# taz.de -- Uni forscht drauf los
       
       > Die Uni Bremen hat seit letzter Woche ein neues Institut für
       > Sozialpolitikforschung. Grundlagenforschung will man hier machen – und
       > das möglichst interdisziplinär
       
 (IMG) Bild: Schiller, die Humboldt-Brüder, Goethe (v. l.) – selbst Universalgelehrte brauchen interdisziplinären Austausch
       
       Von Mahé Crüsemann
       
       Die Zukunftsthemen der Sozialpolitik sollen in Bremen gefunden, erkundet
       und verhandelt werden: Die Uni hat – zusammen mit der Uni Duisburg-Essen –
       seit vergangener Woche ein neues Institut, das Deutsche Institut für
       Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (Difis). „Die Idee ist, dass wir
       der Zeit hoffentlich immer ein Stückchen voraus sind“, sagt Frank
       Nullmeier.
       
       Er ist Politikwissenschaftler am „Socium – Forschungszentrum Ungleichheit
       und Sozialpolitik“ der Universität Bremen. Mit Ute Klammer, Professorin an
       der Universität Duisburg-Essen, leitet er das Institut in Zukunft.
       Verschiedene Fachbereiche sollen in Zukunft zusammenarbeiten. Nicht nur
       Politikwissenschaftler sind gefragt – man wolle sich auch über
       Disziplingrenzen hinaus vernetzen, sagt Nullmeier.
       
       Mit rund 8 Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Arbeit und
       Soziales (BMAS) den Aufbau und die Forschung – zunächst für fünf Jahre.
       Seit 2016 ist die Uni Bremen bereits Teil des Fördernetzwerks
       Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (FIS). Mit der Einrichtung soll
       vor allem der Nachwuchs an deutschen Hochschulen gefördert werden. Junge
       Wissenschaftler:innen sollen sich im Feld der Sozialpolitikforschung
       etablieren können und frei forschen. „Vor etwa fünf Jahren gab es in der
       Sozialpolitikforschung eine Art Aufschrei“, sagt Frank Nullmeier. Immer
       weniger Sozialpolitikforscher:innen habe es gegeben. „Daraufhin hat der
       Bund die Gründung des FIS initiiert.“ 
       
       Mit dem neuen Institut geht man noch einen Schritt weiter. Mit dem Difis
       sollen sich die einzelnen Forschungsbereiche jetzt zusätzlich besser
       vernetzen: „Das FIS bleibt genau so bestehen, wie es jetzt ist“, sagt
       Nullmeier. Es werde sogar eine weitere Förderung und neue Projekte geben.
       „Wenn das FIS dann aber Projekte fördert, sollen sie auch voneinander
       wissen und in die Öffentlichkeit gehen.“ Und das übernehme dann das Difis.
       
       Das sei aber nur eine der Aufgaben des neuen Instituts, sagt er. In Stufe
       zwei wolle man für drei Jahre auch in die praktische Forschung gehen. Es
       gebe bereits sechs Schwerpunktideen – alle sind auf Interdisziplinarität
       ausgerichtet. Jetzt, zu Corona, sei etwa deutlich geworden, wie sehr ein
       Sozialstaat seine soziale Infrastruktur brauche, sagt Nullmeier. Erforscht
       sei das bisher noch nicht so richtig.
       
       „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nicht nur Anwendungsforschung am
       Difis betreiben werden, sondern dass mit etwas Abstand auch größere Themen
       wie Demografie oder auch das Zusammenspiel von Ökologie und Sozialpolitik
       eine große Rolle bei der Forschung spielen werden“, sagt Cornelius Torp,
       Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bremen und
       Gründungsmitglied des Difis. 
       
       In erster Linie gehe es darum, sich Dinge aus einer anderen Perspektive
       anzuschauen. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal des neuen Instituts. „So
       kommen dann möglicherweise Themen auf, die die Politik noch gar nicht auf
       dem Schirm hat“, sagt Torp.
       
       Aber besteht nicht die Gefahr, dass ein Forschungsinstitut, das von der
       Politik gefördert und finanziert wird, einem starken inhaltlichen Einfluss
       ausgesetzt ist? Frank Nullmeier versichert: Das werde auf die Ausrichtung
       der Forschung keinen Einfluss haben. „Die Themensetzung liegt komplett bei
       uns, wir sind ganz und gar unabhängig.“ 
       
       Förderung unabhängiger Forschung sei eigentlich Aufgabe des
       Bundesforschungsministeriums. „Dass ein Bundesministerium wie das BMAS
       unabhängige Forschung fördert, ist etwas Besonderes“, sagt Nullmeier.
       „Sonst ist es meist nur Auftragsforschung, zu konkreten Fragestellungen“,
       sagt er. „Wir können jetzt allerdings richtig drauflosforschen.“
       
       Dass Bremen bei der Gründung des neuen Instituts ausgewählt wurde, liegt
       laut Frank Nullmeier daran, dass die Hochschulen hier jetzt schon breit zum
       Thema Sozialpolitik forschen. In Bremen werde schon jetzt versucht, Themen
       wie Ungleichheit flächendeckend zu analysieren. „Bei der Ausschreibung für
       die Förderung zur Gründung haben wir gegen Berlin gewonnen“, sagt der
       Politikwissenschaftler. „Das ist natürlich ein gutes Zeichen für unsere Uni
       hier in Bremen.“
       
       Bei der Suche nach einer geeigneten Partner-Uni für die Institutsgründung
       habe man nach Hochschulen gesucht, die in der Sozialpolitikforschung
       ähnlich gut aufgestellt seien – und doch etwas ganz eigenes beitragen
       können. „Die Uni in Duisburg-Essen arbeitet in der Sozialpolitikforschung
       etwas anwendungsnaher als Bremen“, sagt Nullmeier. Das ergänze sich sehr
       gut.
       
       18 Jun 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mahé Crüsemann
       
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