# taz.de -- Geberkonferenz für Syrien-Kriegsopfer: Lage wird „katastrophal“
       
       > Eine Konferenz sammelt Milliardenzusagen für syrische Hilfsbedürftige
       > inner- und außerhalb des Landes. Der Bedarf steigt schneller als die
       > Hilfe.
       
 (IMG) Bild: „Ein Kampf ums Überleben“: Vertriebenenlager im syrischen Rebellengebiet Idlib, Ende Januar
       
       BRÜSSEL/BERLIN/NEW YORK/BEIRUT afp/dpa/epd/ap | Bundesaußenminister Heiko
       Maas (SPD) hat neue umfangreiche Hilfen für die Opfer des Bürgerkriegs in
       Syrien zugesagt. Die Bundesregierung werde „wieder mit einer substanziellen
       Mittelzusage voranschreiten und andere Länder ermutigen, sich ebenfalls
       großzügig zu engagieren“, sagte Maas am Dienstag vor der Abschlussrunde der
       internationalen [1][Geberkonferenz für Syrien und die Nachbarländer] in
       Brüssel.
       
       Maas forderte eine politische Lösung, den Kampf gegen die Straflosigkeit
       und die [2][Versorgung der Menschen in Syrien und den Nachbarländern]. „Das
       syrische Regime und seine Unterstützer müssen endlich begreifen, dass nur
       ein ernsthafter politischer Prozess eine tragfähige Zukunft für das Land
       bereiten kann“, erklärte Maas am Dienstag mit Blick auf die internationale
       Geberkonferenz in Brüssel. „Scheinwahlen in einem zerstörten Land sind kein
       Ersatz für echte Verhandlungen.“
       
       Zehn Jahre nach Beginn des Konflikts sei und bleibe die Situation der
       Menschen katastrophal. „Die Hälfte der Syrerinnen und Syrer musste vor Tod,
       Zerstörung, Verfolgung und Folter fliehen“, sagte der Minister. Die noch im
       Land verbliebenen Menschen kämpften zusätzlich noch mit den Folgen der
       dramatischen Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie.
       
       Die Brüsseler Konferenz, die am Montag begonnen hatte, soll neue Hilfen für
       die Leidtragenden des Syrien-Konflikts auf den Weg bringen. Die bei der
       Online-Veranstaltung gesammelten Gelder sind unter anderem für
       Nahrungsmittel, medizinische Hilfen und Schulbildung für Kinder vorgesehen.
       Sie sollen über Hilfsorganisationen direkt in das Bürgerkriegsland fließen
       oder Ländern in der Region zugute kommen, die viele Flüchtlinge aus Syrien
       aufgenommen haben.
       
       ## Zusagen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar
       
       Zum Abschluss der zweitägigen Beratungen werden am Dienstag die Zusagen der
       Geber erwartet. Der für Krisenhilfe zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic
       will die Ankündigungen bei der Online-Veranstaltung am Abend bekanntgeben.
       Am Montag standen zunächst Diskussionsrunden zur Lage der Menschen
       insbesondere in den Nachbarländern Syriens auf dem Programm. Die
       eigentliche Geberkonferenz findet dann am Dienstag ab 13 Uhr auf
       Ministerebene statt. An der Veranstaltung nehmen laut EU 77 Delegierte aus
       mehr als 50 Ländern teil.
       
       Die Vereinten Nationen hoffen auf Zusagen in Höhe von zehn Milliarden
       Dollar (8,5 Milliarden Euro). Die Bundesregierung kündigte bereits am
       Montag für Deutschland einen ähnlich hohen Betrag wie 2020 an, als man 1,58
       Milliarden Euro zugesagt hatte. Im vergangenen Jahr waren laut EU für 2020
       insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro und für die Zeit danach rund 2
       Milliarden Euro an Spenden zugesagt worden.
       
       Doch nach Angaben der Hilfsorganisationen wurden nur 45 Prozent der Zusagen
       tatsächlich gegeben. In den Kalkulationen des UN-Welternährungsprogramms
       (WFP) schlägt sich das so nieder: Um alle Bedürftigen versorgen zu können,
       wurden die Essensrationen von 2100 Kalorien am Tag auf 1264 reduziert.
       Statistisch 40 Prozent weniger. Einige betroffene Familien sagen jedoch, es
       sei nur noch die Hälfte Reis im Lebensmittelkorb.
       
       Wegen der Corona-Pandemie wird 40 Prozent mehr Wasser benötigt, aber die
       Finanzierung der Wasserversorgung hält damit nicht Schritt. In einem Brief
       schrieben örtliche Nichtregierungsorganisationen, dass sie möglicherweise
       55 Wasserstationen im von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens
       schließen müssen. 740.000 Menschen würden ihre Wasserversorgung verlieren.
       „Die Lücken sind enorm“, sagt Tue Jakobson von Care International.
       
       ## Fast 60 Prozent der Menschen leiden Hunger
       
       [3][Nach UN-Angaben] litten zuletzt 12,4 Millionen Syrer inner- und
       außerhalb des Landes und damit fast 60 Prozent der Bevölkerung [4][Hunger].
       Die Zahl der Menschen, die ohne Ernährungshilfe nicht überleben können,
       verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Innerhalb Syriens sind mehr als
       die Hälfte der 13,4 Millionen verbliebenen Menschen auf humanitäre Hilfe
       angewiesen – eine Zunahme von 20 Prozent gegenüber 2020.
       
       „Wir haben nicht annähernd genug Geld, all die Hilfe zu geben, die benötigt
       wird“, sagt der stellvertretende UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in
       Syrien, Mark Cutts. „Es ist einfach nur ein Kampf ums Überleben für diese
       Menschen, und oft sind es Frauen, Kinder, ältere und behinderte Menschen,
       die am meisten leiden.“
       
       UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi sagte: „Nach einem Jahrzehnt im
       Exil hat sich die Not der Flüchtlinge durch die erdrückenden Auswirkungen
       der Pandemie, den Verlust von Lebensunterhalt und Bildung, zunehmenden
       Hunger und Verzweiflung verstärkt.“ Die internationale Gemeinschaft dürfe
       „weder den Flüchtlingen noch ihren Gastgebern den Rücken kehren“. Bleibe
       Hilfe aus, werde die Lage „katastrophal“.
       
       Von den mindestens zehn Milliarden Dollar seien 4,2 Milliarden Dollar für
       humanitäre Hilfe in Syrien selbst nötig, erklärten die Vereinten Nationen.
       Weitere 5,8 Milliarden Euro würden gebraucht, um Flüchtlinge in
       Nachbarländern zu unterstützen.
       
       US-Außenminister Antony Blinken hat derweil den UN-Sicherheitsrat für
       dessen Umgang mit Syrien scharf kritisiert. Das Gremium müsse aufhören, aus
       dem Ringen um humanitäre Hilfe eine politische Angelegenheit zu machen,
       mahnte Blinken am Montag. Vielmehr solle der Sicherheitsrat dafür sorgen,
       mehr Grenzübergänge in Syrien für Lieferungen von Lebensmitteln und anderen
       Gütern für 13,4 Millionen notleidende Menschen zu öffnen.
       
       Der Sicherheitsrat dürfe sich nicht länger an Attacken auf Krankenhäuser
       „beteiligen oder diese entschuldigen“, sagte Blinken. Dies gelte auch für
       Angriffe auf Areale nahe dem einzigen noch offenen Grenzübergang aus der
       Türkei, die den Zugang zu humanitärer Hilfe abgeschnitten hätten, sagte er.
       Für die Attacken werden Assad-Truppen und verbündete russische Truppen
       verantwortlich gemacht.
       
       30 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/93313/brussels-v-conference-%E2%80%93-supporting-future-syria-and-region_en
 (DIR) [2] /UN-Sicherheitsrat-und-humanitaere-Hilfe/!5694617
 (DIR) [3] https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/wfp-syria-situation-report-2-february-2021
 (DIR) [4] /Hunger-in-Syrien/!5753524
       
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