# taz.de -- Protest gegen Taliban in Afghanistan: Erster Widerstand am Hindukusch
       
       > Am Nationalfeiertag protestieren Afghanen im ganzen Land gegen die
       > Taliban. Auch bewaffnete Gegenwehr formiert sich. Mit einem
       > Gegenpräsidenten.
       
 (IMG) Bild: Die afghanische Flagge hat an diesem 19. August 2021 eine besondere Bedeutung: Widerstand
       
       Proteste gegen die Taliban gingen am Donnerstag, dem afghanischen
       Unabhängigkeitstag, weiter. Dabei wurde die bisherige schwarz-rot-grüne
       Nationalflagge zum zentralen Symbol. Videos in sozialen Medien zeigten, wie
       eine Autokolonne mit aus den Fenstern hängenden Flaggen mehrmals ein
       geparktes Talibanfahrzeug in Kabul umkreiste – ohne Reaktion der Taliban.
       
       Die hatten nach ihrer Machtübernahme diese Flaggen unter anderem im Kabuler
       Präsidentenpalast sofort abgehängt und mit ihrer weißen Flagge ersetzt. Ein
       weiteres Video, wohl auch aus Kabul, zeigte einen Flaggenprotest zu Fuß,
       inklusive einer größeren Gruppe von Frauen.
       
       Die Nachrichtenagentur AP berichtete von einer ähnlichen Demonstration in
       der ostafghanischen Provinzhauptstadt Dschalalabad. Dort sei ein
       Protestierender durch Schüsse, wohl von patrouillierenden Talibankämpfern,
       verwundet worden. In der südostafghanischen Provinzhauptstadt Chost hätten
       die Taliban nach Protesten am Mittwoch für den Unabhängigkeitstag eine
       24-stündige Ausgangssperre verhängt. Auch aus der ostafghanischen Provinz
       Kunar wurden Proteste gemeldet. Solche Berichte lassen sich im Moment
       jedoch kaum verifizieren.
       
       Am 19. August 1919 unterzeichneten Vertreter Kabuls und der Regierung
       Britisch-Indiens in Rawalpindi (heute Pakistan) ein Friedensabkommen. Es
       stellte Afghanistans volle Unabhängigkeit wieder her, nachdem sein
       damaliger Herrscher knapp drei Jahrzehnte vorher unter starkem politischem
       und finanziellen Druck die außenpolitische Vertretung an die Briten
       abtreten musste.
       
       ## Kampfansage aus dem Pandschirtal
       
       Chost und Dschalalabad waren die beiden letzten Provinzstädte, in die die
       Taliban kurz vor ihren Machtübernahme in Kabul einrücken konnten. Beide
       haben stark paschtunisch-nationalistische, gegen die Taliban eingestellte
       Bevölkerungsteile, vor allem unter der gebildeten Jugend.
       
       Die bisherige Opposition von Ex-Präsidenten Aschraf Ghani sendete Signale,
       dass sie bewaffneten Widerstand gegen das Taliban-Regime organisieren will.
       An die Spitze einer Nationalen Widerstandsfront will sich der an der
       Sandhurst-Akademie ausgebildete Ahmad Massud stellen, der Sohn des 2001 von
       Al-Qaida-Agenten ermordeten früheren Mudschaheddinführers Ahmad Schah
       Massud.
       
       Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkonvois mit Bewaffneten im
       Pandschirtal, einer kleinen Provinz nördlich von Kabul, der einzigen, die
       die Taliban bisher nicht besetzten. Afghanische Quellen berichteten, dass
       die Taliban Emissäre zu Massud geschickt hätten.
       
       Auch der frühere, ebenfalls aus dem Pandschir stammende Vizepräsident
       Amrullah Saleh soll sich entweder dort oder im afghanisch-tadschikischen
       Grenzgebiet aufhalten. Er hatte nach Ghanis Flucht am Dienstag per Tweet
       Widerstand angekündigt und sich zum „legitimen amtierenden Präsidenten“ des
       Landes erklärt, da er sich weiter „auf afghanischem Boden“ befinde.
       
       ## Frauen blockiert
       
       Das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate bestätigte
       inzwischen, dass das Land Ghani „aus humanitären Gründen“ aufgenommen habe.
       Gerüchten zufolge verweigern die USA Ghani die Einreise, obwohl er
       zumindest bis vor einigen Jahren die dortige Staatsbürgerschaft besaß.
       Washington und Ghani hatten sich in den letzten Jahren über die
       US-Taliban-Separatgespräche zerstritten.
       
       Die Nachrichtenagentur Reuters veröffentlichte gestern ein Gespräch mit
       einem bisher unbekannten „ranghohen Talibanführer“, namens Wahidullah
       Hashimi, in dem dieser angebliche offizielle Vorstellungen zur
       Frauenrechten wie Arbeit, Bildung, Schulbesuch und Kleidung darlegt.
       
       Ihm zufolge solle dies ein Rat islamischer Gelehrter entscheiden. Hohe
       Talibanführer hatten wiederholt erklärt, dass die Geistlichen in Zukunft
       eine zentrale Rolle in politischen Entscheidungen spielen würden, etwa über
       ein Gremium namens Schura-ja Hal-o-Aqd (Problemlösungsrat).
       
       Am Donnerstag teilte die prominente Ansagerin im Staatsfernsehen RTA,
       Schabnam Dauran, über soziale Medien mit, Taliban hätten sie im Gegensatz
       zu ihren männlichen Kollegen nicht mehr an ihren Arbeitsplatz gelassen.
       Auch der Nachrichtenchef des afghanischen Privatsenders Tolo News, Miraqa
       Popal, erklärte, eine seiner Kolleginnen sei am Betreten des Senders
       gehindert worden.
       
       19 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
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