptops verteilt und Schulclouds aufgerüstet. Doch
       weder sind alle Schulen nun mit Breitbandanschlüssen versehen noch alle
       Lehrer:innen versiert im [2][digitalen Unterrichten]. Die Sommerferien
       haben viele Pädagog:innen genutzt, um nach dem ganzen Coronastress endlich
       mal auszuspannen.
       
       Das sei ihnen gegönnt. Doch das heißt auch: Sobald die Infektionszahlen
       ansteigen und [3][die ersten Schulen schließen müssen], wird Unterricht
       wieder im Krisenmodus stattfinden. Es wird darum gehen, alternative
       Stundenpläne aufzustellen und die Kinder zu erreichen, die zu Hause kein
       Internet haben. [4][Die Bildungsungleichheit wird steigen], die
       Wissenslücken werden wieder größer. Irgendwann wird man sich wieder die
       Frage stellen müssen, welches Pensum des Lehrplans überhaupt zu schaffen
       ist, welche Leistungen wie benotet werden können und wie Abschlussprüfungen
       fair gestaltet werden können.
       
       Die Sommerferien hätten alle Verantwortlichen also noch besser nutzen
       müssen: Nicht nur, um Hygienepläne für den Regelbetrieb an den Schulen zu
       schreiben, sondern um Lehrpläne für den Notbetrieb zu entwickeln und
       Lehrer:innen verpflichtend zu schulen. Nun heißt es also: Nach den
       Sommerferien ist vor den Sommerferien.
       
       10 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
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