# taz.de -- Olympia in Tokio als Brennglas: Mehr als bloße Spiele
       
       > Olympia 2021 hat nicht nur deutsche Medaillen zu bieten. Im Mittelpunkt
       > der Sommerspiele stehen schöner Sport, berührende Gesten – und viel
       > Politik.
       
 (IMG) Bild: Politische Geste: US-Athletin Raven Saunders in Tokio
       
       Bei Olympia werden Geschichten erzählt und es wird Geschichte geschrieben.
       Meistens geht es um den Sport. Es geht aber auch um Politik. Es ist ein
       Weltereignis, das mehr zu bieten hat als Gold für Deutschland. Zweimal gab
       es das am Dienstag, im Weitsprung und im Bahn-Vierer. In den
       öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen wird besonders laut gejubelt, wenn
       Deutsche Edelmetall gewinnen. Man soll sich mitfreuen. Wer’s mag – bitte
       sehr.
       
       Der Jubel muss ja nicht gleich so exzessiv sein wie der des Italieners
       Gianmarco Tamberi, der am Sonntag überraschend Olympiasieger im Hochsprung
       geworden ist. Dessen Jubel hat Menschen in der ganzen Welt Tränen in die
       Augen getrieben. Die Macher der Spiele vom Internationalen Olympischen
       Komitee werden sich über die Bilder auch gefreut haben. Sie stricken gerade
       an einer Geschichte vom großen Sportsgeist, weil der Katarer Hochspringer
       Mutaz Essa Barshim, der ebenso gut gesprungen war, auf ein Stechen um den
       Sieg verzichtet hatte. So konnten sich beide eine Goldmedaille um den Hals
       hängen. Die Botschaft: So schön kann Sport sein.
       
       Ja, kann er. Aber Sport ist mehr. Gerade bei Olympia, dem unvergleichlichen
       Weltereignis, zeigt sich die globale Gesellschaft wie in einem
       Brennglas. Das kann ermutigend sein wie der Auftritt der Gewichtheberin
       Laurel Hubbard, der ersten Transgender-Athletin in der Geschichte der
       Olympischen Spiele. Und das kann erschütternd sein wie das [1][Verhalten
       der belarussischen Funktionäre,] die eine Sportlerin zur Staatsfeindin
       erklären, nur weil sie Kritik am Trainer geübt hat.
       
       Und bitter ist gewiss, dass eine Ausnahmesportlerin wie [2][die Turnerin
       Simone Biles Wettkämpfe absagen muss, weil sie mit psychischen Problemen
       zu kämpfen hat.] Dass ihr aber beinahe überall in der Welt Zuspruch zuteil
       wird, dass sie so zur Hoffnung spendenden Botschafterin für Menschen wird,
       die an Depressionen leiden – das ist eine der schönen Geschichten dieser
       Spiele. Es ist eine Geschichte, die in der ganzen Welt vernommen wird.
       Dagegen verblasst jeder deutsche Olympiasieg, auch wenn Malaika Mihambo,
       Siegerin im Weitsprung, nach ihrem Satz auf sieben Meter [3][wirklich schön
       gestrahlt hat.]
       
       Mehr und mehr Athleten machen sich auf, ihre eigene Geschichte zu erzählen.
       Sie sind mündige Weltbürgerinnen, so wie Raven Saunders, die auf dem
       Podest ihre Silbermedaille im Kugelstoßen mit gekreuzten Händen gefeiert
       hat, um gegen rassistische und homophobe Diskriminierung zu protestieren.
       Helden bei Olympia sind nicht nur schnell, geschickt oder konzentriert. Sie
       sind auch politisch. Olympia ist ein politisches Spiel. Schönen Sport
       bekommt man noch dazu geliefert.
       
       4 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.fr.de/politik/olympia-2021-tokio-belarus-athletin-kristina-timanowskaja-sprinterin-heimreise-asyl-90895844.html
 (DIR) [2] /Athletinnen-mit-psychischen-Belastungen/!5787548
 (DIR) [3] https://www.spiegel.de/sport/olympia/olympia-2021-malaika-mihambo-gewinnt-gold-im-weitsprung-a-b85a63e0-22e5-4bb9-b1c5-7aed46032844
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
 (DIR) Olympische Spiele
 (DIR) taz-Serie Corona glokal 
 (DIR) Sport
 (DIR) Tokio
 (DIR) Schwerpunkt Krisenherd Belarus
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
 (DIR) Mode
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2021
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Belarus und Olympia: Geld vor Solidarität
       
       Die Flucht von Kristina Timanowskaja bedeutet einen Imageschaden für
       Belarus' Diktator. Trotzdem fällt Lukaschenko weich – dank westlicher
       Firmen.
       
 (DIR) Raus aus der Olympia-Blase: Party in Kabukicho
       
       Der taz-Olympiareporter verlässt zum ersten Mal die Bubble und bummelt im
       Rotlichtviertel. Er staunt über das lockere Leben auf der Amüsiermeile.
       
 (DIR) Kleiderordnung bei Olympia: Liberia stiehlt allen die Schau
       
       Sportkleidung ist politischer als man denkt. Auch die Olympischen Spiele in
       Tokio liefern einige modische Überraschungen.
       
 (DIR) Nach Alexander Zverevs Olympiasieg: Auf der Suche nach Anerkennung
       
       Alexander Zverev dominiert das Tennisfinale gegen Karen Chatschanow. Zuvor
       hatte er Novak Đoković besiegt. Tritt er nun aus Boris Beckers Schatten?