# taz.de -- Schlechte Arbeitsbedingungen: Senat lässt DozentInnen im Stich
       
       > Verdi kritisiert den rot-rot-grünen Senat, weil der die versprochenen
       > Verbesserungen für VHS-Dozentinnen nicht umsetzt.
       
 (IMG) Bild: Unentbehrlich aber mies bezahlt: Integrationskurs in einer Volkshochschule (hier in Sachsen)
       
       Die Gewerkschaft Verdi fordert den Senat auf, die soziale Absicherung und
       Bezahlung von DozentInnen an Volkshochschulen endlich zu verbessern. Bei
       einem Pressegespräch am Montag verwies André Pollmann, Fachbereichsleiter
       für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung, nicht nur auf den
       Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün, der dies verspricht, sondern auch auf
       einen entsprechenden Parlamentsbeschluss vom vorigen Sommer. Dass der Senat
       diesen nicht umsetze, zeige, dass „der politische Wille möglicherweise
       fehlt“.
       
       Volkshochschulen gelten als wichtige außerschulische Institution im Bereich
       Erwachsenenbildung, insbesondere ihre Deutsch- und Integrationskurse für
       Ausländer sind unverzichtbarer Bestandteil der staatlichen
       Integrationspolitik. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die
       DozentInnen, die ein Hochschulstudium und dazu zahlreiche
       Zusatzqualifikationen, etwa für Deutsch als Fremdsprache, benötigen.
       Bezahlt werden VHS-LehrerInnen, obwohl Beschäftigte des Landes Berlin, als
       Selbstständige aber schlecht. Mit einer Vollzeitstelle kommt man laut Verdi
       auf monatlich nur 1.750 Euro netto.
       
       Zudem können die DozentInnen jederzeit ihre Kurse – und damit ihr Einkommen
       – verlieren. Viele gehen daher laut Gewerkschaft auch krank zur Arbeit, aus
       Angst, den Folgeauftrag zu verlieren. Und alle stehen vor der Altersarmut.
       An den zwölf Berliner Volkshochschulen arbeiten laut Verdi etwa 4.000
       freiberufliche DozentInnen. Davon haben rund 900 einen
       arbeitnehmerähnlichen Status, das heißt, sie verdienen mehr als die Hälfte
       ihres Einkommens oder gar alles bei der VHS. Diese Gruppe leistet rund 63
       Prozent des VHS-Unterrichts.
       
       Exemplarisch für die Situation der arbeitnehmerähnlichen DozentInnen
       schilderte am Montag Ulrike Schätte ihre Situation. Obwohl sie seit 23
       Jahren an der gleichen VHS unterrichte, bekomme sie immer nur
       Kurzzeitverträge für fünf Wochen mit 20 Stunden pro Woche. „Das ist moderne
       akademische Tagelöhnerei“, sagte sie. Zudem seien ihre Stunden wegen Corona
       massiv gekürzt worden, sodass sie im Moment nur rund 500 Euro
       Monatsverdienst habe.
       
       ## Koalition wollte „tarifvertragliche Regelung“
       
       Die rot-rot-grüne Koalition, die sich das Ziel „Gute Arbeit“ auf die Fahne
       geschrieben hat, versprach im Koalitionsvertrag: „Für arbeitnehmerähnliche
       Beschäftigte will die Koalition eine tarifvertragliche Regelung
       abschließen.“ Dazu kam es bis heute nicht. Laut Senat ist ein Tarifvertrag
       für arbeitnehmerähnliche Dozent*innen nicht möglich, weil die
       Tarifgemeinschaft deutscher Länder dies 2017 verweigert habe. [1][Das
       Abgeordnetenhaus forderte daher im Juni den Senat auf,] mit der zuständigen
       Gewerkschaft einen Rahmenvertrag „zur tarifvertragsähnlichen sozialen
       Absicherung auf Landesebene abzuschließen“. Einen solchen gibt es auch in
       Bremen.
       
       Doch auch dies lehnte der [2][Senat in seinem Bericht ans Parlament Ende
       Oktober] ab: ein Rahmenvertrag sei das falsche Mittel. Die
       bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasic, sagte der taz:
       „Ich bin sehr verwundert, dass der Senat offenbar nicht vorhat, dem Willen
       des Parlaments nachzukommen.“ Wie bei der Veranstaltung deutlich wurde,
       stellt sich Lasic mit ihrer Kollegin Regina Kittler (Linke) in dieser Sache
       auf die Seite der Gewerkschaft. Der Senat habe nicht einmal den Versuch
       gewagt, über einen Rahmenvertrag zu verhandeln, sagte sie. Im
       Bildungsausschuss am 21. Januar soll die Finanzverwaltung dazu befragt
       werden.
       
       11 Jan 2021
       
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 (DIR) [1] https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-2514.pdf
 (DIR) [2] https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-3123.pdf
       
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 (DIR) Susanne Memarnia
       
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