# taz.de -- Biden als Präsident vereidigt: Keine Rückkehr zur Normalität
       
       > Zurück zur alten Überheblichkeit darf es nicht gehen. Aber es wäre schon
       > was, wenn es Biden gelingt, den Rassismus etwas weniger akzeptabel zu
       > machen.
       
 (IMG) Bild: Alles eitel jetzt? Das wird man sehen, aber erstmal lässt Joe Biden hoffen
       
       Die USA haben [1][einen neuen Präsidenten]. Endlich. Endlich. Länger schien
       eine Übergangsphase noch nie gedauert zu haben. Dem Vorgänger haben alle
       Versuche, sich im Amt festzukrallen, nichts genutzt. Am Ende war es, als ob
       aus einem Ballon die Luft herausgelassen worden wäre – müde pfeifend, nicht
       etwa mit einem Knall. Es war einfach nicht mehr interessant, was [2][Donald
       Trump noch zu sagen hatte]. There is a new sheriff in town, die Stadt hat
       einen neuen Sheriff. Joe Biden.
       
       Mit ihm tauchen plötzlich fast vergessene Begriffe wieder aus der
       Versenkung auf, schöne Begriffe. Würde. Freiheit. Respekt. Und, natürlich:
       Demokratie.
       
       Nach vier Jahren, in denen blanker Zynismus herrschte, ist das eine
       Erleichterung. Unabhängig davon, ob Einzelne wie Joe Biden oder eine Nation
       wie die USA ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden können: Es ist
       wunderbar, wenn sich Leute mit sehr unterschiedlichen politischen
       Vorstellungen hinsichtlich von Werten auf einen kleinsten gemeinsamen
       Nenner einigen können.
       
       Einerseits. Und nichts spricht dagegen, sich einen Abend lang einfach zu
       freuen. Andererseits: In die Feierlichkeiten hat sich ein altvertrauter Ton
       eingeschlichen, den Liberale in den USA jahrelang aus gutem Grund nicht
       angeschlagen hatten. „Amerika“ – soll heißen: die USA – als Vorbild für die
       Welt, als unangefochtene moralische Instanz.
       
       ## Das Leitbild war immer verlogen
       
       Bitte, können wir das auch künftig hinter uns lassen? Es gibt keine
       Rückkehr zu dem, was jahrzehntelang als „Normalität“ galt. Nämlich zu dem
       Leitbild der Vereinigten Staaten als Ort der idealen Demokratie, innerhalb
       und außerhalb des Landes. Dieses Leitbild war immer verlogen. Wenn es darum
       geht, eine Lehre aus den letzten Jahren zu ziehen, dann die: ein bisschen
       Demut ist angebracht.
       
       Die Demokratie habe gesiegt, behauptete US-Präsident Biden am Fuß der
       überlebensgroßen Statue von Abraham Lincoln. Na ja. Warten wir mal ab.
       
       Immerhin: Die ganzen Feierlichkeiten waren erkennbar von einem Leitmotiv
       getragen. Nämlich dem, dass Rassismus keinen Platz mehr haben soll, haben
       darf in der Gesellschaft. Weiße Künstlerinnen [3][und schwarze Künstler],
       eine Vizepräsidentin, die eine andere Hautfarbe hat als die tonangebende
       Schicht in den Vereinigten Staaten und all das ganz selbstverständlich.
       Ohne Getue. Wunderbar.
       
       Natürlich macht eine Schwalbe – und machen 200 Schwalben – noch keinen
       Sommer. Aber wenn es Joe Biden gelingen sollte, den alltäglichen Rassismus
       in den USA ein bißchen weniger akzeptabel zu machen, dann wäre alleine das
       ein guter Grund, auf der Straße zu tanzen. Denn es hätte wohl eine Wirkung,
       die über die Vereinigten Staaten hinausreichen könnte und würde. So stark
       ist ihr Einfluss eben doch noch immer. Also: hoch die Tassen!
       
       Zumal – und das sollte nicht vergessen werden – sich die rechtsextremen
       Rassisten offenbar doch nicht stark genug fühlten, um einen Angriff auf
       irgendein staatliches Symbol zu unternehmen. Das bedeutet nicht, dass sie
       plötzlich jede Kraft verloren hätten. Aber sie müssen wenigstens kurz nach
       Luft schnappen. Erfreulich.
       
       21 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Joe-Biden-als-US-Praesident-vereidigt/!5745687
 (DIR) [2] /Begnadigung-Steve-Bannons/!5741999
 (DIR) [3] /Inaugural-Poem-von-Amanda-Gorman/!5744435
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024
 (DIR) Kamala Harris
 (DIR) Joe Biden
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024
 (DIR) Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
 (DIR) USA
 (DIR) Schwerpunkt US-Präsidentschaftswahl 2024
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Präsident Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtwechsel in Washington: Kampf der Traumatisierten
       
       Nicht der Effekt ihres Handelns, sondern die emotionale Genugtuung treibt
       die Anhänger Trumps an. Was zählt, ist die Gruppenzugehörigkeit.
       
 (DIR) Mode bei Bidens Amtseinführung: Politics, but make it fashion
       
       Bei der Inauguration von Joe Biden steckte hinter jedem Auftritt ein
       politisches Symbol. Die Outfitwahl so mancher Gäste hat derweil
       Meme-Potenzial.
       
 (DIR) Amtseinführung von US-Präsident Biden: Ungewöhnlicher erster Tag
       
       Joe Bidens Amtseinführung verläuft ohne gewalttätige Zwischenfälle. Von
       einer ganz normalen Zeremonie kann trotzdem keine Rede sein.
       
 (DIR) Neun Stimmen zur Amtsübergabe: Was kommt nach Trump?
       
       Joe Biden ist offiziell im Amt als 46. US-Präsident. Was bedeutet das für
       Menschen in Deutschland? Die taz hat neun Personen angerufen.
       
 (DIR) Promiauflauf bei Bidens Amtsantritt: Glitzer überm Weißen Haus
       
       Donald Trump hatte es damals bei seiner Vereidigung schwer mit der
       Promisuche. Joe Bidens Amtsantritt hingegen feierten gleich eine Reihe
       Megastars.
       
 (DIR) Joe Biden als US-Präsident vereidigt: Beschwören der Einigkeit
       
       Bidens Antrittsrede war eine Selbstvergewisserung, dass die USA noch
       funktionieren. Und ein Gegenentwurf zum Ethno-Nationalismus der letzten
       Jahre.
       
 (DIR) Washington, D.C. vor dem Machtwechsel: Verwandelte Hauptstadt
       
       Wenn Joe Biden an diesem Mittwoch als US-Präsident eingeschworen wird, ist
       alles anders: Kein Jubel, keine Bälle und der Vorgänger hat sich verdrückt.
       
 (DIR) US-Außenpolitik unter Joe Biden: Die äußeren Werte
       
       Der designierte US-Präsident will viele politische Hinterlassenschaften von
       Donald Trump sofort ändern. Aber nicht alles wird zurückgedreht.