# taz.de -- Nordkorea testet Marschflugkörper: Kim Jong Un zündelt wieder
       
       > Nordkoreas Abschuss eines Langstrecken-Marschfluggkörpers ist eine
       > Provokation mit Ankündigung. Er verschärft den Rüstungswettlauf.
       
 (IMG) Bild: Nordkorea hat am Wochenende eine neue Langstreckenrakete getestet
       
       PEKING taz | Wie unterschiedlich Nordkoreas jüngste Provokation aufgenommen
       wurde, zeigt allein schon die mediale Berichterstattung: Während der
       Raketenstart des Kim-Regimes die Nachrichtensendungen des US-amerikanischen
       Senders CNN dominierte, blieb er in der unmittelbaren Nachbarschaft nur
       eine Randnotiz. Der Seouler Nachrichtensender YTN eröffnete seine
       Morgenshow mit einem lokalen Autobahnunfall.
       
       Wirklich überrascht sollte die Weltgemeinschaft eigentlich nicht sein,
       schließlich hatte [1][Machthaber Kim Jong Un] bereits im Januar den Test
       eines Marschflugkörpers angekündigt. Am Wochenende schließlich war es so
       weit, wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA in einer Aussendung
       bekanntgab. Der neue Flugkörper „von großer strategischer Bedeutung“ wurde
       sowohl am Samstag als auch Sonntag getestet worden. Die Raketen flogen in
       ovaler Flugbahn auf Ziele in 1.500 Kilometern Entfernung.
       
       Das US-Militär sprach in einer Stellungnahme von einer Bedrohung für die
       internationale Gemeinschaft. Auch Seoul und Tokio zeigten sich besorgt.
       Dass der Waffentest ansonsten mit vergleichsweise geringer Aufmerksamkeit
       bedacht wurde, hat sicher mit einem gewissen Gewöhnungseffekt zu tun.
       
       Doch auch unter Militärexperten ist die Provokation vom Wochenende als eher
       geringfügig einzustufen. Denn es handelt sich nicht um eine ballistische
       Rakete, sondern einen Marschflugkörper mit eigenem Antrieb. Diese
       unterliegen nicht den internationalen Sanktionen, die die Vereinten
       Nationen gegen das Land verhängt haben.
       
       ## Risiko für die Nachbarn
       
       Der Grund dafür ist simpel: Marschflugkörper fliegen wesentlich langsamer
       und niedriger, haben eine geringere Reichweite und können im Schnitt nur
       kleinere Sprengkörper mit sich führen. All dies macht sie weniger
       bedrohlich, wobei eine solche Einschätzung relativ zu betrachten ist: Für
       die unmittelbaren Nachbarn Japan und Südkorea stellen sie durchaus ein
       Risiko dar.
       
       Dennoch hält der Test einige wichtige Informationen für die internationale
       Gemeinschaft bereit. So beweist er doch, dass das Land [2][die kostspielige
       Entwicklung seines Waffenprogramms auch dann vorantreibt], nachdem die
       Corona-Pandemie die ohnehin hoch fragile Wirtschaft des Landes grundlegend
       zerrüttet hat.
       
       Der Raketentest lässt sich auch als Reaktion auf die zunehmende
       Militarisierung Südkoreas interpretieren. Der ehemalige US-Präsident Donald
       Trump und sein Nachfolger Joe Biden haben dafür die Grundlage geschaffen.
       Sie hatten sukzessive die sogenannten Raketenrichtlinien aufgehoben, die
       sowohl die Reichweite als auch das Sprengkopfgewicht von ballistischen
       Raketen reglementieren, die Südkoreas Militär entwickeln darf. Die
       Richtlinie ist noch ein Überbleibsel des Koreakriegs, auf den sich die
       jahrzehntealten Alliierten Washington und Seoul geeinigt hatten.
       
       Erst zu Beginn des Monats hatte Südkoreas Armee seine erste U-Boot
       gestützte Rakete abgefeuert. Zuvor hatte das Verteidigungsminsiterium die
       Errungenschaft der Kurzstreckenraketen des Typs „Hyunmoo-4“ vorgestellt,
       die eine Sprengladung von bis zu zwei Tonnen transportieren und die gesamte
       Landesfläche Nordkoreas abdecken kann.
       
       ## Gespräche in Tokio
       
       Für Pjöngjang ist dies ein regelrechter „game changer“, denn Südkoreas
       Militär kann nun potenziell die nordkoreanischen Untergrund-Bunker ins
       Visier nehmen, in denen das Regime sein Atomarsenal und im Kriegsfall wohl
       auch seine Staatsführung unterbringen würde.
       
       Nächste Woche werden sowohl Vertreter Südkoreas, der USA als auch Japans in
       Tokio zu Gesprächen zusammenkommen, um über Strategien zur nordkoreanischen
       Abrüstung zu debattieren. Dieses Ziel scheint jedoch derzeit immer
       unrealistischer. Erst im August wurde bekannt, dass Nordkorea einen
       Atomreaktor seiner Anlage in Yongbyong wieder in Betrieb genommen hat.
       
       Die einzige gute Nachricht ist vielleicht, dass Pjöngjang seit dem
       spektakulären Scheitern des letzten Gipfels mit den USA in Hanoi noch nicht
       alle Register auf der Provokationsskala gezogen hat. Wenn Kim eine
       Interkontinental- oder Atomrakete testen sollte, wird Washington mit
       Sicherheit nicht nur mit einer „besorgten“ Stellungnahme reagieren.
       
       13 Sep 2021
       
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