# taz.de -- (System-)relevanter Friseurbesuch: Vorhang auf für Verfehlungen
       
       > Irgendwann ist das Alter vorbei, wo man sich selbst die Haare schneidet,
       > dachte unsere Autorin. Dann kam die Lockdown-Langeweile und ein neuer
       > Pony.
       
 (IMG) Bild: In etwa der Hairstyle, den sich unsere Autorin vorgestellt hat: Alexa Chung, 2013
       
       Ich dachte, das Dümmste, was ich seit Corona gemacht habe, war, während des
       ersten Lockdowns wieder mit dem Rauchen anzufangen.
       
       Weit gefehlt, dümmer geht immer. Wenn man sich beispielsweise einbildet,
       nach jahrelanger Ignoranz den eigenen Haaren gegenüber auf einmal einen
       Pony haben zu müssen. Genauer gesagt: Curtain Bangs, an den Seiten länger
       werdende Stirnfransen. Älteren Semestern wird die Frisur vielleicht durch
       Brigitte Bardot ein Begriff oder zumindest optisch geläufig sein. Die
       Französin trug sie wohlgemerkt, bevor sie sich vom gehypten Sexsymbol
       [1][in eine hasserfüllte Rassistin] verwandelte.
       
       Auch weniger kontroverse Prominente schwören auf die Vorhangfransen im
       Gesicht, wie etwa Zooey Deschanel, die den Look spätestens [2][in ihrer
       Serie „New Girl“] prägte, oder die Designerin Alexa Chung. Kennen Sie
       nicht? Auch egal.
       
       Denn hier geht es um mein Haupthaar und die damit verbundene Verfehlung.
       Ja, ich hätte es besser wissen müssen; sich selbst die Haare zu schneiden
       ist keine Lösung. War es schon nicht mit vier Jahren, noch weniger mit 17
       und schon gar nicht mit knapp 30.
       
       ## Haarpflege denen, die es brauchen
       
       Dabei gehöre ich nicht einmal zu den Menschen, die die geschlossenen
       Friseure besonders hart treffen. Anders etwa meine Großmutter, die sich
       seit ihrer Jugend nicht mehr die eigenen Haare gewaschen, geschweige denn
       geföhnt oder geschnitten hat.
       
       [3][Ob man das Haarestylen verlernen kann], sei mal dahingestellt, aber mit
       Mitte achtzig kann die Körperpflege generell ja schon mal aufwendig werden.
       Nun hat meine Großmutter Glück, denn in Österreich, wo sie lebt, durften
       die sogenannten körpernahen Tätigkeiten bereits vor zwei Wochen wieder
       öffnen.
       
       Hierzulande soll es ja am 1. März wieder so weit sein – [4][so ausführlich,
       wie das schon medial besprochen] wurde, dürfte das nun auch jede*r
       mitbekommen haben.
       
       Da ich generell nicht häufig zum Friseur gehe – zweimal im Jahr wäre schon
       ein Rekord –, hätte mich die Aussicht auf diese leichte Form der
       Lockdown-Lockerung eigentlich kaltlassen müssen. Aber die zahlreichen
       Indoorprojekte, mit denen ich mir die freie Zeit bisher vertrieb, reichen
       nicht mehr aus, zu dringlich ist der Wunsch nach Veränderung. Hauptsache,
       irgendetwas Neues zwischen all dem eintönigen Alltag.
       
       ## Zum Friseur, nur weil mensch kann?
       
       So erwischte ich mich schon mit den Fingern der linken an den Haarlängen,
       die leicht angerostete Schere in der rechten Hand, als just in dem Moment
       die Radionachrichten die Wiederöffnung der kopfnahen Tätigkeiten kundtaten.
       Wie ertappt ließ ich Hände und Schere wieder sinken und konzentrierte mich
       aufs Stricken oder Abwaschen oder Kochen.
       
       Stunden später dann aber die Zweifel, ob es unter den gegebenen Umständen
       überhaupt legitim wäre, sich professionell die Haare schneiden zu lassen!?
       Sich und andere gefährden, nur weil es einem die Obrigkeit erlaubt,
       erschien mir dann doch fraglich.
       
       So griff ich, ganz auf meine Mitmenschen bedacht, wieder zur Schere und
       schnitt, ohne weiter nachzudenken, drauflos. Nun ziert also ein recht
       schiefer Pony Stirn und Schläfen, dessen Fransen mir irritierend das
       Sichtfeld einschränken. Um das zu richten, muss ich nun vielleicht doch zum
       Friseur – denn wie Zooey Deschanel oder Alexa Chung sehe ich mit dem
       Vorhang im Gesicht nicht aus. Schon eher wie [5][Olivia Newton-John in
       Grease] – vor Dauerwelle und Lederhose.
       
       Außerdem scheinen sich die Katzen nun vor mir zu fürchten. Sie flüchten
       jedenfalls neuerdings vor dem verhängten Gesicht ihrer Futterspenderin.
       
       25 Feb 2021
       
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 (DIR) Sophia Zessnik
       
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