# taz.de -- Rot-Rot-Grün in Berlin: Ob das noch ein Jahr hält?
       
       > Die rot-rot-grüne Koalition streitet wieder wie vor Corona. Profitieren
       > von einer vorgezogenen Neuwahl könnte vor allem die SPD.
       
 (IMG) Bild: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Hoffnungsträgerin der Berliner SPD
       
       Jeder traut dem anderen nur so weit, wie er ein Klavier schmeißen kann“,
       war mal sehr treffend formuliert über eine Regierung in einem anderen
       Bundesland zu lesen. Viele Jahre ist das her, aber der Satz ließe sich
       problemlos auf den aktuellen Zustand der rot-rot-grünen Berliner Koalition
       übertragen.
       
       Alle paar Tage knallt es bei einem anderen Thema: vorige Woche, als nach
       dem Kopftuch-Urteil der grüne Justizsenator Behrendt seine
       Kabinettskollegin vom Bildungsressort düpierte, weil die neue
       Kopftuch-Regelung für Jura-Referendarinnen nur einige Tage später auf den
       Weg kam. Diese Woche, weil die SPD im Senat auf den letzten Drücker erneut
       das vor einem halben Jahr schon mal gestoppte Klimapaket der grünen
       Senatorin Regine Günther aufhielt – weil angeblich wichtige Dinge fehlten
       und anderes den Sozialdemokraten zu unsozial erschien.
       
       Seit März und auch die Sommerpause hindurch schien die Koalition endlich zu
       funktionieren, ja, zu harmonieren. Regierungschef Michael Müller (SPD) und
       seine beiden Vizes, Klaus Lederer von der Linkspartei und Ramona Pop von
       den Grünen, vermittelten den Eindruck, die Krise gut zu bewältigen. In
       Pressekonferenzen kam tatsächlich der Eindruck rüber, da zögen drei Partner
       an einem Strang.
       
       Nun ist Corona noch lange nicht passé, aber es sieht zumindest so aus, als
       komme Berlin einigermaßen mit der Krise klar. Das lässt deshalb auch wieder
       andere Themen nach vorne kommen – Themen, die bereits vor dem Lockdown für
       viel Streit in der Koalition sorgten. Gerade geht es nicht um Wohnungsbau,
       bei dem SPD und Linkspartei im Dauerclinch lagen, sondern um Verkehr und
       Klimaschutz, wo sich die Sozialdemokraten längst nicht überall mit den
       Grünen einigen können – oder wollen. „Klimakrise“, spottete unter der
       Woche jemand doppeldeutig über den jüngsten innerkoalitionären Streit.
       
       Die Frage ist: Wie viele solcher Auseinandersetzungen hält die Koalition
       noch aus? Vor allem, wenn der inoffiziell längst begonnene Wahlkampf
       hochoffiziell wird? Wann ist der Punkt erreicht, wo die eine oder andere
       Seite schon aus Gründen der Selbstachtung eigentlich sagen muss: bis
       hierher und nicht weiter?
       
       Wobei die SPD von den drei Partnern am ehesten im Verdacht steht, einen
       solchen Bruch bewusst zu provozieren: denn sie könnte mit ihrer
       designierten Spitzenkandidatin Franziska Giffey mutmaßlich am meisten von
       einer vorgezogenen Neuwahl mehrere Monate vor der Bundestagswahl
       profitieren. Bei parallelen Wahlen am selben Tag fürchten viele
       Sozialdemokraten, dass der Boom der CDU auf Bundesebene auf Berlin
       durchschlägt.
       
       Eine solche Strategie aber könnte auch im völligen Absturz münden: Ließe
       sich ein Koalitionsende nicht 100-prozentig schlüssig erklären, stünde die
       verantwortliche Partei als jene dar, die einem Land im Corona-Krisen-Modus
       der Abstandsregeln einen weiteren Wahltermin aufbürdet.
       
       Es läuft darauf hinaus, dass alle die Zähne zusammenbeißen und versuchen
       werden, eben keine Situation entstehen zu lassen, aus der es kein Zurück
       mehr gibt. Keine tollen Aussichten sind das für das letzte Jahr eines
       rot-rot-grünen Bündnisses, das seinen Koalitionsvertrag 2016 mit „Berlin
       gemeinsam gestalten“ überschrieben und darin sogar ausdrücklich „Gutes
       Regieren“ versprochen hat.
       
       12 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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