# taz.de -- Weltweit weniger Strom aus Kernkraft: Atomwirtschaft auf dem Rückzug
       
       > Erneuerbare Energien boomen, die Kernspaltung verliert. Beim globalen
       > Strommix ist der Anteil von Atomstrom auf 10 Prozent gesunken, so ein
       > Report.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur in Deutschland stehen Atomkraftwerke vor dem aus: Isar 1 und Isar 2 gehen 2022 vom Netz
       
       FREIBURG taz | Seit Jahren stagniert die weltweite [1][Atomkraft] – eine
       Entwicklung, die sich auch im Jahr 2020 fortsetzte. Den weiteren
       Bedeutungsverlust der Nuklearwirtschaft verhindert vor allem [2][China]:
       Ohne den Zubau der Reaktoren im Reich der Mitte wäre die globale
       Atomstromerzeugung im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1995
       gefallen.
       
       Diese Zahlen gehen aus dem alljährlich publizierten World Nuclear Industry
       Status Report (WNISR) hervor, der am Dienstag zeitgleich in Washington und
       Paris vorgestellt wurde. Der Report gilt als die profundeste öffentlich
       verfügbare Datenanalyse zur globalen Atomwirtschaft. Hauptautor des im Jahr
       1992 erstmals erschienenen Reports ist Mycle Schneider, ein deutscher
       Energie- und Atompolitikberater, ansässig in Paris. Sein Co-Autor ist
       Antony Froggatt, Berater beim britischen Thinktank Chatham House.
       Finanziert wird die Branchenanalyse von Sponsoren; in diesem Jahr sind es
       mehrere Stiftungen, ferner die europäischen Grünen und die
       Elektrizitätswerke Schönau. Trotz atomkritischer Geldgeber erfahren die
       Ausarbeitungen, da sie sehr faktenbasiert sind, auch in der Atomwirtschaft
       stets Anerkennung.
       
       Der jüngste Report zeigt, dass sich China, gemessen an der erzeugten
       Atomstrommenge, im Jahr 2020 auf Platz zwei hinter die USA und erstmals vor
       Frankreich geschoben hat, wo der Anteil der Atomkraft am Strommix auf den
       niedrigsten Stand seit 1985 sank. Aber auch in China stieg die
       Atomstromerzeugung langsamer als in früheren Jahren: Nur noch um 4,4
       Prozent legte sie im Pandemiejahr zu – die niedrigste Wachstumsrate seit
       2009.
       
       Weltweit wurden 2020 fünf neue Reaktoren in Betrieb genommen, darunter die
       ersten in Weißrussland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zugleich
       wurden sechs Blöcke abgeschaltet. Damit liegt der Anteil der Atomkraft an
       der weltweiten Stromerzeugung seit einigen Jahren bei rund 10 Prozent und
       längst weit unter seinem Höchststand von 17,5 Prozent im Jahr 1996.
       Zugleich wird die globale Atomflotte immer älter: Das Durchschnittsalter
       der laufenden Reaktoren liegt heute bei etwa 31 Jahren, jede fünfte Einheit
       erreicht schon 41 Jahre oder mehr.
       
       Längst haben die Investitionen in erneuerbare Energien jene in Atomkraft
       weit hinter sich gelassen – mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar betrugen
       sie das 17-Fache dessen, was die Atomwirtschaft vermelden konnte. Zugleich
       haben in der EU die Erneuerbaren im vergangenen Jahr erstmals auch ohne die
       Wasserkraft mehr Strom erzeugt als die gesamten Atomreaktoren.
       
       ## Selbst bestehende Reaktoren haben Schwierigkeiten
       
       Die Ökonomie weist deutlich den Weg: Selbst bestehende Reaktoren hätten
       „zunehmend Schwierigkeiten, gegenüber ihren Konkurrenten auf dem Markt zu
       bestehen“, heißt es in dem Report. In vielen Regionen liege der Preis von
       Strom aus Solar- und Windenergie bereits weit unter den Betriebs- und
       Wartungskosten von Atomkraftwerken. Auch die in jüngster Zeit viel
       diskutierten neuen Reaktortypen, wie der Small Modular Reactor (SMR),
       könnten selbst unter günstigsten Umständen wahrscheinlich nicht
       wirtschaftlich werden.
       
       Unklar sei ohnehin, ob das neue Reaktordesign jemals kommerziell verfügbar
       sein werde. Für die kommenden 10 bis 15 Jahren hält der WNISR das
       jedenfalls für ausgeschlossen, nachdem Pilotprojekte in Argentinien, China
       und Russland enttäuschend verlaufen seien. Somit gebe es „keine neuen
       Anzeichen für einen großen Durchbruch für SMRs, weder technologisch noch
       kommerziell“.
       
       Entsprechend ist es mit der von der Atomwirtschaft gerne postulierten
       Zubauoffensive nicht weit her. Weltweit sind derzeit 53 Einheiten im Bau –
       im Jahr 2013 waren es noch 69. Die Bauzeiten sind zudem lang: In 19 Prozent
       der Fälle liegt der Baubeginn ein Jahrzehnt oder länger zurück; das
       betrifft auch die europäischen Projekte Olkiluoto-3 in Finnland (Baubeginn
       2005) und Flamanville-3 in Frankreich (2007).
       
       28 Sep 2021
       
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