# taz.de -- Preissteigerungen in Städten: Spaniens Plan für günstigere Mieten
       
       > Spaniens Regierung einigt sich auf Maßnahmen gegen steigende Mieten.
       > Neben steuerlichen Maßnahmen soll es erstmals Mietspiegel geben.
       
 (IMG) Bild: Proteste gegen steigende Mieten, hier in Barcelona
       
       MADRID taz | Es war eine schwere Geburt. Obwohl das Thema Mieten vor
       eineinhalb Jahren ausdrücklich in die Koalitionsvereinbarung zwischen der
       sozialistischen PSOE des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und
       den Linksalternativen Unidas Podemos (UP) aufgenommen wurde, war lange
       nichts geschehen.
       
       Erst jetzt, als sich UP bei den Verhandlungen für den Haushalt 2022 stur
       stellte und damit drohte diese platzen zu lassen, gaben die Sozialisten
       nach. Das Ergebnis der Verhandlungen: Die Mietsteigerung soll dort, wo in
       [1][Spanien der Wohnungsmarkt] „angespannt“ ist, gedeckelt werden.
       
       Neben steuerlichen Maßnahmen soll es erstmals in Spanien auch Mietspiegel
       geben. Die Kompetenzen für die Umsetzung der Maßnahmen, die in den nächsten
       Monaten in ein Gesetz gegossen werden sollen, liegen weitgehend bei den
       Regional- und Kommunalverwaltungen. Die UP-Vorsitzende Ione Belarra spricht
       von einem „Wechsel des Modells“.
       
       Die Maßnahmen werden zwischen kleinen Wohnungsbesitzern und solchen
       unterscheiden, die mehr als zehn Objekte vermieten. Die Vermieter von
       weniger als zehn Wohnungen sollen mit Steueranreizen dazu gebracht werden,
       die Mieten nicht anzuheben.
       
       Wer sie gar bei einem neuen Vertrag gegenüber dem vorhergehenden senkt,
       muss weniger Steuern bezahlen. Das soll den Einnahmeverlust wettmachen und
       die Mieten insgesamt senken. Diese Steuererleichterungen können sich auf
       bis zu 90 Prozent des bisherigen Satzes belaufen. Diese Maßnahme hängt von
       der spanischen Regierung ab. Denn sie treibt einen Großteil der
       Einkommensteuern ein.
       
       Großbesitzer hingegen bekommen ganz klare Auflagen. Sie dürfen bei
       Verlängerung der üblicherweise befristeten Verträge die Miete nur im Rahmen
       der Steigerung der Lebenshaltungskosten anheben. Bei Neuvermietungen darf
       sie nicht über dem lokalen Mietpreis, der per Mietspiegel ermittelt wird,
       liegen. Wer Wohnungen leer stehen lässt, muss mit einer erhöhten
       Immobiliensteuer rechnen. Es ist von bis zu 150 Prozent die Rede. Das neue
       Gesetz wird nur einen Rahmen abstecken. Die genaue Höhe bestimmt die
       jeweilige Stadtverwaltung.
       
       ## Mehr Sozialwohnungen – auch zur Miete
       
       Außerdem sollen künftig mehr Sozialwohnungen gebaut werden. Es ist
       vorgesehen, dass bei jedem neuen Baugebiet mindestens 30 Prozent der
       Wohnungen für Einkommensschwache zur Verfügung stehen müssen. Die Hälfte
       davon – das ist üblich in Spanien – als geförderte Eigentumswohnungen. Doch
       die andere Hälfte – und das ist neu – als Mietwohnungen.
       
       Hinzu kommt eine monatliche Hilfe von 250 Euro für 18- bis 35-Jährige, die
       weniger als 23.750 Euro im Jahr verdienen. Ihnen soll dadurch der Zugang
       zum Mietmarkt erleichtert werden.
       
       Als „angespannter Wohnungsmarkt“ gelten die Stadtteile und Gemeinden, in
       denen die Mietsteigerung in den letzten Jahren mehr als 5 Prozent über der
       Zunahme der Lebenshaltungskosten lag und wo die Mieten im Schnitt mehr als
       30 Prozent des Familieneinkommens verschlingen. Das ist vor allem in den
       zentralen Stadtteilen großer Städte wie Madrid und [2][Barcelona], aber
       auch in Tourismushochburgen wie Valencia oder Palma de Mallorca der Fall.
       Dort hat der Boom an Ferienwohnungen und -zimmern die Preise, [3][ähnlich
       wie auch in Berlin], in die Höhe schnellen lassen.
       
       [4][Die Mieten sind deshalb seit Längerem ein Streitthema in Spanien]. Vor
       allem die linksalternative Stadtverwaltung in Barcelona unter der
       Bürgermeisterin und ehemaligen Aktivistin [5][gegen Zwangsräumungen], Ada
       Colau, bedauerte immer wieder, keine Kompetenzen zu haben, um in den
       Wohnungsmarkt eingreifen zu können. Das wird sich jetzt ändern.
       
       Andere Städte, wie das konservative Madrid, werden weiterhin den Markt
       schalten und walten lassen, auch wenn das dazu führt, dass immer mehr junge
       Menschen und Familien das Stadtzentrum verlassen müssen. Seit 2014 stiegen
       die Mieten – ähnlich wie in Berlin – um über 50 Prozent, die Löhne seit
       2008 gerade einmal um 10 Prozent an. „Wir werden für niemanden die
       Immobiliensteuer anheben, auch nicht für leerstehende Wohnungen“, kündigte
       der konservative Bürgermeister der Hauptstadt, José Luis Martínez-Almeida,
       der dank der Unterstützung der rechtsliberalen Ciudadanos und der
       rechtsextremen Vox regiert, einen Boykott der Maßnahmen an.
       
       Seine Parteikollegen überall im Lande schließen sich Almeida an. „Das ist
       ein Angriff ohnegleichen auf das Privateigentum, der negative Auswirkungen
       für die Bürger Spaniens haben wird“, wetterte die Fraktionsprecherin der
       konservativen Partido Popular (PP) Cuca Gamarra. „Nichts Gutes für Mieter
       und Wohnungsbesitzer“ prophezeit der konservative Chef der
       Regionalregierung im nordwestspanischen Galicien, Alberto Nuñez Feijóo. Und
       seine Amts- und Parteikollegin in der Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz
       Ayuso, erklärte bereits im Vorfeld, dass „Privateigentum keine Ideologie,
       sondern ein verfassungsmäßiges Recht“ sei.
       
       6 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Spanien-in-der-Krise/!5079835
 (DIR) [2] /Baubuergermeister-ueber-Spekulation/!5559948
 (DIR) [3] /Vergesellschaftung-von-Wohnungen/!5796844
 (DIR) [4] /Spaniens-hohe-Mieten-foerdern-Hotel-Mama/!5190916
 (DIR) [5] /Dekret-waehrend-Corona-in-Spanien/!5740253
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wohnen
 (DIR) Mieten
 (DIR) Immobilienmarkt
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
 (DIR) Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Immobilienkonzern mit Digitalisierung: Angst vor Orwell
       
       Mieter kritisieren den Wohnungskonzern Heimstaden. Sie haben Angst vor
       Überwachungsmöglichkeiten etwa durch digitale Schlüsselsysteme.
       
 (DIR) Protest gegen Bauprojekt in Südspanien: Die Bagger kommen bald wieder
       
       An letzten noch unverbauten Teilen der südspanischen Küste sollen neue
       Tourismuskomplexe entstehen. Lokalpolitik und Gesellschaft üben
       Kritik.