# taz.de -- Wirtschaftsminister über Klimaschutz: „Wir müssen mehr tun“
       
       > Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hält das Ziel
       > Klimaneutralität bis 2035 für zu ambitioniert und fordert einen
       > Windenergie-Ausbau.
       
 (IMG) Bild: Die lange Trockenheit in den Sommermonaten bringt Landwirte schon jetzt an ihre Grenzen
       
       taz: Herr Althusmann, würden Sie Ihren Kindern erlauben, freitags die
       Schule zu schwänzen, um zu demonstrieren? 
       
       Bernd Althusmann: Bei meinen schulpflichtigen Kindern lege ich da sehr viel
       Wert drauf, dass sie auch am Unterricht teilnehmen. Meine heute 13-jährige
       Tochter hatte einmal den Wunsch, an einer Freitagsdemonstration
       teilzunehmen. Das habe ich ihr dann unter der Bedingung erlaubt, dass das
       Thema später auch im Unterricht erörtert wird. Jeden Freitag fände ich
       problematisch. Das geht auch nach der Schule.
       
       Würde Ihre Tochter dann nicht gegen Ihre eigene Politik auf die Straße
       gehen? 
       
       Nein, weil unsere Politik schon seit Jahren von der Bewahrung der Schöpfung
       geprägt ist. Die Bundesregierung war auch maßgeblich an der Entstehung des
       Pariser Abkommens beteiligt. Außerdem haben wir zahlreiche
       Klimaschutzgesetze verabschiedet und setzen uns bereits seit den
       70er-Jahren mit dem Treibhausgaseffekt auseinander. Mir war immer ein guter
       Ausgleich von Ökonomie und Ökologie wichtig, weshalb ich stark den Ausbau
       der Windkraft vorangetrieben habe.
       
       Laut Pariser Abkommen benötigen wir Klimaneutralität bis 2050. Warum strebt
       Niedersachsen eine Emissionsreduktion von 80 bis 95 Prozent bis 2050
       lediglich an? 
       
       Wir versuchen Schritt für Schritt mehr Klimaschutz zu betreiben und möchten
       in Niedersachsen größtmögliche Klimaneutralität 2050 erreichen. Wir wollen
       mit einer klugen Wirtschaftspolitik, die auf Innovationen setzt, den
       Klimawandel bekämpfen, denn wir wissen natürlich, dass eine Erderwärmung
       von über 1,5 Grad irreversible Schäden an unserem Planeten hinterlässt.
       
       Wie genau ist es mit Gerechtigkeit vereinbar, dass Niedersachsen als
       wohlhabendes Bundesland mit historischer Verantwortung zum gleichen
       Zeitpunkt klimaneutral werden soll, wie jede andere Gegend dieser Erde?
       Müsste das nicht früher sein? 
       
       Wir haben in Niedersachsen einen Ökostromanteil von etwa 50 Prozent, da
       sind wir eines der führenden Länder. Die Klimaziele, die wir uns
       vorgenommen haben, sind erreichbar und mit Innovationen zu erzielen.
       Klimaneutralität bis 2035 – Ihr erklärtes Ziel bei Fridays for Future – ist
       sehr ambitioniert. Ich stimme Ihnen zu, dass wir im Klimaschutz mehr tun
       müssen, aber nicht in der Zeitplanung, da ich glaube, dass wir den
       Strukturwandel, den wir brauchen, nur Schritt für Schritt vornehmen können.
       
       Mit Klimaneutralität 2050 können wir den schlimmsten Folgen der Klimakrise
       nicht mehr entgegenwirken. Wo merkt man sie schon? 
       
       Sie ist bereits in Extremwetterereignissen und hohen Temperaturen
       sichtbar, auch in Niedersachsen. Es ist spürbar, dass wir etwas tun müssen.
       Deshalb haben wir das Klimaschutzgesetz eingebracht. Es ist gerade im
       parlamentarischen Verfahren.
       
       Sie selbst sitzen im VW-Aufsichtsrat. Was wird dort fürs Klima getan? 
       
       VW treibt gerade mit viel Power die Elektromobilität voran.
       
       Damit sich E-Mobilität lohnt, brauchen wir Erneuerbare. Wie ist es zu
       erklären, dass der Windkraftanbieter Enercon Tausende Stellen streicht? 
       
       Der Windkraftausbau ist in den vergangenen Jahren ins Stocken gekommen. Das
       liegt an der bundesweiten Deckelung der Windkraft, gegen die wir uns schon
       öfter eingesetzt haben. Gerade haben wir Tausende von Windkraftanlagen, die
       darauf warten, genehmigt zu werden und dann an Bürgerinitiativen scheitern.
       Wir könnten und müssten den Ausbau der Windenergie stark beschleunigen,
       gerade im Offshore-Bereich.
       
       Wie planen Sie, die Emissionen im Verkehrssektor zu senken, die seit 1990
       immer weiter gestiegen sind? 
       
       Die größten Emittenten der Welt, dazu gehören die USA, China, Russland und
       die EU, haben sich verpflichtet, die Emissionen stark zu reduzieren. Ich
       bin sicher, dass wir es mit technischen Lösungen schaffen können, sie auch
       im Verkehrssektor zu senken. Die Ankündigung von Airbus zur Entwicklung
       klimaneutraler Wasserstoff-Flugzeuge wird den Luftfahrtbereich
       revolutionieren.
       
       Wie können Deutschland und Niedersachsen Vorreiter im Klimaschutz werden? 
       
       In Deutschland beginnen wir zum Beispiel ab 2021 mit der Einführung der
       CO2-Steuer mit dem Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne CO2. Danach wird
       der Preis schrittweise auf bis zu 55 Euro im Jahr 2025 ansteigen.
       
       Die Tonne CO2 kostet folgende Generationen laut Umweltbundesamt 180 Euro. 
       
       Deutschland tut bereits viel fürs Klima, beispielsweise beim Kohleausstieg.
       Aber Deutschland ist auch nicht das einzige Land im Kyoto-Protokoll.
       
       Mit einem Kohleausstieg 2038 wäre Deutschland jedoch das letzte europäische
       Land mit Kohleausstiegsplan, das aus der Kohle aussteigen würde. 
       
       Wir müssen neben dem Kohleausstieg auch den Ausstieg aus der Kernkraft
       organisieren und dabei die Energiesicherheit nicht gefährden. Dieser
       Herausforderung stellt sich kein anderes Land. Die Rettung des Klimas ist
       ein Thema, dem wir uns stellen müssen. Wir brauchen eine Strategie mit
       realistischen Zielen.
       
       Wir müssen uns immer bewusst machen, dass das Klima mehr als nur ein
       politisches Thema ist, sondern die Rettung unserer Lebensgrundlage. 
       
       Annika ist 18 und studiert Politikwissenschaft.
       
       25 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Kruse
       
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