# taz.de -- Identitäts-Shopping bei Amazon: Wenn Einkaufen spaltet
       
       > Bei Amazon kann man jetzt gezielt in Shops einkaufen, die von Schwarzen,
       > Militärs oder Frauen geführt werden. Fortschrittlich ist das nicht.
       
 (IMG) Bild: Statt bei Amazon im Shop oder online einzukaufen, besser im eigenen Viertel shoppen
       
       Amazon rettet mal wieder die Welt: In den USA lässt sich nun nach Identität
       shoppen. Der gute Samariter Amazon will nicht nur Kleinunternehmen fördern,
       nein: Kund:innen können jetzt auswählen, ob sie nur bei Shops einkaufen,
       die Schwarze, Frauen oder (kein Witz) Militärfamilien leiten. Der Konzern
       nimmt alle mit, von Hillary-Clinton-Aficionados bis zum
       Trump-Bürgermilizionär. Zugleich erinnert das neue Einkaufskonzept an die
       umstrittene Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und deren
       Gebot, nicht in von Israel besetzten Gebieten einzukaufen. Nur eben
       umgekehrt; „kauft nur bei“, lautet die Losung bei Amazon.
       
       Es ist kein Zufall, dass derlei Irrungen von [1][Amazon] ausgehen. Die
       Politikwissenschaftlerin Nancy Fraser bezeichnet das Phänomen als
       „progressiven Neoliberalismus“. Im Kern beschreibt sie, wie die Bill
       Clintons, Tony Blairs und Barack Obamas dieser Welt und ihre Amtsnachfolger
       weiter fröhlich deregulieren und Märkte entfesseln. Nur nehmen sie auch
       Diskriminierte in einem Schein-Empowerment mit.
       
       Der Soziologe [2][Oliver Nachtwey] spricht von horizontalen Rechten, die
       etwa die LGBTQI-Community seit Jahrzehnten erkämpft. Vertikal nimmt
       allerdings die Ungleichheit zu. In Deutschland führte Rot-Grün die
       eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein.
       Gleichzeitig baute die Schröder-Regierung den größten Niedriglohnsektor
       Europas auf – in dem überproportional Minderheiten und Benachteiligte
       arbeiten. Der gleiche Geist bedingt den unsäglichen Business-Feminismus
       einer Ivanka Trump, der weiße privilegierte Frauen fördert und zugleich
       Ungleichheit verschärft.
       
       Auf Amazon übertragen heißt das: Linksliberale wandeln Online-Shopping in
       einen identitätspolitischen Akt um, während gehetzte Amazon-Mitarbeitende
       weiter in Flaschen urinieren müssen. Besser wäre: Statt auf
       Internetblasen-Shopping zu setzen, lieber im Laden um die Ecke einkaufen
       und Initiativen wie „genialokal“ unterstützen. Die wahrt die [3][Identität]
       des eigenen Viertels, statt mit Emanzipations-Feigenblättern zu spalten.
       
       11 Oct 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Arbeitskampf-bei-Onlineversandhaendler/!5735262
 (DIR) [2] /Essay-von-Oliver-Nachtwey/!5315079
 (DIR) [3] /Austausch-ueber-Krise-der-Linken/!5663748
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nathanael Häfner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Amazon
 (DIR) Online-Shopping
 (DIR) Plattformökonomie
 (DIR) Identitätspolitik
 (DIR) Internet
 (DIR) Identitätspolitik
 (DIR) Soziologie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Zukunftsideen der Tech-Konzerne: Science-Fiction wird real
       
       Digitalkonzerne bereiten sich auf das Metaversum vor, den Nachfolger des
       Internets. Wie genau es aussehen wird, ist aber noch unklar.
       
 (DIR) Identitätspolitik und Wissenschaft: „Jede Generation hat ihre Agenda“
       
       Der Soziologe Steffen Mau wirft im Gespräch einen differenzierten Blick auf
       die Debatte um Identitätspolitik.
       
 (DIR) Essay von Oliver Nachtwey: Auf Beton bist du nichts
       
       In seinem Buch „Die Abstiegsgesellschaft“ zeichnet Nachtwey ein Bild der
       Bundesrepublik: Es geht abwärts – aber nicht für alle.