# taz.de -- EU-Parlament lehnt Vorstoß ab: Kein Antibiotikaverbot für Tiere
       
       > Selbst die für Menschen wichtigsten Antibiotika dürfen weiter Tieren
       > gegeben werden, entscheidet das EU-Parlament. Ärzte warnen vor
       > Resistenzen.
       
 (IMG) Bild: Schweinerei: In großen Ställen bekommen sogar gesunde Tiere Antibiotika
       
       BERLIN taz | Das EU-Parlament hat ein weitgehendes Verbot der für Menschen
       wichtigsten Antibiotika in der Tierhaltung abgelehnt. Vor allem die
       EVP-Fraktion, zu der auch die CDU-Abgeordneten gehören, ließ am
       Mittwochabend [1][ein Veto] gegen einen [2][Erlass] der EU-Kommission
       durchfallen. Dieser sieht vor, dass Tiere weiter mit Reserveantibiotika
       behandelt werden dürfen, die als letztes Mittel gegen eine bakterielle
       Infektionskrankheit bei Menschen noch wirken, aber ebenfalls für die
       Veterinärmedizin nötig sind. Der Erlass kann nun in Kraft treten.
       
       Auch der Einsatz von Antibiotika bei Tieren trägt Behörden zufolge dazu
       bei, dass krank machende Bakterien unempfindlich gegen die Medikamente
       werden. Beispielsweise über Lebensmittel können die Erreger auf Menschen
       übertragen werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU
       finanzierten Studie jährlich etwa [3][2.400 Personen], weil sie sich mit
       einem resistenten Keim infiziert haben. Deshalb hat die EU beschlossen,
       dass [4][Reserveantibiotika Menschen vorbehalten] sein sollen. Der nun vom
       EU-Parlament durchgewunkene Erlass legt Kriterien für die Auswahl der zu
       verbietenden Medikamente fest.
       
       „Das ist in der Tat ein ganz schlechter Tag für die Humanmedizin. Es ist
       vielleicht ein guter Tag für die niedersächsische Geflügelindustrie“, sagte
       Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen. Er hatte in seiner
       Funktion als Verhandlungsführer des Parlaments für das Thema den Einspruch
       gegen den Kommissionserlass formuliert.
       
       Der Erlass enthalte so viele Ausnahmen, dass weiter Hühner, Puten und
       Schweine „massenhaft“ mit Reserveantibiotika behandelt würden, selbst wenn
       sie nicht krank sind. Masthühner beispielsweise werden zu Zehntausenden in
       einem Stall gehalten und erhalten die Medikamente im Wasser, auch wenn sich
       nur einzelne Tiere infiziert haben.
       
       Häusling beklagte, der Bundesverband praktizierender Tierärzte habe eine
       sehr emotionale „Kampagne mit Fake News“ gegen seinen Einspruch initiiert.
       Die Organisation hatte in einer Petition behauptet, der Vorschlag des
       Abgeordneten bedrohe das Leben von Haustieren wie Hunden oder Katzen, weil
       sie nicht mehr mit Reserveantibiotika behandelt werden dürften. Tatsächlich
       hatte Häusling aber Ausnahmen für eine „Einzeltierbehandlung“ vorgesehen.
       
       ## Arzt Montgomery: Mehr Tierwohl wäre möglich gewesen
       
       Solche Ausnahmen wird es nun laut Kommission nicht geben für die
       Antibiotika, die die Behörde bis 28. Januar auf Grundlage ihrer Kriterien
       auswählen muss. „Das, was die Tierärzte eigentlich wollten – Fiffi schützen
       –, haben sie mit ihrem Einspruch gegen unser Veto tatsächlich selbst
       verhindert. Sie haben sich ein Stück weit selber ins Knie geschossen“, so
       Häusling. Er warf dem Tierärzteverband vor, die ökonomischen Interessen der
       Praxen geschützt zu haben, die bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes mit dem
       Verkauf von Medikamenten wie Antibiotika etwa an Putenmäster machten.
       
       „Die EU hat die Chance verpasst, etwas für die menschliche Gesundheit und
       indirekt das Tierwohl zu tun“, sagte der Vorsitzende des Weltärztebunds,
       Frank Ulrich Montgomery, der taz. Tödliche Antibiotikaresistenzen gingen
       „zu einem erheblichen Teil“ auf den übermäßigen Gebrauch dieser Präparate
       in der Veterinärmedizin zurück. Hätte die EU die Medikamente in der
       Tiermast verboten, hätte sie Antibiotika „als Ersatz für gute
       Haltungsbedingungen ausgeschlossen“. Auch die Bundesärztekammer, die
       Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch kritisierten die
       Parlamentsentscheidung.
       
       Der Tierärzteverband dagegen freute sich, dass alle Tiere weiterhin „mit
       einer [5][ausreichenden Anzahl]“ von Antibiotika behandelt werden könnten.
       Die Bundestierärztekammer lobte, der Beschluss basiere auf Erkenntnissen
       „aus Human- und Tiermedizin“. Häuslings Einspruch dagegen basiere nur auf
       den „Empfehlungen der (Weltgesundheitsorganisation) WHO, welche
       ausschließlich die menschliche Gesundheit berücksichtigen“.
       
       16 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Petition-von-Tieraerzten-gegen-EU-Reform/!5795094
 (DIR) [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=PI_COM%3AAres(2021)2132280
 (DIR) [3] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(18)30605-4/fulltext
 (DIR) [4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/
 (DIR) [5] https://www.tieraerzteverband.de/bpt/presseservice/meldungen/2021_09_16_eu-abstimmungsergebnis-DR.php
       
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