# taz.de -- Vorwahl für den Kongress in Argentinien: Klatsche für die Regierungspartei
       
       > Die linksprogressive Allianz „Gemeinsame Front“ erreicht nur 31 Prozent
       > der Stimmen. Das ist vor allem ein Denkzettel für Präsident Fernández.
       
 (IMG) Bild: Der argentinische Präsident Alberto Fernández verlässt siegessicher das Wahllokal
       
       BUENOS AIRES taz | Die Bühne für die Jubelfeier war umsonst aufgebaut. Am
       Sonntag wurde Argentiniens linksprogressive Regierungsallianz Frente de
       Todos (Gemeinsame Front) bei den Vorwahlen zum Kongress abgestraft.
       Landesweit konnte sie nur 31 Prozent der Stimmen erringen. Selbst in ihrer
       Hochburg, der Provinz Buenos Aires, wurde die Frente auf den zweiten Platz
       verwiesen. „Etwas haben wir nicht richtig gemacht“, gestand ein sichtlich
       enttäuschter Präsident Alberto Fernández am späten Wahlabend gegenüber
       seiner noch spärlich versammelten Anhängerschaft ein.
       
       Jubel und Begeisterung brandeten dagegen beim rechtsliberalen Bündnis
       Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wechsel) des ehemaligen Präsidenten
       Mauricio Macri auf, als dessen Spitzenkandidatin María Eugenia Vidal auf
       die Bühne trat. „Heute wurde der Regierung ein donnerndes ‚Basta!‘ gesagt“,
       rief Vidal. Landesweit konnte das Bündnis rund 40 Prozent der Stimmen
       erringen.
       
       Vorwahlen sind in Argentinien mehr als nur ein Stimmungstest. Es herrscht
       Wahlpflicht und alle der rund 34 Millionen Wahlberechtigten, nicht nur
       Parteimitglieder, müssen ihre Stimmen abgeben. Trotzdem lag die
       Wahlbeteiligung nur bei 67 Prozent.
       
       Bestimmt wurden die Kandidat*innen, die im November bei den Teilwahlen zum
       Kongress antreten. Dann werden die Hälfte der Delegierten des
       Abgeordnetenhauses sowie ein Drittel des Senats neu gewählt. Gegenwärtig
       verfügt die Regierung in der Senatskammer noch über eine Mehrheit, während
       sie sich im Unterhaus stets Mehrheiten organisieren muss. Mit dem Ergebnis
       vom Sonntag würde sie in beiden Kammern keine Mehrheit mehr stellen.
       
       ## Zwei Modelle
       
       Präsident Fernández selbst hatte den ersten landesweiten Urnengang seit
       seinem Amtsantritt im Dezember 2019 zu einem Referendum über seine Politik
       erklärt. Am Sonntag würden zwei Modelle zur Wahl stehen, hatte er den
       Stimmberechtigten mit auf dem Weg gegeben. Der linksgemäßigte Politiker war
       mit dem klaren Auftrag, die seit Jahren schrumpfende Wirtschaft wieder auf
       Erfolgskurs zu bringen, ins Amt gewählt worden.
       
       Wegen [1][des pandemiebedingten Lockdowns] war die Wirtschaft im
       vergangenen Jahr jedoch um weitere 10 Prozent eingebrochen. Die
       Inflationsrate betrug 36 Prozent. Dieses Jahr könnte sie gar die
       50-Prozent-Marke überspringen. Wegen des Kaufkraftverlusts rutschen immer
       mehr Menschen in die Armut ab. Ende 2020 lebten 42 Prozent der [2][rund 45
       Millionen Argentinier*innen unterhalb der Armutsgrenze].
       
       Hilfsprogramme finanziert die Regierung vor allem über die Notenpresse. Die
       Wahlkampfstrategie, mit Erfolgen gegen das Coronavirus zu punkten,
       überzeugte nicht einmal die Stammwählerschaft. Mit über 113.000 Toten liegt
       Argentinien auf Rang 13 in der Welt.
       
       Doch vor allem ein vor wenigen Wochen veröffentlichtes Foto einer
       Geburtstagsfeier ruinierte die Glaubwürdigkeit des Präsidenten. Es zeigt
       das Präsidentenpaar sowie weitere Personen bei der Geburtstagsfeier der
       First Lady am 14. Juli 2020 in der Präsidentenresidenz in Olivos. Zu diesem
       Zeitpunkt hatte der Präsident selbst restriktive Quarantänemaßnahmen
       inklusive Ausgangssperre über die Hauptstadt und weite Teile des Landes
       verhängt. Private Familienfeiern waren verboten.
       
       ## Uneingeschränkter Rückhalt
       
       Dafür, dass die Niederlage in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos
       Aires nicht noch heftiger ausfiel, sorgte Vizepräsidentin Cristina
       Kirchner. Einmal mehr bestätigt sich, dass sie das Gravitationszentrum ist,
       um das die Regierungskoalition einschließlich Präsident Fernández kreist.
       Verloren hat der Präsident, nicht seine Vizepräsidentin, so der Tenor im
       Kirchnerlager.
       
       Ihren uneingeschränkten Rückhalt bei rund 30 Prozent der Provinzbevölkerung
       sieht man an der Reaktion einer Frau: Der Fraktionsführer im
       Abgeordnetenhaus und Sohn der Vizepäsidentin, Máximo Kirchner, reicht ihr
       am Rande einer Wahlveranstaltung sein Handy mit den Worten „Meine Mutter
       ist dran …“. Völlig aus dem Häuschen ruft die Frau ins Handy: „Dank der
       Kirchner-Regierungen habe ich heute eine anständige Rente. Wir werden Dich
       immer unterstützen.“
       
       13 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
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