# taz.de -- Gewalt in Israel: Mehrere Verletzte und Festnahmen
       
       > Erneut ist es zu Gewalt in Jerusalem gekommen. Rund 90
       > Palästinenser*innen wurden verletzt. Der Konflikt sorgt
       > international für Reaktionen.
       
 (IMG) Bild: Nacht auf Sonntag: Muslim*innen beten vor dem Felsendom auf dem Tempelberg
       
       JERUSALEM dpa/afp/taz | Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit
       israelischen Sicherheitskräften sind in der Nacht zum Sonntag in
       Ost-Jerusalem erneut rund 90 Palästinenser*innen verletzt worden. 16
       von ihnen seien ins Krankenhaus gebracht worden, berichtete der israelische
       Rundfunk unter Berufung auf palästinensische Sanitäter*innen.
       
       Ein israelischer Polizeisprecher sagte am Sonntag, es sei sowohl am
       Damaskustor – einem der Eingänge zur Altstadt – als auch im Bereich des
       Tempelbergs (Al-Haram al-Scharif) zu Konfrontationen gekommen. Es gab
       mehrere Festnahmen. Auf dem Tempelberg versammelten sich mehr als 90.000
       gläubige Muslim*innen zum Ende des [1][Fastenmonats Ramadan] zum Gebet.
       
       In der Nähe des Damaskustors bewarfen palästinensische Demonstranten die
       Sicherheitskräfte nach Polizeiangaben mit Steinen, Flaschen und
       Feuerwerkskörpern. Die Polizisten setzten nach Medienberichten
       Gummigeschosse, Tränengas und Blendgranaten ein.
       
       Am Samstagabend wurde zudem erneut eine Rakete aus dem Gazastreifen über
       die Grenze nach Israel geschossen, woraufhin die israelische Luftwaffe nach
       eigenen Angaben einen militärischen Posten der islamistischen Hamas
       attackierte, die in dem abgeschotteten Küstengebiet herrscht.
       
       [2][Bereits in der Nacht zum Samstag war die Lage rund um die Altstadt und
       das Viertel Scheich Dscharrah eskaliert.] Von mehr als 200 Verletzten war
       danach die Rede, die Polizei sprach von knapp 20 Sicherheitskräften, die im
       Einsatz verletzt worden seien.
       
       Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist
       seit Wochen angespannt. Viele Palästinenser*innen sind zornig, weil
       die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu
       verhindern.
       
       ## Hotspot Scheich Dscharrah
       
       Außerdem drohen einigen palästinensischen Familien im Jerusalemer Stadtteil
       Scheich Dscharrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden. Mehrere
       Familien müssen damit rechnen, dass sie von den israelischen Behörden aus
       ihren Wohnungen vertrieben werden. Scheich Dscharrah liegt im Ostteil
       Jerusalems, den Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1980 annektiert
       hatte. Die Annexion wird international nicht anerkannt.
       
       Anfang des Jahres hatte Jerusalems Bezirksgericht entschieden, dass die
       Häuser von vier palästinensischen Familien in Scheich Dscharrah rechtmäßig
       jüdischen Familien gehört. Insgesamt droht damit mehr als 30 Palästinensern
       die Vertreibung.
       
       Nach israelischem Recht können jüdische Israelis vor Gericht ziehen, um
       ihren Besitzanspruch auf Häuser in Scheich Dscharrah anzumelden, wenn ihre
       Vorfahren vor dem arabisch-israelischen Krieg (1948-49) im Besitz der
       Grundstücke in Ost-Jerusalem waren. Für Palästinenser, die ihr Eigentum
       ebenfalls infolge des Kriegs verloren haben, gibt es kein solches Gesetz.
       
       Jordanien, das Ost-Jerusalem bis 1967 kontrollierte, hatte sich im April in
       den Fall eingeschaltet, um das Bleiberecht der Familien mit Hilfe alter
       Dokumente zu untermauern. Demnach waren Häuser ursprünglich im Besitz der
       jordanischen Behörden und an anerkannte palästinensische Flüchtlinge
       vermietet worden.
       
       Israels Oberstes Gericht muss nun entscheiden, ob die palästinensischen
       Familien gegen das Urteil Berufung einlegen können. Wann es seine
       Entscheidung bekannt geben wird, ist derzeit offen. Scheich Dscharrah hatte
       in den letzten Wochen international, besonders aber in arabischen Ländern,
       für Schlagzeilen gesorgt.
       
       Nach Auffassung der Palästinenser*innen ist der Fall Teil einer
       breiteren Kampagne, um sie aus Ost-Jerusalem zu vertreiben. Dort leben
       derzeit über 210.000 [3][israelische Siedler*innen] und mehr als 300.000
       Palästinenser*innen. Israel hat ganz Jerusalem zu seiner „unteilbaren“
       Hauptstadt erklärt, während die Palästinenser Ost-Jerusalem zur Hauptstadt
       ihres eigenen Staats machen wollen.
       
       ## Kritik von Erdogan und der EU
       
       Die EU verurteilte die jüngsten Gewaltausbrüche in Jerusalem. Gewalt und
       Anstiftung zu Gewalt seien inakzeptabel, erklärte ein Sprecher des
       EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Samstag in Brüssel. Die
       Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Europäische
       Union fordere die Behörden auf, unverzüglich zu handeln, um die derzeitigen
       Spannungen zu entschärfen. Politische, religiöse und kommunale Führer
       müssten alles tun, um die instabile Lage zu beruhigen.
       
       Konkret kritisierte der Sprecher auch die Vertreibung der palästinensischen
       Familien aus Scheich Dscharrah und anderen Teilen Ost-Jerusalems. „Solche
       Aktionen sind völkerrechtswidrig und dienen nur dazu, Spannungen (…) zu
       schüren“, sagte er. Die Lage soll am Montag auch Thema bei einem Treffen
       der EU-Außenminister in Brüssel sein.
       
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel angesichts
       der Zusammenstöße in Jerusalem am Samstag als „Terrorstaat“. Das „grausame
       Israel, der Terrorstaat Israel“ greife „brutal und unmoralisch“ Muslime in
       Jerusalem an. Er rief die Vereinten Nationen, die Organisation für
       islamische Zusammenarbeit und weitere internationale Organisationen dazu
       auf, aktiv zu werden. Eine Welt, die Jerusalem und die Muslime nicht
       schützen könne, habe sich selbst verraten, sagte Erdogan.
       
       Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist sowohl die
       drittheiligste Stätte im Islam als auch im Judentum von größter Bedeutung,
       weil dort früher zwei jüdische Tempel standen, von denen der letzte im Jahr
       70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes
       zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.
       
       9 May 2021
       
       ## LINKS
       
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