# taz.de -- Ungeklärter Ursprung des Coronavirus: Nahrung für die Labor-Theorie
       
       > Ein US-Bericht hat die Debatte über den Ursprung des Coronavirus wieder
       > angefacht. Doch viele Fragen sind noch unbeantwortet.
       
 (IMG) Bild: Wächter vor dem Wuhan Institut für Virologie beim Besuch der WHO-Mission im Februar 2021
       
       PEKING taz | Während bei der Coronapandemie in manchen Ländern bald ein
       Ende abzusehen ist, steht die Staatengemeinschaft bei der Ursprungsfrage
       immer noch am Anfang: Einigkeit herrscht unter Wissenschaftlern nur über
       das wahrscheinlichste Szenario, nach dem das Virus von einer Fledermaus
       über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde.
       
       Ob aber auch ein Laborunfall verantwortlich gewesen sein könnte, ist
       umstritten. Dass diese Labor- oft als Verschwörungstheorie stigmatisiert
       wird, liegt an einem Missverständnis: Sie besagt eben nicht, dass das Virus
       von Menschen kreiert und absichtlich ausgesetzt wurde, sondern nur, dass
       bei legitimen Forschungen an Coronaviren ein Mitarbeiter sich versehentlich
       infiziert haben könnte. Solche Vorfälle sind selten, kommen aber vor.
       
       Angestachelt wird die erneute Debatte nun vom Wall Street Journal, das sich
       auf einen US-Geheimdienstbericht beruft: Demnach haben sich drei
       Mitarbeiter des Instituts für Virologie in Wuhan im November 2019, also
       Wochen vor Bekanntwerden des Virus, mit Covid-typischen Symptomen in ein
       Krankenhaus begeben.
       
       Auf den ersten Blick würde ein Labor-Leck durchaus ins Bild passen, denn
       ausgerechnet in jener Stadt, in der der Erreger erstmals auftrat, befindet
       sich Chinas führendes Institut zur Forschung an Coronaviren.
       
       ## Keine „smoking gun“
       
       Eine „smoking gun“ ist das aber nicht. Denn viele Fragen sind
       unbeantwortet: So könnten die Labormitarbeiter lediglich an einer Grippe
       erkrankt sein. Institutsleiter Yuan Zhiming bezeichnete den Bericht gar als
       vollkommene Lüge.
       
       Auch stammt das zitierte Dokument noch aus der Amtszeit Donald Trumps, der
       die Ursprungsfrage stets [1][mit Halbwahrheiten politisch
       instrumentalisierte]. Und eine Ermittlung seines Außenministers Mike
       Pompeo, der eine Verbindung zu Chinas Biowaffenprogramm beweisen wollte,
       wurde von der Biden-Regierung mangels Fakten umgehend eingestellt.
       
       Tatsächlich sprechen viele Indizien gegen die Labor-Theorie: So begann
       bereits ab Frühling 2019 – also weit vor Ausbruch der Pandemie – ein
       chinesisch-internationales Forscherteam um den Zoologen [2][Peter Daszak],
       der später an der WHO-Mission in Wuhan teilnahm, eine Studie über „Herkunft
       und artübergreifende Übertragung von Fledermaus-Coronaviren in China“.
       
       Damals berichtete auch das Labor in Wuhan über seine Forschung an
       Coronaviren. Es hätte keinen Grund gegeben, über die Existenz von
       Sars-CoV-2 zu lügen.
       
       ## Es braucht weitere Untersuchungen
       
       Doch bleibt es eine Möglichkeit. Deshalb braucht es weitere Untersuchungen.
       Genau dies fordert die US-Regierung: „Wir müssen dem auf den Grund gehen
       und brauchen dafür vollständige Transparenz von China“, sagte Biden-Berater
       Andy Slavitt am Dienstag.
       
       Doch für Peking ist die Sache längst abgeschlossen: Nach einem Jahr ließ
       man überhaupt erst [3][eine WHO-Mission] ins Land und übte nicht nur
       massiven Druck auf sie aus, sondern behielt essenzielle Daten unter
       Verschluss. Wer kritische Nachforschungen anstellt, wird daran gehindert.
       
       Bestes Beispiel ist eine verlassene Kupfermine im Südwesten des Chinas, wo
       unter Fledermäusen ein Virus dokumentiert wurde, das Sars-CoV-2 nahe kommt.
       2012 infizierten sich hier sechs Bergarbeiter mit einer mysteriösen
       Krankheit, an der drei von ihnen starben. Es gäbe also gute Gründe, hier
       nach Anhaltspunkten zum Ursprung des Virus zu forschen.
       
       Dass Chinas Führung auch eine Seuche verschleppen kann, hat sie 2002/03 bei
       der Sars-Epidemie bewiesen: Damals meldeten die Behörden den „Patienten
       Null“ erst drei Monate verspätet an die WHO. Und auch bei Sars-CoV-2 hat
       die Regierung zu Beginn Virusproben zerstört und alarmierten Mediziner
       einen Maulkorb verpasst.
       
       26 May 2021
       
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