# taz.de -- Streit im Berliner Senat: Müller interveniert beim Tierschutz
       
       > Müller schreitet ein: Der Regierungschef will Spitzenforschung,
       > Coronabekämpfung und Jobs nicht durch Komplett-Verzicht auf Tierversuche
       > gefährden.
       
 (IMG) Bild: Regierungschef Michael Müller (SPD, l.) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne, Mitte) im Plenarsaal
       
       BERLIN taz | Regierungschef Michael Müller (SPD) hat am Donnerstag
       klargemacht, dass Terschutz zulasten von Spitzenforschung und
       Arbeitsplätzen mit ihm nicht zu machen ist. Im Abgeordnetenhaus äußerte er
       sich erstmals öffentlich zum bisher zwischen Justizsenator [1][Dirk
       Behrendt (Grüne) und Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (SPD)
       ausgetragenen Streit]. Die von Behrendt gewünschte Stärkung von
       Tierschützern in der für Versuche zuständigen Kommission wertete Müller als
       „Zwischenstand“ und bloßen „Vorschlag der Justizverwaltung“.
       
       Zuvor hatten erst die Spitzen der Charité und des Robert-Koch-Instituts
       einen mahnenden Brief an die Senatskanzlei geschickt, kurz darauf auch
       Vorstände von Pharma-Unternehmen. Darin heißt es unter anderem: „Sollte
       beabsichtigt sein, Tierversuche im Land Berlin zu unterbinden, wird dies
       zur Folge haben, dass Studien für neue Medikamente, wie zum Beispiel
       Therapien zur Behandlung von Covid betroffenen Patienten, mit sofortiger
       Wirkung gestoppt werden müssten.“
       
       Anlass war zum einen eine Äußerung der von Behrendt eingesetzten
       Tierschutzbeauftragten, wonach Berlin „Hauptstadt der tierfreien
       Forschungsmethoden“ werden soll. Zum anderen tagt die für Tierversuche
       zuständige Kommission seit Anfang September nicht mehr – wegen der noch
       offenen und umstrittenen Neubesetzung mit mehr Tierschützern.
       
       Auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Adrian Grasse sagte Müller, der auch
       Wissenschaftssenator ist und gerne nach der Wahl 2021 Bundesminister für
       dieses Ressort wäre, man müsse mit Tierversuchen zwar „sehr sensibel
       umgehen“, aber auch „Wissenschaft und Wirtschaft“ berücksichtigen. Zwar
       würden inzwischen deutlich weniger Tiere für Versuche gebraucht, aber: „Zur
       Wahrheit gehört auch, dass wir noch nicht in allen Bereichen auf
       Tierversuche verzichten können.“
       
       ## Auch in der Corona-Pandemie wichtig
       
       Aus Müllers Sicht haben fast alle wirtschaftlichen Erfolge Berlins in den
       vergangenen Jahren eine Verbindung zu Wissenschaft und Forschung.
       Unternehmen träfen Investitionsentscheidungen, die mit Arbeitsplätzen
       verbunden seien, weil sie hier eine solche Schnittstelle vorfänden – „und
       wir dürfen nicht riskieren, dass es da zu einem Abbruch kommt.“
       
       Der Regierungschef hob zudem die Bedeutung der Forschung in der Coronakrise
       hervor, dank derer voraussichtlich nach nur 15 Monaten ein Impfstoff zur
       Verfügung steht. „Und das ist eben leider im Moment nur möglich durch den
       Einsatz von Tierversuchen, die in diesen Bereichen unabdingbar sind.“
       
       Behrendt und Staatsekretär Krach hatten sich zuvor heftig attackiert.
       „Natürlich wünschen wir uns alle so wenige Tierversuche wie möglich“, sagte
       Krach am Montag. Aber Wissenschaft sei keine Spielwiese für „Wunschdenken“,
       es gehe auch nicht um Hautcreme, sondern um Krebs und Corona – „da helfen
       Globuli nicht weiter.“ Behrendt soll sich daraufhin bei Müller über Krach
       beschwert haben. Zudem sagte er: „Ich kann mich des Eindrucks nicht
       erwehren, dass Einzelne die Situation nutzen wollen, um hinter die
       Vereinbarungen in der Koalition zugunsten von mehr Tierschutz in der
       Forschung insgesamt zurückzufallen.“
       
       Von einer bereits kolportierten Koalitionskrise wollte Müller im
       Abgeordnetenhaus aber nichts wissen – er habe im Senat „keine andere
       Position gehört“, die von seiner Sichtweise abweicht. Eher wolkig äußerte
       er sich zur Besetzung der Tierversuchskommission: „Wir werden auf dieser
       Grundlage zu einem guten Ergebnis kommen.“
       
       19 Nov 2020
       
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 (DIR) Stefan Alberti
       
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