# taz.de -- 20 Jahre Rat für Nachhaltige Entwicklung: Konsens über die Öko-Revolution
       
       > Der Nachhaltigkeitsrat und die Wissenschaftsakademie legen Ideen zur
       > Klimaneutralität vor: Ziel sei schneller Umbau mit sozialem Ausgleich.
       
 (IMG) Bild: So sieht das aus: Vorrang für Fuß- und Radverkehr
       
       BERLIN taz | Der Plan fordert nichts anderes als eine Öko-Revolution:
       Viermal so viel Grünstrom wie derzeit; einen CO2-Preis für Gebäude und
       Verkehr, der etwa doppelt so hoch liegt wie heute; ein Mobilitätsangebot,
       „das dem Rad-, Fuß- und öffentlichen Nahverkehr Vorrang gewährt“ und
       Subventionen für fossile Kraftstoffe beendet; eine Landwirtschaft, die für
       ihre Treibhausgase zahlt; mehr Steuergeld für neue Stromnetze und
       Wasserstoff, für internationale Klimahilfen und eine Rückzahlung der
       CO2-Einnahmen an die BürgerInnen.
       
       Nein, das ist nicht das grüne Wahlprogramm. Sondern das sind die
       Kernforderungen aus dem [1][Positionspapier „Klimaneutralität“], das der
       Rat für nachhaltige Entwicklung (RNE) und die Nationale Akademie der
       Wissenschaften Leopoldina bei der RNE-Jahresversammlung am Dienstag
       vorgelegt haben. Das Papier soll „die Augen öffnen für die Dimension“ der
       Aufgabe, Deutschland klimaneutral zu machen, sagt der RNE-Vorsitzende
       Werner Schnappauf. Das Gremium mit VertreterInnen aus Wirtschaft, Politik
       und Gesellschaft berät die Regierung und feierte sein 20-jähriges
       Dienstjubiläum mit Gästen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem Vizechef
       der EU-Kommission Frans Timmermans und einem Grußwort des
       US-Klimabeauftragten John Kerry.
       
       Das gemeinsame Papier von Wissenschaft und Gesellschaft ist ein Signal zu
       Beginn des Wahlkampfs: Der Umbau zur Klimaneutralität brauche eine
       „wissenschaftliche Expertise für die Entscheidungen der Politik“, so der
       ehemalige bayerische CSU-Umweltminister Schnappauf. Nach [2][Thinktanks wie
       der Agora], nach [3][Fridays for Future] und dem Industrieverband BDI komme
       nun durch den RNE eine „gesamtgesellschaftliche Perspektive auf das Thema“,
       ergänzt durch die Expertise der Wissenschaft.
       
       Man wolle sich in den Wahlkampf nicht direkt einmischen, aber Hinweise für
       den nächsten Koalitionsvertrag liefern, denn „die Königsdisziplin ist die
       Umsetzung“. Leopoldina-Chef Gerald Haug erklärte, es sei wichtig zu zeigen,
       wie dringlich jetzt Handeln sei. Aber in der Klimaneutralität lägen auch
       große technologische und ökonomische Chancen.
       
       ## Umbau für Klimaneutralität muss schnell gehen
       
       Dem „Optionspapier“, wie Schnappauf sagt, merkt man an vorsichtigen
       Formulierungen an, dass sich hier 30 Ratsmitglieder mit diversen
       Hintergründen und die WissenschaftlerInnen der Leopoldina einigen mussten.
       Trotzdem richtet es klare Forderungen an die nächste Regierung: Der Umbau
       zur Klimaneutralität müsse schnell gehen, die Politik müsse für den
       sozialen Ausgleich sorgen – und Unternehmen und BürgerInnen bräuchten
       Planungssicherheit, wohin die Reise geht. Grünstrom brauche man „viel mehr,
       viel schneller, viel günstiger“, von der Energiewende müssten viel mehr
       BürgerInnen und Kommunen profitieren, Klimaschutz solle kommunale
       Pflichtaufgabe werden, aus „passiver Akzeptanz solle aktive Teilhabe“
       werden.
       
       Zwischen den Zeilen wird es noch deutlicher: „Technologieoffenheit“ sei
       grundsätzlich schön, dürfe aber nicht zur Ausrede fürs Nichtstun werden; in
       der Energiepolitik seien Wind und Sonne und grüner Wasserstoff der Weg. Der
       Umbau fordere in Deutschland etwa 180 Milliarden Euro im Jahr brutto an
       neuen Investitionen, von denen aber etwa 100 Milliarden ohnehin getätigt
       würden. Der derzeit umstrittene CO2-Preis für Verkehr und Gebäude solle
       sich dem Preis im europäischen Emissionshandel angleichen, der gerade bei
       etwa 50 Euro die Tonne CO2 liegt.
       
       Deutschland solle deutlich mehr für internationalen Klimaschutz ausgeben,
       einen Schuldenerlass für die armen Staaten unterstützen und mit einem
       „Staatsfonds“ das Management des Bundesvermögens an den Klimazielen
       ausrichten. Im Wettbewerb mit den USA und China habe Europa nur ein paar
       Jahre Vorsprung, um neue Märkte, Jobs und Wohlstand zu sichern.
       
       ## Selbstkritische Kanzlerin
       
       Angela Merkel hat als Kanzlerin keine Jahrestagung des Rats versäumt. Sie
       dankte bei ihrem letzten Auftritt dem Gremium und erinnerte daran, dass die
       UNO ein „Jahrzehnt des Handelns“ zur Nachhaltigkeit ausgerufen hat. „Was
       wir bisher tun, reicht schlichtweg nicht aus“, meinte Merkel
       selbstkritisch. In Deutschland sei die Idee der Nachhaltigkeit allerdings
       so weit verbreitet wie noch nie, sie pries die 80 Milliarden an
       klimarelevanten Covid-Hilfen und das Sofortprogramm Klimaschutz ihrer
       Regierung.
       
       Die Kanzlerin stellte aber auch fest, dass Deutschland bei 18 von 75
       Nachhaltigkeitszielen deutlich hinter den Zielen zurück sei und 7
       Indikatoren sogar in die falsche Richtung gingen, etwa beim CO2-Ausstoß des
       privaten Konsums. Und sie vererbt der nächsten Regierung die
       Bund-Länder-Initiative „Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“ für neuen
       Schwung, die im Frühjahr 2022 starten soll.
       
       8 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.nachhaltigkeitsrat.de/wp-content/uploads/2021/06/RNE_Leopoldina_Positionspapier_Klimaneutralitaet.pdf
 (DIR) [2] /Studie-zu-Klimaneutralitaet-bis-2050/!5720522
 (DIR) [3] /Klimaziele-und-Wirtschaftswachstum/!5718595
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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