# taz.de -- Jair Lapid soll Regierung bilden: Israels vielseitiger Posterboy
       
       > Schauspieler, Boxer, Autor, Moderator: Es gibt kaum etwas, was Jair Lapid
       > nicht schon war. Nun will der 57-Jährige Regierungschef Israels werden.
       
 (IMG) Bild: Nichts als leere Worthülsen? Jair Lapid will Israels neuer Regierungschef werden
       
       TEL AVIV taz | Vom Prime-Time-Moderator zum Politiker – und [1][nun
       möglicherweise zum Ministerpräsidenten Israels]. Am Mittwochabend hat
       Staatspräsident Reuven Rivlin den 57-jährigen Jair Lapid beauftragt, eine
       neue Regierung zu bilden. Lapids Zukunftspartei hatte bei der
       Parlamentswahl im März die zweitmeisten Sitze in der Knesset gewonnen.
       
       Als Journalist, Romanautor und Schauspieler, vor allem aber als Kolumnist
       und Moderator, hat Lapid es in Israel zu großer Bekanntheit gebracht, bevor
       er 2012 in die Politik ging.
       
       Mit den Wendungen in seiner Karriere tritt der Bohemien in die Fußstapfen
       seiner in Israel bekannten Eltern. Sein Vater, Yosef „Tommy“ Lapid, fing
       ebenfalls als Journalist an, wurde dann Justizminister und
       Vize-Ministerpräsident. Seine Mutter Shulamit Lapid ist mit ihren Krimis
       auch im deutschsprachigen Raum bekannt.
       
       Die Kamera liebt den braungebrannten Jair Lapid mit seinem siegesgewissen
       Lächeln, der in seiner Zeit als Journalist auch Amateurboxer war. Bei
       Wahlen, so witzelt man in Israel, gewinnt Lapid überdurchschnittlich viele
       Stimmen von Frauen. Viele glaubten, seine neue Zukunftspartei würde schnell
       wieder von der Bildfläche verschwinden, doch Lapid mit seiner
       Hartnäckigkeit machte sie stattdessen zu einer ernstzunehmenden Alternative
       zu anderen Parteien.
       
       Eine Frage hat Lapid im Laufe seiner Karriere als Journalist ins Zentrum
       gestellt: Acht Jahre lang stellte er in seiner nach ihm benannten Talkshow
       seinen Gäste zum Schluss dieselbe Frage: „Was ist in Deinen Augen
       israelisch?“ Die Suche nach dem, was die Israelis gemeinsam haben, prägt
       auch seine Politik.
       
       ## Image eines aufrechten Politikers
       
       Von Anfang an hat Lapid sein Image als Mann der Mitte gepflegt. Auch jetzt
       betont er immer wieder, dass er ein Ministerpräsident für alle Israelis
       sein will und eine israelische „Einheitsregierung“ bilden möchte: „keine
       rechte, keine linke Regierung“.
       
       Lapid, der unter Benjamin Netanjahu einst Finanzminister war (was mit bösem
       Blut endete), ist bei den letzten vier Wahlen mit dem Vorsatz angetreten,
       Netanjahu abzulösen. Und er bliebt standhaft – anders als sein damaliger
       Blau-Weiß-Partner Benny Gantz, der entgegen seinem Wahlversprechen im März
       2020 einer Regierungskoalition mit Netanjahu beitrat. Sein Image eines
       aufrechten Politikers konnte Lapid damit stärken.
       
       Wenn etwas über das Lapids Programm klar ist, dann ist es sein Bemühen, ein
       säkulares Israel in Frontstellung zur Ultraorthodoxie zu stärken. Die
       meisten Israelis werden sich außerdem an einen rassistisch anmutenden
       Fauxpas aus dem Jahr 2013 erinnern. Lapid sagte damals, er wolle sich nicht
       auf „Soabis“ verlassen – eine Anspielung auf die damalige
       Knessetabgeordnete der nationalistisch-arabischen Partei Balad, Hanin
       Soabi, die 2010 an der Gaza-Flottille an Bord des Schiffes Mavi Marmara
       teilgenommen hatte.
       
       Ansonsten bleiben Lapids Vorstellungen schwammig – etwa zum Friedensprozess
       mit den Palästinenser*innen oder zur Finanzpolitik.
       Kritiker*innen werfen ihm vor, ein Posterboy zu sein und leere
       Worthülsen zu verwenden.
       
       2016 ging angesichts einer Schwedenreise von Lapid [2][ein satirisches
       Quiz] viral, das Aussagen eines Ikea-Katalogs Bemerkungen Lapids
       gegenüberstellte. Man sollte raten, von wem die jeweiligen Aussprüche
       stammten. Um es positiv zu wenden: Vielleicht braucht es gerade diese
       inhaltliche Unschärfe, um in Israel eine Brücke von rechts nach links zu
       schlagen.
       
       Möglich allerdings ist, dass Lapid noch warten muss, bevor er
       Ministerpräsident wird – selbst wenn es ihm innerhalb der nächsten Wochen
       gelingt, eine Regierung zu bilden. In einer möglichen Koalition mit der
       Jamina-Partei von Naftali Bennett, könnte er diesem ein „Rotationsmodell“
       anbieten und ihm zunächst den Vortritt als Ministerpräsident lassen, bevor
       er ihn dann nach eineinhalb oder zwei Jahren ablöst.
       
       6 May 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Regierungsbildung-in-Israel/!5770251
 (DIR) [2] https://www.jpost.com/not-just-news/snack-bites/who-said-it-yair-lapid-or-the-ikea-catalog-468458
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jair Lapid
 (DIR) Israel
 (DIR) Benjamin Netanjahu
 (DIR) Regierungsbildung
 (DIR) Netanjahu
 (DIR) Israel
 (DIR) Israel
 (DIR) Israel
 (DIR) Schwerpunkt Korruption
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Regierungsbildung in Israel: An Bibi vorbei
       
       Die Ablösung von Israels Ministerpräsident Benjamin „Bibi“ Netanjahu wird
       wahrscheinlicher. Doch das neue Bündnis muss ideologische Gräben
       überwinden.
       
 (DIR) Regierungsbildung in Israel: Aus der Zauber
       
       Israels Ministerpräsident ist es nicht gelungen, eine neue Regierung zu
       bilden. Dies könnte das Ende der langen Ära Benjamin Netanjahu besiegeln.
       
 (DIR) Regierungsbildung in Israel: Zum vierten Mal gescheitert
       
       Für Regierungschef Benjamin Netanjahu ist die Frist zur Bildung einer
       Regierung verstrichen. Eine fünfte Neuwahl ist nicht ausgeschlossen.
       
 (DIR) Benjamin Netanjahu vor Gericht: Korruption und Machtmissbrauch
       
       Im Korruptionsprozess um Israels Ministerpräsident beginnen die
       Zeugenbefragungen. Die Anklägerin spricht von massivem Missbrauch und
       soliden Beweisen.