# taz.de -- Kooperation norddeutscher Hafenbetriebe: „Es herrscht Psychokrieg“
       
       > Die anvisierte Fusion von HHLA, Eurokai und BLG schürt Angst: Die
       > HafenarbeiterInnen bangen um ihre Jobs und um Tariflöhne.
       
 (IMG) Bild: Arbeitsjacken sollten an den Nagel gehängt werden – Jobs nicht
       
       HAMBURG taz | Seit Monaten kursieren unter den Hamburger HafenarbeiterInnen
       von den Unternehmensleitungen geschickt lancierte Planspiele über die
       Zukunft der Hafenarbeit – bis hin zu einem Jobabbau beim Gesamthafenbetrieb
       (GHB). Vorrangiges Ziel dieser Strategie: die Kosten der großen Terminals
       zu drücken.
       
       Ursprünglich wollten Hamburgs HafenarbeiterInnen mit ihren Familien am
       Samstag in der City Alarm schlagen, doch wegen des Lockdowns ist der
       Protest auf der Straße verschoben worden. „Aus Verantwortung für ihre
       Familien und die Öffentlichkeit sowie in Solidarität mit denjenigen, denen
       es in der Coronapandemie schlechter geht, haben die Vertrauensleute
       beschlossen, die Demonstration ins kommende Jahr zu verlegen“, erläutert
       der Hamburger Ver.di-Hafensekretär Stephan Gastmeier die Entscheidung.
       
       Seit Juni dieses Jahres steht es im Raum: Die beiden größten Konkurrenten
       für den Containerumschlag in der norddeutschen Bucht, die Hamburger Hafen
       und Logistik AG (HHLA) und der Branchennachbar Eurokai, der zur
       Eurogate-Gruppe gehört, sowie der Bremer Konkurrent BLG Logistic (Bremer
       Lagerhaus-Gesellschaft) wollen kooperieren. Die „ergebnisoffenen“
       Verhandlungen drehen sich um „Möglichkeiten einer engeren Kooperation im
       Containergeschäft in der deutschen Bucht“, hieß es.
       
       Die weitgehend städtische HHLA ist Marktführerin in Hamburg, die
       Eurogate-Gruppe hingegen in Bremen und Bremerhaven. Das Logistikunternehmen
       betreibt zudem den dahin dümpelnden Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, den
       einzigen deutschen Tiefwasserhafen. 80 Millionen Euro möchte die
       Eurogate-Gruppe einsparen, die HHLA kündigte 50 Millionen Euro
       Kostenreduzierung an.
       
       ## Schweigsame Bosse
       
       Eigentümer von Eurogate ist die Familienholding Eurokai sowie die BLG
       Logistics, an der das Land Bremen beteiligt ist. Alle drei Akteure
       unterhalten Niederlassungen in anderen europäischen Ländern, sind also auf
       demselben Terrain tätig.
       
       Branchenkenner gehen daher davon aus, dass es sogar um eine Fusion der
       Unternehmen gehe, um dem 2010 entstandenen und preisgestaltenden drei
       weltweiten Reederallianzen sowie den europäischen Konkurrenzhäfen Antwerpen
       und Rotterdam Paroli zu bieten. Die drei Reederei-Konsortien bestimmen
       manchmal ad hoc, welche Häfen von ihren Schiffe angefahren werden.
       
       So ist es der Hamburger Reederei Hapag Lloyd, an der die Stadt beteiligt
       ist, vor einem Jahr gelungen, der HHLA besondere Konditionen abzuringen,
       wenn sie ihre Schiffe weiterhin am HHLA-Burchardkai löschen lässt. Die
       CNA-Reederei-Allianz ist sogar ganz von der HHLA zu Eurokai gewechselt.
       
       Doch was die Bosse von HHLA, BLG und Eurogate strategisch tatsächlich
       verhandeln, darüber schweigen sich die Unternehmen aus. Begleitet werden
       die Fusionspläne offenkundig auch von der Politik und den SPD-geführten
       Senaten in Hamburg und Bremen, was zumindest Treffen mit den
       Terminalbetreibern in der Arbeitsgemeinschaft „Deutsche Bucht“
       suggerierten.
       
       Informationen gelangen HafenarbeiterInnen zufolge nur „häppchenweise“ und
       verirrend zu den Belegschaften. Unklar ist, welche Maßnahmen ergriffen
       werden sollen und wer eigentlich das Ruder in der Hand hat. Zugleich werden
       Spekulationen über den Einsatz von Drohnen in der Container-Beförderung
       oder über die Entwicklung von unterirdischen
       Hightech-Containertransportsystemen sowie IT-Containerstraßen verbreitet.
       
       „Es herrscht ein regelrechter Psychokrieg“, sagt ein Hafenarbeiter. Denn
       die angekündigten Pläne seien alle „nicht verifizierbar“, schürten aber
       Angst – und die führe zu Zugeständnissen bei den Tarifen und der Bezahlung.
       „Das Geschrei über zu hohe Löhne und zu gute Arbeitsbedingungen im Hafen
       ist unglaubwürdig“, sagt Hamburgs Ver.di-Hafensekretär Lars Stubbe „Die
       Tarife spiegeln die Wirtschaftskraft der Unternehmen wieder.“ Ver. di werde
       es nicht akzeptieren, dass Geschäftsführungen und Vorstände die Profite der
       Aktionäre durch Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzung sichern, kündigt Stubbe
       an.
       
       Daher lässt die Hiobsbotschaft über den geplanten Jobabbau beim
       Gesamthafenbetrieb in Hamburg die Alarmsirene heulen. Auch betriebsbedingte
       Kündigungen werden bei dem von den Hafenbetrieben durch Umlagen
       finanzierten GHB nicht ausgeschlossen. Der Gesamthafenbetrieb ist die
       Arbeitskraftreserve des Hamburger Hafens mit knapp 1.000 Arbeitsplätzen.
       
       GHBs haben die Hafenunternehmen und die Malocher vor über hundert Jahren
       erfunden. Sie federn die Bedarfsschwankungen in den Hafenbetrieben ab,
       indem sie diesen von Fall zu Fall Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, ohne
       dass sie diese selbst fest einstellen müssen. Dafür haben sich die
       GHB-HafenarbeiterInnen in den vergangenen Jahrzehnten Tarife erstritten.
       
       „Dass der Gesamthafenbetrieb grundsätzlich infrage gestellt wird, müssen
       die Gewerkschaft Ver.di und die Hafenarbeiter als Affront ansehen“, findet
       der Hafenexperte und Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei, Norbert
       Hackbusch. Denn ohne den Hamburger GHB würden Personaldienstleister in den
       Hafen strömen und zu sehr viel schlechteren Bedingungen Arbeitskräfte
       anbieten – ein Horror für die HafenarbeiterInnen.
       
       Daher hat auch die Nachricht über die Insolvenz des
       Gesamthafenbetriebsvereins in Bremen – dem die GHBs in Bremen und
       Bremerhaven angehören – zusätzlich für Verunsicherung gesorgt. Der Verein
       hat vorige Woche Insolvenz in Eigenregie angemeldet, nachdem eine
       Vereinbarung zwischen dem Gesamthafenbetriebsverein und der Gewerkschaft
       Ver.di, die einen Personalabbau und die Verkürzung der Wochenarbeitszeit
       vorsahen, am Betriebsrat gescheitert ist.
       
       „Was sich gerade in Bremen abspielt, stößt auch in Hamburg auf sehr viel
       Interesse, einige haben sogar in Bremen an Aktionen teilgenommen – das war
       früher nicht unbedingt so“ sagt ein Hamburger Hafenaktivist – ein Indiz
       dafür, dass sich die Belegschaften in den Seehäfen des Norden momentan
       einem konzertierten Angriff ausgesetzt sehen.
       
       „Die Beschäftigten im Hamburger Hafen leisten rund um die Uhr eine
       anstrengende und gefährliche Arbeit, die die Versorgung der Menschen in
       Hamburg und Deutschland sicherstellt“, erinnert Natale Fontana,
       Fachbereichsleiter Verkehr bei Ver.di in Hamburg. „Der Umschlag ist nur
       konjunkturell, nicht systematisch geschwächt.“ Die Prognosen zeigten nach
       oben – trotz der Corona-Pandemie.
       
       „Eurogate und HHLA müssen Transparenz über ihre Pläne herstellen und
       gemeinsam mit Gewerkschaft und Senat Maßnahmen gegen Arbeitsplatzabbau
       verhandeln“, fordert Fontana. Ver.di warnt die Hafenwirtschaft davor, die
       Absage der Demonstration als Zeichen der Schwäche zu interpretieren. „Die
       Wut über die Entwicklungen im Hafen ist groß“, ergänzt Ver.di-Sekretär
       Stubbe. „Das wird auch noch Anfang kommenden Jahres der Fall sein.“
       
       18 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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