# taz.de -- Singlefeindliche Mode: Misogyne Mini-Knöpfe
       
       > Der Tag läuft prima an, der Kaffee schmeckt, die Musik läuft. Bis dann
       > ein Knopf ins Spiel kommt, den sich irgend ein Mann ausgedacht haben
       > muss.
       
 (IMG) Bild: Kein Knopf. Hat aber auch seinen Platz in der Geschichte
       
       Letzten Freitag bin ich richtig energisch aufgewacht. Ich war ausnahmsweise
       gut in der Zeit, machte Kaffee und meinen Staubsaugroboter an und stieg
       unter (die am Abend zuvor von mir geputzte) Dusche. F[1][ür etwa sieben
       Minuten oder ungefähr zweimal WAP von Cardi B und Megan Thee Stallion]
       hatte ich das Gefühl, mein Leben extrem im Griff zu haben.
       
       Unter der Dusche fiel mir ein, dass ich am Abend zuvor sogar mein Kleid für
       den nächsten Tag rausgelegt hatte. Wow, ich muss ein Selbsthilfebuch
       schreiben. „Erfolgreich in den Tag starten.“ Oder „Kein Kater, kein
       Problem.“
       
       Ich war richtig stolz auf mich und war mir sicher, dass meine Mutter es
       auch wäre. Eine selbstständige, junge, moderne Frau, die ihr Leben
       vollkommen im Griff hat und ganz sicher keinen Mann braucht. Zur
       Untermalung machte ich Independent Woman Part 1 von Destinys Child an.
       
       ## Und es ging nicht
       
       Ich trocknete mich ab, half meinem Staubsaugroboter über die Schwelle zum
       Wohnzimmer (er war sehr günstig und ist nicht sehr gut und scheitert schon
       an kleinen Hürden) und überlegte, wie lange es wohl dauern würde bis
       irgendein Feuilletonist Staubsaugroboter als die neuen Katzen für einsame,
       Großstadt-Single-Frauen bezeichnet.
       
       Jedenfalls zog ich mein Kleid an, schminkte mich und trank meinen Kaffee.
       Auf dem Weg zur Tür wollte ich den hinteren Knopf meines Kleides zu machen
       und es ging nicht.
       
       Ich verrenkte mich so wie man es macht, wenn man versucht sich den Rücken
       einzucremen oder wenn man sich vor dem Sport dehnt. Es ging einfach nicht.
       Ich konnte den Knopf nicht zu machen. Ich konnte ihn greifen aber mehr ging
       nicht. Der Knopf ist ein kleines, kugelrundes Stück Scheiße, das unmöglich
       durch die dafür vorgesehene Öse passen kann. Ich hampelte noch etwa sieben
       Minuten so rum und wurde immer wütender.
       
       ## Unfassbarer Groll
       
       Dann wollte ich bei meinen Nachbarn klingeln und fragen, ob sie mir helfen
       können, diesen Knopf zuzumachen.
       
       Ich entschied mich dagegen, weil ich dachte, dass es die Grenzen einer
       guten Nachbarschaft überschreitet. „Hey habt ihr zufällig ein bisschen
       Zucker für mich?“ geht irgendwie leichter von den Lippen als „Hey, na?
       Kannst du mir bitte den Knopf meines Kleides zumachen?“. Es ist auch
       irgendwie eine sehr intime Geste. Oder vielleicht haben mir romantische
       Komödien und Pornos falsche Vorstellungen von Intimität vermittelt.
       
       Ich hatte auch keine Zeit mehr, ein anderes Outfit zu suchen. Mit wehendem
       Kleid rannte ich zur Bahn und kam mir vor wie jemand in einem OP-Kittel,
       der aus seiner Klinik ausgebrochen war. Immer wieder fasste ich diesen
       Knopf an und fragte mich, wer zur Hölle so was designed. Es muss ein Mann
       sein.
       
       Im Büro angekommen half mir meine Kollegin schließlich. Seitdem hege ich
       einen unfassbaren Groll auf Knöpfe im Allgemeinen und auf misogyne
       Mini-Knöpfe im Speziellen.
       
       28 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=hsm4poTWjMs
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Dushime
       
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