# taz.de -- Nachruf auf Charlie Watts: Rollen und Trommeln
       
       > Er trommelte bei den Rolling Stones, war stilbewusst und liebte den Jazz:
       > Der Drummer Charlie Watts ist am Dienstag mit 80 Jahren in London
       > gestorben.
       
 (IMG) Bild: Watts war ein Bohemien, dabei einen Tick bürgerlicher als die Djangos vorne an der Rampe
       
       Fieslinge waren sie alle, aber der war obendrein auch noch maulfaul: „Beim
       Spielen fiel ihm die Kinnlade runter, das sah unglaublich bescheuert aus,
       er redete nie.“ (Nik Cohn) Wieso auch? Charlie Watts, an der Schießbude bei
       den Rolling Stones, genoss schon ein Leben vor der Band, hatte Ende der
       1950er die Kunsthochschule von Harrow besucht und in einer Londoner
       Werbeagentur gearbeitet. Die Patte investierte er in italienische Klamotten
       und Jazzalben!
       
       Blues, R&B, mit dem Kanon der afroamerikanischen Musik kannte er sich aus,
       aber Jazz war mehr sein Ding, er ging oft auf Konzerte und beobachtete
       genau, was US-Jazzdrummer wie [1][Art Blakey] und Max Roach mit ihren Beats
       anschoben. Das Knowhow brachte Watts dann auf die Bühne, als er 1961 selbst
       zu spielen begann.
       
       „Anders als der Rest trug der Drummer elegante, halb zugeknöpfte Jacketts,
       aus denen schicke Hemdkragen hervorlugten. Das blieb auch in der Affenhitze
       der Konzertsäle so. Mir kam es vor, als würde ich ihn gar nicht sehen, nur
       den Druck spüren, der von den Drums ausging. Sein Körper verschwand hinter
       dem Schlagzeug, der Kopf starr geradeaus gerichtet, die Hände im perfekten
       Abstand zu den Trommeln. Allüren hatte der nicht nötig. Er spielte mit den
       Stones, aber irgendwie war er gar keiner von denen.“
       
       Die Liebeserklärung von Manager Andrew Loog Oldham, der die Band im Alter
       von 19 erstmals live sah und sofort dem Impressario Giorgio Gomelsky
       wegschnappte, erwiderte Charlie Watts mit einem vollständigen Satz: „Auf
       den würde ich nicht mal pissen, wenn er brennt.“
       
       ## Aufsässiger Blick
       
       Was muss man sonst noch wissen: Watts starrte die Fotografen genauso
       aufsässig an wie die anderen in der Band, aber er hatte nicht die
       Schlauchboot-Lippen von Vorturner Mick Jagger (die dann mit der
       herausgestreckten Zunge zum Bandlogo wurden – grässlich, wie Watts befand)
       und konnte auch nicht so viel vertragen wie Hohlauge Keith Richards. Er war
       ein Bohemien, dabei einen Tick bürgerlicher als die Djangos vorne an der
       Rampe.
       
       Bei den Hits taucht er nicht als Komponist auf und doch ist er ein
       wichtiger, integraler Teil der Stones, zu sehen in Jean-Luc Godards Film
       „One Plus One“, der die Band 1968 bei den Aufnahmen des Albums „Beggars
       Banquet“ porträtierte, wie sie den später berühmten Song „Sympathy for the
       Devil“ zigmal einspielen.
       
       Der begabte Gitarrist Brian Jones war da schon halb rausgemobbt. Jones'
       tragischer Tod 1969, das Desaster beim Auftritt der Stones im
       kalifornischen Altamont im Jahr darauf, als Mitglieder der Rockergruppe
       Hells Angels einen Festivalbesucher ermordeten, [2][diverse
       Besetzungswechsel], größere und kleinere Dramen, auch handfest ausgetragene
       Streitigkeiten. Watts war immer dabei, scheinbar ungerührt, vermittelte im
       Hintergrund. Er spielte bei den Stones, aber er war irgendwie gar keiner
       von denen.
       
       ## 137 Sattelschlepper
       
       Seit den 1980er Jahren, als das Unternehmen Rolling Stones mit 137
       Sattelschleppern alle paar Jahre um die Welt tourte, die Alben immer öder
       wurden, sich aber die alten Hits weiterhin wie Stulle verkauften, tauchte
       [3][Mick Jagger] regelmäßig in Klatschspalten auf oder in VIP-Bereichen von
       Stadien bei Fußball-Länderspielen der englischen Nationalmannschaft. Watts
       wurde ab und an in Londoner Pubs gesichtet und spielte am liebsten in einer
       von ihm gegründeten Jazz-Bigband.
       
       Tourneepläne mit den Stones musste er bereits im Sommer absagen. Am
       Dienstag ist Charlie Watts im Alter von 80 Jahren im Kreise seiner Familie
       in einem Londoner Krankenhaus gestorben.
       
       25 Aug 2021
       
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